Für die Folgen eines Verkehrsunfalls hat der Linksabbieger, der die ihn gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO gegenüber dem Gegenverkehr treffende Wartepflicht missachtet hat, regelmäßig in vollem Umfang allein oder doch zumindest zum größten Teil zu haften.

Biegt ein Verkehrsteilnehmer an der Kreuzung nach links ab, obwohl ihm erkennbar ein Pkw entgegenkommt, verstößt er hiermit gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO. Nach dieser Vorschrift muss, wer links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Den Linksabbieger trifft mithin eine Wartepflicht. Deren Nichtbeachtung stellt nach ständiger Rechtsprechung einen besonders schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Genügt ein Verkehrsteilnehmer dieser Wartepflicht nicht und kommt es deshalb zu einem Unfall, hat er in der Regel, wenn keine Besonderheiten vorliegen, in vollem Umfang oder doch zumindest zum größten Teil für die Unfallfolgen zu haften [1].
Der Linksabbieger muss den Vorrang des Gegenverkehrs grundsätzlich auch dann beachten, wenn dieser bei Gelb oder bei frühem Rot einfährt [2]. Selbst eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung des geradeaus Fahrenden hebt dessen Vorrecht nicht auf [3].
In Fallgestaltungen dieser Art wird allerdings je nach Gewichtung der beiderseitigen Verursachungsanteile unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände regelmäßig eine Mithaftung beider Unfallbeteiligter anzunehmen sein. Eine überwiegende Haftung des geradeaus Fahrenden als auch eine Haftungsquote von 50 % ist nur ausnahmsweise in besonders gelagerten Einzelfällen gerechtfertigt [4].
Eine Haftungsteilung je zur Hälfte ist in der Rechtsprechung teilweise bei einer Kollision zwischen dem wartepflichtigen Linksabbieger und einem entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer auf einer mit einer Lichtzeichenanlage geregelten Kreuzung etwa dann angenommen worden, wenn der entgegenkommende Unfallgegner in später Gelbphase oder beginnender Rotphase an anderen, auf einem parallelen Fahrstreifen bereits haltenden Fahrzeugen vorbei in den Kreuzungsbereich eingefahren ist [5]. Um eine solche oder eine ähnlich zu bewertende Fallgestaltung handelt es sich vorliegend jedoch nicht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Februar 2012 – VI ZR 133/11
- vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2005 – VI ZR 352/03, VersR 2005, 702 mwN[↩]
- Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl.2007, Stand: 10.01.2010, § 14 Rn. 125[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.02.1984 – VI ZR 229/82, VersR 1984, 440; OLG Hamm, NZV 2001, 520[↩]
- vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 12. Aufl. Rn. 222 und Vorbemerkung vor Rn. 221[↩]
- vgl. OLG Düsseldorf [Urteil vom 16.10.1975 – 12 U 156/74] r+s 1976, 205; KG, VerkMitt 1984, 36 f.; OLG Hamm, VersR 90, 99[↩]