Der Rechtsprechungsgrundsatz des EuGH, dass es für die Rechtzeitigkeit der Leistung auf die Gutschrift auf dem Empfängerkonto ankommt, gilt auch im Rechtsverkehr zwischen Privaten und für den Rechtsverfolgungssachaden.Eine über § 675t BGB hinausgehende Verzögerung bei der Gutschrift geht zu Lasten des Gläugigers.

Die im vorliegenden Fall durch Banküberweisung zulässige Leistung an den Gläubiger1 erfolgte nach Ablauf des zur spätesten Darlehnsrückzahlung vorgesehenen Datums und damit nach dem für sie kalendarisch bestimmten Termin. Verzug im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB trat daher ohne Mahnung ein (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Es kann (an dieser Stelle noch) dahingestellt bleiben, ob die Geldschuld des Beklagten als „qualifizierte Schickschuld“, so die bis ins Jahr 2008 herrschende Meinung2, oder jedenfalls nach dem Urteil des EuGH vom 03.04.20083 als (modifizierte) Bringschuld anzusehen ist4. Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 11.05.2011 – 2 U 1000/10, NJOZ 2012, 481)). Denn der Beklagte leistete nach beiden Ansichten nicht rechtzeitig.
Ausgehend von einer qualifizierten Schickschuld wäre die Leistung rechtzeitig, wenn der Überweisungsauftrag vor Fristablauf beim Geldinstitut eingegangen wäre, das Konto des Schuldners die erforderliche Deckung aufgewiesen hätte und der Überweisungsvertrag durch Annahme seitens der Bank rechtzeitig abgeschlossen worden wäre5. Zwar ging der am 31.12.2012 online erteilte Überweisungsauftrag rechtzeitig bei der Bank des Beklagten ein, und ein ausreichendes Bankguthaben stand bereit. Der Überweisungsvertrag konnte von der Bank aber nicht rechtzeitig angenommen werden, weil der 31.12.2012 ein Bankfeiertag war, an dem Kreditinstitute keine Bankgeschäfte abwickeln.
Ausgehend von einer (modifizierten) Bringschuld ist die Leistung erst erfolgt, wenn der Gläubiger das Geld erlangt hat. Auch dieser Zeitpunkt lag nach dem 31.12.2012.
Die Überschreitung der Zahlungsfrist war schuldhaft im Sinne des § 286 Abs. 4 BGB. Der Beklagte hat sich nicht entlastet6. Er hätte wissen können und müssen, dass seine Bank seinen Überweisungsauftrag nicht mehr am 31.12.2012 bearbeiten würde, weil es ein Bankfeiertag war. Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH ist zwar sogar im Geschäftsverkehr in einer gewissen Übergangszeit ein schuldausschließender Rechtsirrtum angenommen worden, wenn die Schuldner nach wie vor von einer qualifizierten Schickschuld ausgegangen waren7. Mittlerweile entlastet ein solcher Irrtum aber nicht mehr; vorliegend ohnehin nicht, weil auch nach alter Rechtslage nicht rechtzeitig geleistet wurde.
Anders als für Verzinsungspflicht nach § 288 Abs. 1 BGB, die für die Dauer des Verzuges besteht, kommt es für den Verzugsschadensersatzanspruch für Rechtsverfolgungskosten nach §§ 286, 280, 249 BGB erst einmal nicht darauf an, dass der Verzug im Zeitpunkt der Schadensentstehung noch nicht beendet ist. § 280 Abs. 2 BGB verweist für den Verzögerungsschaden auf die Voraussetzungen des § 286 BGB, der nur den Beginn des Verzugs regelt. Für die Ersatzfähigkeit ist vielmehr maßgeblich, ob der Schaden durch den als Pflichtverletzung anzusehenden Verzug adäquat verursacht wurde (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) und der Verzugsgläubiger die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts für erforderlich und zweckmäßig halten durfte8. Abzustellen ist daher auf die Sicht des Ersatzberechtigten9.
Bei rechtzeitiger Zahlung hätte der Kläger seinen Anwalt nicht mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung beauftragt, so dass der hieraus resultierende Vermögensschaden aus dem – unstreitig – gezahlten Anwaltshonorar adäquat kausal auf den Verzug zurückzuführen ist.
Der Kläger durfte diese Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe auch für erforderlich und zweckmäßig halten.
Dies wäre nicht der Fall gewesen, wenn der Beklagte nur die rechtzeitige Absendung des Geldes vor Fristablauf am Leistungsort geschuldet hätte (§ 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4 BGB). Dann hätte der Kläger nämlich damit rechnen können und müssen, dass das Geld erst am 02.01.2013 bei seiner Bank eingeht. Nach § 676g BGB aF war der Überweisungsbetrag binnen eines Bankgeschäftstages nach dem Tag der Gutschrift auf einem Konto der Empfängerbank dem Konto des Empfängers, sprich des Klägers, gutzuschreiben. Hieran hat sich durch die Schaffung des § 675t BGB in der Sache nichts geändert10. Der Kläger hätte demnach auch davon ausgehen müssen, dass das am 02.01.2013 bei seiner Bank eingegangene Geld noch nicht am selben Tag seinem Konto – für ihn sichtbar – gutgeschrieben wird und hätte demnach am 02.01.2013 noch keine Maßnahmen ergreifen dürfen.
Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union11 ist klargestellt, dass im Geschäftsverkehr und für die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen davon auszugehen ist, dass der Schuldner einer Geldschuld erst geleistet hat, wenn der Gläubiger das Geld „erlangt“, wie Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.06.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr12 formuliert. Dies wiederum tritt erst ein, wenn der Gläubiger über das Geld verfügen kann, wofür die Gutschrift auf seinem Konto maßgeblich sein soll13. Demnach kommt es erstens nicht auf die Absendung des Geldes an, zweitens nicht auf den Eingang des Geldes bei der Empfängerbank, drittens nicht auf den mit dem Eingang bei der Empfängerbank taggleichen (§ 675 Abs. 1 Satz 2 BGB) Wertstellungszeitpunkt14, sondern erst auf die Gutschrift. Die Verantwortung des Schuldners für von ihm nicht beeinflussbare ungewöhnliche Verzögerungen soll über das verzugsimmanente Verschuldenserfordernis begrenzt werden15. Nach dieser Rechtsprechung ist der Akt, mit dem der Zeitpunkt des Eingangs der Zahlung auf dem Gläubigerkonto dokumentiert wird, somit die Buchung der Gutschrift selbst, entscheidend.
Auf den vorliegenden Fall eines Darlehens zwischen Privatleuten und eines Anspruch auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten ist diese Rechtsprechung weder nach ihrer personellen Reichweite noch nach ihrer sachlichen direkt anzuwenden.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob § 270 Abs. 4 BGB aufgrund der EuGH-Rechtsprechung richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass für die Rechtzeitigkeit der Leistung generell, also auch außerhalb des Anwendungsbereichs der genannten Richtlinie 2000/35/EG, nicht mehr auf die Erbringung der Leistungshandlung, sondern auf den Erhalt der Leistung abzustellen ist, offen gelassen16.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe bejaht dies. Die Richtlinie 2000/35 spricht nicht dagegen. Zwar sollen nach ihrem Erwägungsgrund 13 nur Handelsgeschäfte erfasst sein. Nach Erwägungsgrund 7 stellt aber der Zahlungsverzug gerade für kleine und mittlere Unternehmen eine Insolvenzgefahr dar, die in gleicher Weise gegeben ist, wenn ein Verbraucher Schuldner etwa einer großen Bauforderung ist und diese vorerst nicht bezahlt. Der EuGH sieht das Ziel der Richtlinie dann auch allgemein im Schutz des Inhabers einer Geldforderung17. Auf der Ebene des nationalen Rechts sprechen die Erfordernisse der Rechtssicherheit und -klarheit sowie das Bedürfnis nach einer stimmigen Systematik der BGB-Vorschriften für eine einheitliche Auslegung18. In personeller Hinsicht ist eine Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern in der Sache nicht geboten. Der gegebenenfalls nicht so geschäftsgewandte Verbraucher kann sich in seinem Zahlverhalten in gleicher Weise an der neuen Rechtslage orientieren wie ein Unternehmer und erscheint nicht schutzwürdiger. Der verspätet an einen Verbraucher zahlende Unternehmer ist sowieso nicht schutzwürdig und würde begünstigt. Abgrenzungsprobleme zwischen dem Unternehmer- und dem Verbraucherbegriff werden in ihrer praktischen Bedeutung nicht ausgeweitet, einer weiteren sachlich nicht gebotenen Ausdifferenzierung und damit Komplizierung des Rechts entgegengewirkt. Hinsichtlich der sachlichen Reichweite ist eine Differenzierung zwischen dem Verzugszins und dem sonstigen Verzugsschaden nicht gerechtfertigt. Der in der Zinspflicht zum Ausdruck gebrachte Nutzungsentgang und der Schaden aus der notwendig werdenden Beitreibung der nicht rechtzeitig bezahlten Schuld sind in gleicher Weise Folgen der Verspätung der Leistung.
Ausgehend hiervon durfte der Kläger, als er am 02.01.2013 auf seinem Konto keine Gutschrift feststellen konnte, weil eine Buchung noch nicht erfolgt war, davon ausgehen, dass der Beklagte nicht rechtzeitig leistete und in Verzug war. Er durfte also Maßnahmen ergreifen, um seinen Rückzahlungsanspruch zu sichern.
Hiervon zu trennen ist die – im Ergebnis zu verneinde – Frage, ob er sich sogleich anwaltlicher Hilfe (mit den damit verbundenen Kosten) bedienen durfte oder selbst noch einmal tätig werden musste. Der Kläger meint, hierzu sei er schon deshalb nicht verpflichtet gewesen, weil der Beklagte in seinen E-Mails die Zahlung angekündigt und somit eine Selbstmahnung ausgesprochen habe. Eine Selbstmahnung ist in erster Linie im Rahmen der Entbehrlichkeit einer Mahnung zur Verzugsbegründung nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB relevant19, nicht aber für die Frage, ob die Einschaltung eines Anwalts für erforderlich gehalten werden darf, um ein Recht durchzusetzen. In diesem Zusammenhang ist die Ankündigung ambivalent, sie kann ebenso gut darauf hindeuten, dass die Leistung tatsächlich unmittelbar bevorsteht und sich nur, wie hier durch die Feiertage, geringfügig verspätet. Diese Ankündigung der Zahlung der dem Grunde und der Höhe nach anerkannten Forderung hätte jedenfalls dann gegen die Notwendigkeit der sofortigen Einschaltung eines Anwalts gesprochen, wenn an der Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit des Beklagten keine Zweifel bestanden hätten20. Solche Zweifel waren aber gegeben. Unabhängig von dem im Vertrag nicht ausdrücklich geregelten Fälligkeitszeitpunkt für die Darlehenszinsen am Jahresanfang oder -ende zahlte der Beklagte sie erst jeweils zwischen Mitte Februar und Ende März des Folgejahres. Ein weiteres Darlehen über EUR 30.000 wurde mehrfach zum Teil stillschweigend verlängert. Zudem trug der Beklagte vor, der Kläger habe sich im Oktober 2012 bei der Beklagtenbank nach der Liquidität des Beklagten erkundigt und so eine notwendige Umschuldung maßgeblich gestört. Eine Solvenz des Beklagten musste daher nicht als gegeben angesehen werden. Das persönliche Verhältnis der Parteien war, nach dem Ton des E-Mail-Verkehrs im Dezember 2012 zu urteilen, nicht unbedingt harmonisch. Das Oberlandesgericht geht daher davon aus, dass der Kläger auch angesichts der erheblichen Höhe der Forderung die Beauftragung eines Anwalts mit der außergerichtlichen Rechtswahrnehmung – juristisch gesehen – für erforderlich halten durfte, selbst wenn er von seiner Person her geschäftlich gewandt genug war, die Rückzahlung selbst noch einmal einzufordern21.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 9. April 2014 – 7 U 177/13
- vgl. BGH, Urteil vom 09.11.1978 – VII ZR 17/76, BGHZ 72, 316, 319[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.10.1965 – II ZR 120/63, BGHZ 44, 178; Staudinger, DNotZ 2009, 196 Fn 13; Palandt/Grüneberg, aaO § 270 Rn 5 jmzwN[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.04.2008 – C-306/06, NJW 2008, 1935, Rdnr. 23, 28 – 01051TelecomGmbH/Deutsche Telekom AG[↩]
- OLG Köln, Urteil vom 21.04.2009 – 18 U 78/05, juris mzwN[↩]
- OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.03.2003 – 20 (16) WF 44/02, NJW 2003, 2922[↩]
- zur Beweislast: BGH, Urteil vom 10.02.2011 – VII ZR 53/10, NJW 2011, 2120[↩]
- OLG Köln, Urteil vom 21.04.2009 – 18 U 78/05; ThürOLG, Urteil vom 11.05.2011 – 2 U 1000/10, NJOZ 2012, 481[↩]
- BGH, Urteil vom 10.01.2006 – VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 mwN[↩]
- BGH aaO[↩]
- BT Drs 16/11643 S. 112[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.04.2008 – C-306/06, NJW 2008, 1935, Rdnr. 23, 28 – 01051Telecom GmbH/Deutsche Telekom AG[↩]
- ABl. EG Nr. L 200 S. 35; bzw. Art. 3 Abs. 1 der neugefassten RL 2011/7/EU[↩]
- EuGH aaO Rn 23, 26, 28[↩]
- so aber ThürOLG, Urteil vom 11.05.2011 – 2 U 1000/10, NJOZ 2012, 481[↩]
- EuGH aaO Rn 30[↩]
- BGH, Urteil vom 13.07.2010 – VIII ZR 129/09, MDR 2010, 1040[↩]
- EuGH aaO Rn 26[↩]
- Palandt/Gründeberg, BGB, 73.Aufl. § 270 Rn 5f mzwLitNachw.; Kerwer in: jurisPK-BGB, 6. Aufl.2012, § 270 BGB Rn 10, 11; ThürOLG, Urteil vom 11.05.2011 – 2 U 1000/10, aaO; Staudinger, DNotZ 2009, 196, 204[↩]
- BGH, Urteil vom 16.01.2008 – V ZR 222/06, NJW 2008, 1216[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn 181[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348[↩]
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