Untätigkeitsbeschwerde

Jedenfalls seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 20111 am 3. Dezember 2011 mit Wirkung für alle zu dieser Zeit bereits anhängigen Verfahren ist die nach früherer Rechtslage von einzelnen Gerichten und Teilen der Literatur befürwortete Untätigkeitsbeschwerde2 nicht mehr statthaft.

Untätigkeitsbeschwerde

Durch die gesetzliche Neufassung sollten die Anforderungen des Art. 13 EMRK erfüllt werden, der verlangt, dass einem Betroffenen ein Rechtsbehelf bei einer innerstaatlichen Instanz zusteht, mit dem er rügen kann, die aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung, über eine Streitigkeit innerhalb angemessener Frist zu entscheiden, sei verletzt3. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte muss ein innerstaatlicher Rechtsbehelf bei überlanger Verfahrensdauer wirksam sein. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsbehelf geeignet ist, entweder die befassten Gerichte zu einer schnelleren Entscheidungsfindung zu veranlassen (präventive Wirkung) oder dem Rechtsuchenden für die bereits entstandenen Verzögerungen eine angemessene Entschädigung zu gewähren (kompensatorische Wirkung4).

Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit § 198 Abs. 1 GVG bewusst für die Kompensationslösung entschieden5. Der Gedanke der Prävention wurde nur insoweit aufgegriffen, als der Entschädigungsanspruch eine Verzögerungsrüge beim Ausgangsgericht (§ 198 Abs. 3 GVG) voraussetzt6. Im Gesetzesentwurf ist ausgeführt: „Da Gerichte auf entsprechende Rügen mit Abhilfe reagieren können und in begründeten Fällen auch regelmäßig abhelfen werden, hat die Regelung eine konkretpräventive Beschleunigungswirkung. Eine Beschwerdemöglichkeit für den Fall der Nichtabhilfe ist nicht vorgesehen, um die Belastungen für die Praxis begrenzt zu halten“5. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber gegen die Untätigkeit des Gerichts keine Rechtsmittelmöglichkeit zu einer höheren Instanz vorsehen wollte. Einer außerordentlichen Beschwerde ist damit der Boden entzogen7.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. November 2012 – VIII ZB 49/12

  1. BGBl. I S. 2302[]
  2. vgl. hierzu Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 567 Rn. 21[]
  3. vgl. BT-Drucks. 17/3802, S. 15; EGMR, NJW 2001, 2694 Rn. 156[]
  4. vgl. EGMR, NJW 2006, 2389 Rn. 99[]
  5. BT-Drucks. 17/3802, aaO[][]
  6. BT-Drucks. 17/3802, S. 16[]
  7. OLG Düsseldorf, NJW 2012, 1455 f.; OLG Brandenburg, MDR 2012, 305; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 567 Rn. 21b; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl., § 567 Rn. 10[]

Bildnachweis: