Ist ein Pferd bei einem Verkehrsunfall so schwer verletzt worden, dass es nicht mehr als Reitpferd genutzt werden kann, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz auf Erstattung der weiteren Unterhalts- und Unterstellkosten für das Pferd.

In einem jetzt vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall verlangt die Klägerin von den Beklagten nach einem Verkehrsunfall, der zur Verletzung ihres Pferdes „S… M…“ geführt hat, Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.929,93 EUR nebst Zinsen sowie die Feststellung, dass die Beklagten alle weiteren Unterhaltskosten ab April 2011 für dieses Pferd zu tragen haben. Nachdem das Landgericht1 der Klägerin lediglich einen Schadensersatz in Höhe von 1392,80 EUR zugesprochen hat aber die Erstattung der Unterhaltskosten verneinte, verfolgt sie ihr Ziel mit der Berufung weiter.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart kann die Klägerin über die mit dem landgerichtliche Urteil zugesprochenen 1.392,80 EUR hinaus wegen der unfallbedingt eingetreten Wertminderung des Pferdes „S… M…“ weitere 250,00 EUR von den Beklagten beanspruchen.
Da das verletzte Pferd der Klägerin jetzt nur noch einen Verkehrswert von 500,00 EUR hat, haben die Beklagten eine Wertminderung in Höhe von insgesamt 7.500,00 EUR auszugleichen. Hiervon sind die schon geleisteten Zahlungen in Höhe von 6.000,00 EUR in Abzug zu bringen, weshalb ein Restanspruch in Höhe von 1.500,00 EUR verbleibt.
Für die Bemessung des Schadensersatzanspruches der Klägerin ist maßgeblich, dass das Tier der Klägerin inzwischen weiter an Wert verloren hat und nur noch einen Verkehrswert von 500,00 EUR aufweist. Richtig ist zwar, dass im Grundsatz für die Frage der Wertminderung auf den Zeitpunkt unmittelbar nach dem Unfallereignis abzustellen ist. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass – was unstreitig ist – das streitgegenständliche Pferd unfallbedingt nicht mehr geritten werden kann und dass wegen der Unfallverletzungen keine Chance mehr besteht, dass das Pferd wieder reitbar werden wird, wie der Gutachter S… näher erläutert hat. Demzufolge beruht die weitere Wertminderung von 250,00 EUR ursächlich auf dem Unfallereignis vom 21.09.2008 und ist von den Beklagten zu tragen.
Es kommt hinzu, dass das Tier wegen seiner dauerhaften Unbrauchbarkeit als Reitpferd nur noch als Beistellpferd oder als Zuchtstute verwendet werden kann und dass für solche Zwecke ein Pferd wie das vorliegende (Geburtsdatum …1996, keine Nachkommen) nahezu unverkäuflich ist. Die entsprechende Behauptung der Klägerin deckt sich mit den Recherchen und Erkundigungen des Sachverständigen, wie sich ebenfalls aus dem schriftlichen Gutachten ergibt. Da die Klägerin auf die möglichen Verletzungsfolgen im Falle eines Verkaufes hinweisen muss, sind die Verkaufschancen eher gering. Für diese Situation ist die Klägerin nicht verantwortlich.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann nicht nur von einem verbleibenden Verkehrswert in Höhe von 400,00 EUR ausgegangen werden. Der gerichtliche Gutachter S…hat dazu ausgeführt, dass es einen ländlichen Pferdemarkt gebe, wo gerade solche Pferde wie dasjenige der Klägerin angeboten werden. Hier könne ein Preis oberhalb des Schlachtpreises erzielt werden. Bei der vorzunehmenden Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO ist es deshalb nicht zu beanstanden, dass das Landgericht mit dem Sachverständigen von einem Restwert von 500,00 EUR ausgegangen ist.
Die Unterhaltungs- und Unterstellkosten im Zeitraum zwischen Oktober 2009 und März 2011 in Höhe von 4.050,00 EUR (18 Monate zu je 225,00 EUR) haben die Beklagten nicht zu ersetzen.
Unter Zugrundelegung der im Schadensrecht nach einhelliger Meinung heranzuziehenden Differenzmethode2 fehlt es bereits an einem Schaden im Sinne von § 249 BGB. Denn die verlangten Kosten sind nicht unfallbedingt entstanden, vielmehr war die Klägerin bereits vor dem Unfallereignis mit diesen Kosten belastet. Es fehlt demzufolge an der notwendigen haftungsausfüllenden Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und Vermögensnachteil. Auch ohne Unfall wäre die Klägerin auf die gleiche Art und Weise mit den Unterstellkosten etc. belastet gewesen. Aus grundsätzlichen Erwägungen scheidet ein Ersatzanspruch der Klägerin deshalb insoweit von vornherein aus.
Weil für die Klägerin aus Tierschutzgesichtspunkten nicht in Betracht gekommen ist, das Tier schlachten oder einschläfern zu lassen, wie sie eingeräumt hat, beruht der Umstand, dass nachfolgend weitere Kosten angefallen sind, zudem auf einer eigenen, autonom getroffenen Willensentschließung der Klägerin. Bei dieser Sachlage können die geltend gemachten Unterhaltungs- und Unterstellkosten auch nicht ganz oder teilweise unter normativen Gesichtspunkten den Beklagten zugerechnet werden. Es mag zwar sein, dass die Klägerin verkaufsbereit war. Objektiv war das Pferd „S… M…“ aber weder als Reitpferd noch als Zuchtpferd mehr veräußerbar. Unstreitig ist es durch den Unfall dauerhaft unreitbar geworden. Gegen eine Verwertung als Zuchtstute sprechen ihr Alter von 12 Jahren sowie die Tatsache, dass die Stute noch kein Fohlen hatte. Die Möglichkeiten, das Pferd zu veräußern, sind deshalb sehr gering, wie bereits dargelegt worden ist. Auch der Sachverständige hat weder in den Fachzeitschriften noch im Internet Angebote vergleichbarer Pferde gefunden. Vor diesem Hintergrund beruhen die der Klägerin nach dem Unfall entstandenen Kosten maßgeblich darauf, dass sie sich dazu entschlossen hat, das Pferd auch im Falle der Unverkäuflichkeit zu behalten.
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ist ferner aber auch deswegen zu verneinen, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit in Fällen wie dem vorliegenden vermögensrechtlich gerade nicht auszugleichen ist. Regelmäßig stellt die Beeinträchtigung eines kommerzialisierten Lebensgutes gerade keinen Vermögensschaden dar3. Nur unter ganz engen Voraussetzungen sind Ausnahmen von diesem Grundsatz zu machen. Insbesondere dann, wenn ein Geschädigter unfallbedingt die Möglichkeit zur Nutzung eines privaten Fahrzeuges einbüßt, besteht eine Entschädigungspflicht4. Im vorliegenden Fall ergibt die vorzunehmende Abwägung, dass für ein Pferd, welches in der Freizeit zum Reitsport dient und für die Lebenshaltung nicht von zentraler kommerzieller Bedeutung ist, der Verlust der Nutzungsmöglichkeit entschädigungslos hingenommen werden muss.
Zu Recht hat das Landgericht die verlangten Schmiedekosten nicht zugesprochen. Auch hierbei handelt es sich um Kosten, die auch ohne den streitgegenständlichen Unfall entstanden wären. Auf die vorstehenden Erwägungen wird insoweit Bezug genommen.
Gleiches gilt für die Impfkosten, die in der Rechnung vom 09.11.2009 in Höhe von 30,00 EUR netto enthalten sind. Die Impfung des Tieres gegen Influenza und Tetanus wäre auch ohne den Unfall vom 21.09.2008 vorzunehmen gewesen. Etwas anderes wurde von der Klägerin nicht behauptet und ist auch nicht zweifelsfrei aus der vorgelegten Rechnung ersichtlich.
Nach alledem steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.642,80 EUR zu.
Der zulässige Feststellungsantrag erweist sich als unbegründet. Wie bereits ausgeführt worden ist, haben die Beklagten für die Unterhaltungs- und Unterstellkosten für das verletzte Pferd nicht aufzukommen. Dies gilt nicht nur für die Vergangenheit, sondern erst recht auch für die Zukunft.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 2. Dezember 2011 – 3 U 107/11
- LG Ravensburg, Urteil vom 13.05.2011 – 6 O 276/10[↩]
- vgl. BGH NJW-RR 2008, 786 und NJW 2009, 1870 in st. Rspr. sowie Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl. 2011, vor § 249 Rn. 10 m.w.N.[↩]
- BGH NJW 1983, 444: Wohnwagen; BGH NJW 1984, 724: Motorboot; BGH NJW 1983, 1107: vertaner Urlaub[↩]
- BGH NJW 2009, 1663; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 249 BGB Rn. 40[↩]