Überlässt der Verwalter einem Wohnungseigentümer Verwaltungsunterlagen zur Prüfung außerhalb seiner Geschäftsräume, kommt regelmäßig ein Leihvertrag zustande mit der Folge, dass der Verwalter die Herausgabe der Unterlagen im eigenen Namen verlangen kann.

Der Wohnungseigentümer hat einen gegen den Verwalter gerichteten Anspruch auf Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen; der Verwalter ist aber nicht verpflichtet, die Einsicht außerhalb seiner Geschäftsräume zu ermöglichen1. Entspricht er gleichwohl einer dahingehenden Bitte eines Wohnungseigentümers, kommt stillschweigend ein Leihvertrag zustande, weil der Verwalter regelmäßig nicht nur aus Gefälligkeit handelt.
Ob eine Partei mit Rechtsbindungswillen handelt, ist danach zu beurteilen, ob die andere Partei nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Maßgeblich ist insbesondere die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien2. Gemessen daran musste die Beklagte ohne Zweifel davon ausgehen, dass ihr die Unterlagen nur unter Vereinbarung einer vertraglichen Rückgabepflicht überlassen wurden.
Wie die Beklagte wusste, hatte die Klägerin als Verwalterin ihre Pflichten gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfüllen. Sie war aufgrund des Verwaltervertrags nicht nur zur Aufbewahrung der Unterlagen für fünf Jahre verpflichtet, sondern musste neben der Erstellung von Abrechnungen auch die Einsichtnahme ermöglichen können. Kam sie diesen Pflichten nicht nach, war nicht nur mit einer Kündigung des Verwaltervertrags, sondern auch mit Schadensersatzansprüchen zu rechnen.
Der Verwalter kann auch nicht – wie die Revisionserwiderung meint – darauf verwiesen werden, im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft zu klagen. Dazu bedürfte er nämlich gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG einer Ermächtigung. Die Wohnungseigentümer haben aber kein vernünftiges Interesse daran, das entstehende Prozesskostenrisiko zu übernehmen, weil es aus ihrer Sicht Sache des Verwalters ist, das Einsichtsrecht einschließlich der Rückerlangung der von ihm selbst herausgegebenen Unterlagen abzuwickeln. Ebenso wenig kann der Verwalter auf eine gewillkürte Prozessstandschaft verwiesen werden. Abgesehen davon, dass das erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse nur noch in engen Grenzen in Betracht kommt3, bedürfte es auch insoweit einer Ermächtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Insgesamt gesehen liefe eine Übergabe ohne vertragliche Bindung damit einer praktikablen Abwicklung des Einsichtsrechts zuwider und wäre in hohem Maße unbefriedigend. Aus diesem Grund entspricht sie im Regelfall nicht dem Parteiwillen. Weil es sich bei der Annahme eines Leihvertrags um eine rechtliche Würdigung handelt, bedurfte es nicht entsprechenden Vortrags der Parteien.
Ist ein Leihvertrag zustande gekommen, kann der Entleiher dem Rückgabeverlangen nicht entgegenhalten, dass Eigentümer der Sache ein Dritter ist4.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Juli 2011 – V ZR 21/11
- BGH, Urteil vom 11.02.2011 – V ZR 66/10, NJW 2011, 1137 Rn. 8 f.[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 18.12.2008 – IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141 Rn. 7 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 28.01.2011 – V ZR 145/10, NJW 2011, 1361 Rn. 8 ff., vorgesehen zum Abdruck in BGHZ[↩]
- Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Aufl., § 604 Rn. 3[↩]