Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung – für ein Mandantengespräch?

Die Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung für ein Mandantengespräch zwischen den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümer und ihrem Prozessbevollmächtigten entspricht nur bei Vorliegen besonderer Umstände ordnungsmäßiger Durchführung der Versammlung.

Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung – für ein Mandantengespräch?

Die während der Dauer der Unterbrechung der Wohnungseigentümerversammlung geführte Unterredung der Wohnungseigentümer mit ihrem Prozessbevollmächtigten ist nicht als Teil der Eigentümerversammlung zu qualifizieren. Durch den Ausschluss dreier, nicht von diesem Rechtsanwalt vertretenen, Wohnungseigentümer von diesem Gespräch sind diese daher nicht in ihrem Recht auf Teilnahme an der Wohnungseigentümerversammlung1 beschnitten worden.

Wird eine Eigentümerversammlung von dem Versammlungsleiter unterbrochen, sind die während der Unterbrechung geführten Unterredungen zwischen den Eigentümern untereinander oder mit einem externen Dritten nicht Bestandteil der Eigentümerversammlung. Ein Ausschluss einzelner Wohnungseigentümer von einem während der Unterbrechung geführten Gespräch einer Gruppe von Wohnungseigentümern stellt daher keinen Ausschluss von der Wohnungseigentümerversammlung dar. Unterredungen der Wohnungseigentümer während einer Unterbrechung sind auch dann nicht als Fortsetzung der Eigentümerversammlung zu qualifizieren, wenn kein sachlicher Grund für eine Unterbrechung bestand. Das Fehlen eines sachlichen Grundes für die Vornahme einer Unterbrechung kann dazu führen, dass die Entscheidung über die Unterbrechung ermessensfehlerhaft ist, ändert aber nichts daran, dass während der Unterbrechung gerade keine Eigentümerversammlung stattfindet. Ebenso wenig werden während der Unterbrechung geführte Gespräche der Wohnungseigentümer dadurch zu solchen der Eigentümerversammlung, dass sie einen sachlichen Bezug zu den Themen der Eigentümerversammlung aufweisen, was nicht selten bei einer Unterbrechung der Fall ist.

Weiterlesen:
Pfändungsschutz für den Pflichtteil?

Danach ist durch den Ausschluss des Wohnungseigentümers von dem Mandantengespräch dessen Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung nicht beschränkt worden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Versammlungsleiter die Eigentümerversammlung formal unterbrochen, bevor die Wohnungseigentümer – unter Abwesenheit des Versammlungsleiters – das Gespräch mit ihrem Rechtsanwalt aufnahmen. Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, es sei weder ersichtlich, dass das Gespräch auf einem Wunsch der Eigentümer beruht habe, noch erkennbar, weshalb inmitten der Diskussion über die Wiederbestellung der Verwalterin ein gesondertes Mandantengespräch erforderlich gewesen sei, betrifft dies die Frage, ob die Entscheidung über die Unterbrechung ermessensfehlerhaft war, führt aber nicht dazu, dass die während der Unterbrechung geführte Unterredung eines Teils der Wohnungseigentümer mit ihrem Prozessbevollmächtigten als Fortsetzung der Eigentümerversammlung zu bewerten ist.

Die Entscheidung des Versammlungsleiters über die Vornahme einer Unterbrechung war jedoch ermessensfehlerhaft.

Der Versammlungsleiter hat die Befugnis, die Eigentümerversammlung zu unterbrechen, wenn dies ordnungsmäßiger Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung entspricht2. Er entscheidet über die Vornahme einer – auf ein angemessenes zeitliches Maß beschränkten – Unterbrechung nach pflichtgemäßem Ermessen3.

Die Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung zu dem Zweck, den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümern ein Informationsgespräch mit ihrem Prozessbevollmächtigten zu ermöglichen, entspricht regelmäßig nicht einer ordnungsmäßigen Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung. Zwar liegt es im Interesse der Wohnungseigentümer, sich durch ihren Prozessbevollmächtigten über einen laufenden Anfechtungsprozess, dessen Ausgang, mögliche Konsequenzen und die weitere Vorgehensweise zu informieren und rechtlich beraten zu lassen. Eine sachgerechte Beratung hierzu erfordert es aber nicht, das Mandantengespräch auf den Zeitpunkt einer bereits laufenden Eigentümerversammlung zu legen. Vielmehr ist es den Wohnungseigentümern zumutbar, Informationsgespräche mit ihrem Prozessbevollmächtigten zeitlich so zu legen, dass die Eigentümerversammlung hiervon unberührt bleibt4. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände, etwa wenn ein Beratungsbedarf erst aufgrund der in der Eigentümerversammlung geführten Diskussion zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt entsteht, kann eine Unterbrechung zum Zwecke eines Mandantengespräches in Betracht kommen.

Weiterlesen:
Der Umlageschlüssel im Wohungseigentum - und seine Änderung

Besondere Umstände, die eine Unterbrechung der Eigentümerversammlung für ein Gespräch von Wohnungseigentümern mit ihrem Prozessbevollmächtigten sachlich geboten hätten, liegen hier nicht vor. Im vorliegenden Fall hat der Verwalter als Versammlungsleiter die Eigentümerversammlung unmittelbar nach Aufruf von TOP 4 und dem anschließenden Bericht über den Stand des gerichtlichen Verfahrens über die Anfechtung seiner Bestellung unterbrochen, damit der Prozessbevollmächtigte mit den von ihm vertretenen nicht anfechtenden- Wohnungseigentümern ein Mandantengespräch führen konnte. Eine Notwendigkeit für ein gesondertes Mandantengespräch inmitten der Eigentümerversammlung war nicht erkennbar. Das Versammlungsprotokoll enthält keinen Hinweis darauf, dass sich ein Gesprächsbedarf während einer Diskussion zu einem Tagesordnungspunkt ergeben hatte und deshalb aus den Reihen der Wohnungseigentümer der Wunsch nach einem Beratungsgespräch mit ihrem Rechtsanwalt geäußert worden war. Vielmehr hat der Geschäftsführer der Verwalterin ohne erkennbaren Anlass den Rechtsanwalt in den Versammlungsraum gebeten und sodann die Eigentümerversammlung zum Zwecke eines Mandantengespräches unterbrochen. Damit fehlte es nicht nur an dem erforderlichen sachlichen Grund für eine Unterbrechung; vielmehr war die Vorgehensweise des Versammlungsleiters auch geeignet, bei den ausgeschlossenen Wohnungseigentümern den Anschein zu erwecken, dass die Verwalterin einseitig die Interessen einer Eigentümergruppe wahrnimmt und damit gegen ihre Neutralitätspflicht verstößt.

Hinzukommt, dass der Versammlungsleiter die Unterbrechung, die sich nach den Angaben der Wohnungseigentümer auf eine Stunde erstreckt haben soll, nicht auf einen vorher bestimmten Zeitraum begrenzt hatte, sondern die von dem Mandantengespräch ausgeschlossenen Wohnungseigentümer über den Zeitpunkt der Fortsetzung der Wohnungseigentümerversammlung völlig im Ungewissen ließ. Eine Unterbrechung der Eigentümerversammlung ohne eine zumindest ungefähre vorhergehende Festlegung der Unterbrechungsdauer ist mit einer ordnungsmäßigen Versammlungsführung nicht vereinbar.

Weiterlesen:
Turnusmäßige Flächenzuweisung an einzelne Wohnungseigentümer

Ob die ermessensfehlerhafte Unterbrechung der Eigentümerversammlung hier die Anfechtbarkeit des im Anschluss an die Unterbrechung gefassten Beschlusses zur Folge hat, muss nicht geklärt werden, da die Wohnungseigentümer den Fehler nicht innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gerügt haben. Die Klage könnte nur Erfolg haben, wenn der Beschluss nach § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG nichtig ist5. Dies ist aber nicht der Fall, da auch eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung formaler Gestaltungsmöglichkeiten nicht ausreichen würde, um die Nichtigkeit eines Beschlusses zu begründen6.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Juli 2016 – V ZR 261/15

  1. vgl. dazu BGH, Urteil vom 10.12 2010 – V ZR 60/10, NJW 2011, 679 Rn. 8[]
  2. Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 24 Rn. 115; Staudinger/Bub, BGB [2005], § 24 WEG Rn. 103[]
  3. Schmidt, AnwZert MietR 6/2012 Anm.1[]
  4. vgl. Drasdo, NZM 2016, 174, 176; Dötsch, jurisPR-MietR 12/2016 Anm. 5[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2009 – V ZR 74/08, BGHZ 182, 307 Rn.19[]
  6. vgl. Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 138[]

Bildnachweis: