Übersteigen die zu erwartenden Kosten des Unterbevollmächtigten die ersparten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten um mehr als 10 %, steht dem Kostengläubiger lediglich ein Anspruch auf Erstattung von 100 % der ersparten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten zu.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die Kosten eines Unterbevollmächtigten dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären1. Maßgeblich ist ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Demnach sind die Kosten erstattungsfähig, wenn eine Vergleichsrechnung ergibt, dass sie unter den zu erwartenden (fiktiven) Reisekosten liegen.
Für die danach anzustellende Vergleichsrechnung ist eine Anreise mit der Bahn zugrunde zu legen. Allein wegen des von ihm behaupteten Zeitersparnis steht dem Hauptbevollmächtigten nicht das Recht zu, mit dem Flugzeug anzureisen. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle2 stellt das Interesse des Prozessbevollmächtigten, die Zeit seiner Abwesenheit von der Kanzlei möglichst gering zu halten, keinen berücksichtigungsfähigen Umstand bei der Wahl des Reisemittels dar. Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs3. Auch dieser billigt eine Erstattung von Flugkosten nur dann zu, wenn es sich um eine Auslandsreise handelt oder die Mehrkosten einer Flugreise nicht außer Verhältnis zu den Kosten der Benutzung der Bahn stehen.
Im vorliegenden Fall eines Termins vor dem Landgericht Hannover sind auch keine fiktiven Taxikosten in Ansatz zu bringen. Gerichtsbekannt liegt das Landgericht Hannover in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Ferner befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof auch mehrere Hotels. Taxikosten fallen daher nicht an.
Die Klägerin konnte vorliegend auch – insofern anders als im vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 10.07.20124 entschiedenen Fall – nicht davon ausgehen, dass es zu mehr als zwei Terminen kommen würde, so dass aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht mit höheren Reisekosten zu kalkulieren war. Das Landgericht hatte zunächst einen frühen ersten Termin bestimmt, in dem eine Entscheidung möglicherweise nicht zu erwarten war. Beide Parteien hatten indes bis zu diesem Termin lediglich Sachverständigenbeweis angeboten. Es war also auch aus ex-ante-Perspektive vorauszusehen, dass dann, wenn es in dem frühen ersten Termin zu keiner Einigung oder im Anschluss daran zu einer Entscheidung kommen würde, allenfalls ein weiterer Termin nach etwaiger Einholung eines Sachverständigengutachtens anberaumt werden würde.
Da die Kosten der Unterbevollmächtigung vorliegend zu erwartenden fiktiven Reisekosten etwa 29 % übersteigen, sind sie nicht mehr erstattungsfähig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs5 kommt eine Erstattung nur in Betracht, wenn die Kosten der Unterbevollmächtigung die zu erwartenden Reisekosten allenfalls um 10 % übersteigen.
Erstattungsfähig sind indes die fiktiven Reisekosten zu 100 %. Die Klägerin reklamiert zu Unrecht, ihr sei auch noch die Überschreitungstoleranz von 10 % zuzubilligen. Diese Ansicht lässt Sinn und Zweck der Überschreitungstoleranz außer Acht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte tun. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen6.
Gegen diese Obliegenheit hat die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigter indes verstoßen. Es wurde ein Unterbevollmächtigter beauftragt, obwohl aus der maßgeblichen ex-ante-Perspektive erkennbar war, dass die Kosten eines Unterbevollmächtigten die zu erwartenden Reisekosten des Hauptbevollmächtigten wesentlich übersteigen würden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der bereits zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Erstattung von Kosten eines Unterbevollmächtigten5, in der der Bundesgerichtshof die Überschreitungstoleranz entwickelt hat.
Der Bundesgerichtshof hat zwar in dieser Entscheidung ausgeführt, eine Partei könne Ersatz der Kosten für den beauftragten Unterbevollmächtigten „insoweit“ beanspruchen, als diese Kosten die ersparten Reisekosten nicht wesentlich übersteigen. Diese Wesentlichkeitsgrenze hat der BGH auf 10 % bemessen.
Wie sich aus den weiteren Ausführungen ergibt, soll diese Überschreitungstoleranz indes nur der Tatsache Rechnung tragen, dass die zu veranschlagenden Reisekosten von der Partei und ihrem Hauptbevollmächtigten bei der Entscheidung darüber, ob ein Unterbevollmächtigter mit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beauftragt wird, etwa im Hinblick auf Fahrt- und Terminsdauer, nicht sicher vorausgesehen werden können. Dem Gegner wird im gewissen Umfang das Prognoserisiko der unterbevollmächtigenden Partei auferlegt. Dann (und nur dann), wenn die Kosten der Unterbevollmächtigung unter 110 % der zu erwartenden Reisekosten liegen, muss der Gegner die Entscheidung, einen Unterbevollmächtigten zu beauftragen, hinnehmen. Durch die Wahl des Wortes „insoweit“ soll also nicht eine Grenze vorgegeben werden, bis zu der die Kosten der Unterbevollmächtigung jedenfalls erstattungsfähig sind, sondern eine notwendige Bedingung dafür, dass überhaupt eine Erstattung dieser Kosten stattfindet.
Wenn aber nach der anzustellenden Prognose selbst unter Berücksichtigung gewisser Unsicherheiten die Kosten des Unterbevollmächtigten die zu erwartenden Reisekosten wesentlich übersteigen, steht fest, dass die Partei durch Beauftragung des Unterbevollmächtigten schon aus der maßgeblichen ex-ante-Perspektive gegen ihre Obliegenheit zur Kostenminimierung verstoßen hat. Sie durfte eine Unterbevollmächtigung von vornherein nicht als sachdienlich ansehen. Es besteht kein Anlass, in diesem Fall den Gegner an den dadurch zu Unrecht ausgelösten Kosten zu beteiligen und ihm höhere Kosten aufzuerlegen, als bei Wahrung der Obliegenheit zur Kostenminimierung an Reisekosten angefallen wären.
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 20. März 2014 – 2 W 57/14
- BGH, Beschluss vom 10.07.2012 – VIII ZB 106/11[↩]
- OLG Celle, Beschluss vom 30.10.2007 – 2 W 107/07[↩]
- BGH NJW-RR 2008, 654[↩]
- BGH NJW 2012, 2888[↩]
- BGH, Beschluss vom 16.10.2002 – VIII ZB 30/02[↩][↩]
- BGH, Beschluss vom 04.04.2006 – VI ZB 66/04[↩]
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