Unterbrechung eines Zivilprozesses im Insolvenzeröffnungsverfahren

Die Einsetzung eines vorläufigen Sachwalters im Insolvenzeröffnungsverfahren nach § 270a InsO und die Ermächtigung der Geschäftsführung der Schuldnerin, unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie im Rahmen der gesetzlichen Grenzen zu verfügen, führt noch nicht zur Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO.

Unterbrechung eines Zivilprozesses im Insolvenzeröffnungsverfahren

Nach dieser Vorschrift wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Eine solche Verfahrensunterbrechung tritt auch dann ein, wenn das Insolvenzgericht keinen Insolvenzverwalter bestellt, sondern die Eigenverwaltung durch den Schuldner anordnet1. Dies ergibt sich, wie der Bundesgerichtshof in der angegebenen Entscheidung erläutert hat, bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen einer solchen Unterbrechung nicht. Denn auch der Insolvenzschuldner als Eigenverwalter bedarf einer Überlegungsfrist, wie er sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem die Insolvenzmasse betreffenden Rechtsstreit verhalten soll. Denn er darf sein bisheriges Prozessverhalten nicht ohne weiteres beibehalten2.

Solange das Insolvenzverfahren nicht eröffnet ist, scheidet eine Unterbrechung nach der zitierten Vorschrift aus. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens wird das Erkenntnisverfahren3 nach § 240 S. 2 ZPO nur dann unterbrochen, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist. Weder in der Praxis noch von der Konzeption des Gesetzes ist der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter der Regelfall (vgl. §§ 21 f InsO). Eine Unterbrechung des Erkenntnisverfahrens im Insolvenzeröffnungsverfahren tritt also lediglich unter bestimmten; vom Gesetz im einzelnen beschriebenen Voraussetzungen ein. Ordnet das Insolvenzgericht lediglich einen Zustimmungsvorbehalt an, tritt eine Unterbrechung nicht ein4. Vorliegend ist eine Unterbrechung des Verfahrens in unmittelbarer Anwendung von § 240 S. 2 ZPO nicht eingetreten, da ein vorläufiger Insolvenzverwalter nicht bestellt worden ist.

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Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine analoge Anwendbarkeit der Vorschrift nicht gegeben, ohne dass entschieden werden müsste, ob einer entsprechenden Anwendung nicht schon entscheidend entgegensteht, dass im Falle der vorläufigen Eigenverwaltung ein Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf ein anderes Rechtssubjekt gar nicht stattfindet und deshalb in diesem frühen Verfahrensstadium eine Unterbrechung des Prozesses prinzipiell nicht eintreten kann.

Die Regelung des § 240 S.2 ZPO beruht auf dem zunächst formalen Umstand, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, die der Schuldner spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 80 InsO verliert, unter den genannten Voraussetzungen bereits zuvor auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Dieser Wechsel bedarf der verfahrensrechtlichen Absicherung, damit sowohl der Insolvenzverwalter wie auch die Parteien Gelegenheit erhalten, sich auf die durch die Insolvenz veränderte rechtliche und wirtschaftliche Lage einzustellen5. Der Vorgriff auf die Wirkungen eines eröffneten Insolvenzverfahrens findet somit seine Rechtfertigung in der nunmehr maßgeblichen Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Ausdruck dieser Rechtsstellung des so genannten starken vorläufigen Insolvenzverwalters ist regelmäßig die umfassende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, aber auch die Ermächtigung, bereits jetzt Masseverbindlichkeiten zu begründen (§ 55 Abs. 2 InsO) und damit erst die notwendigen Voraussetzungen für die gewünschte Reorganisation und Fortführung des schuldnerischen Betriebs zu schaffen. Nach zutreffender und ganz herrschender Auffassung ist ein Schuldner im Insolvenzeröffnungsverfahren nach § 270a InsO nicht kraft Gesetzes befugt, Masseschulden zu begründen6, Nur im Falle eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO, welches hier aber gar nicht eingeleitet ist, soll der Schuldner „quasi in die Rechtsstellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters einrücken“ können7. Ein Schuldner, der bei noch nicht eröffneter Eigenverwaltung im Verfahren nach § 270a InsO unter Aufsicht eines vorläufigen Eigenverwalters steht, der wiederum nicht einmal selbst ohne ausdrückliche Genehmigung im Einzelfall durch das Insolvenzgericht Masseverbindlichkeiten begründen darf, kann einem solchen starken vorläufigen Insolvenzverwalter nicht gleichstehend erachtet werden.

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Vorliegend haben Schuldnerin und vorläufiger Sachwalter auch nicht als Gesamtheit gesehen die Befugnisse, die die Rechtsstellung eines so genannten starken vorläufigen Insolvenzverwalters kennzeichnen. Selbst eine Gesamtbetrachtung rechtfertigt es hier nicht, das Erkenntnisverfahren als nach § 240 S.2 ZPO unterbrochen anzusehen.

Landgericht Freiburg, Urteil vom 9. Mai 2014 – 12 O 62/13

  1. BGH NJW-RR 2007, 629[]
  2. BGH aaO[]
  3. vgl. dazu BGHZ 172, 16[]
  4. vgl. BGH NJW 1999, 2822; NJW-RR 2013, 1431[]
  5. BGH NJW-RR 2013, 1461[]
  6. vgl. i.e. Pape ZInsO 2013, 2129, 2134 f[]
  7. vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 26.10.2011 – BT-Drs. 17/7511 S. 37[]