Für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB besteht auch dann keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG, sondern lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG, wenn Anspruchsgegner ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter (hier: der Nachbar) ist.

Die einzelnen Wohnungseigentümer sind daher befugt, den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB gegen den Nachbarn selbständig gerichtlich geltend zu machen.
Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass das Grundstück nicht im Eigentum des Verbandes, sondern im Miteigentum sämtlicher Wohnungseigentümer steht und daher bei Störungen des Miteigentums allein die Wohnungseigentümer Inhaber des Anspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB sind. Von der materiellen Inhaberschaft des Rechts (Aktivlegitimation) zu unterscheiden ist die – die Zulässigkeit der Klage betreffende – Frage, ob der einzelne Wohnungseigentümer die Befugnis besitzt, Ansprüche, die aus dem Miteigentum folgen, selbständig gerichtlich geltend zu machen. Besteht eine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG) oder hat der Verband die Ausübungsbefugnis durch einen entsprechenden Beschluss an sich gezogen (gekorene Ausübungsbefugnis, § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG), fehlt es an der Prozessführungsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers. Diese steht dann allein dem Verband zu1.
Dabei begründet der geltend gemachte Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB – anders als etwa für Schadensersatzansprüche – keine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG, sondern lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG. Dies gilt nicht nur, wenn sich die Ansprüche gegen einen anderen Wohnungseigentümer richten2, sondern auch dann, wenn Anspruchsgegner ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist3.
An dieser Rechtsprechung hält der Bundesgerichtshof fest. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen einen Dritten die Erforderlichkeit eines gemeinschaftlichen Vorgehens der Wohnungseigentümer und damit die Zuordnung zur geborenen Ausübungsbefugnis des Verbandes4 nicht deshalb zu bejahen, weil es unter den Wohnungseigentümern über die Art des Vorgehens gegen den Störer erhebliche Meinungsunterschiede geben kann5. Abgesehen davon, dass auch bei Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen, die sich gegen einen Wohnungseigentümer richten, Meinungsunterschiede hierüber bestehen können, kann etwaigen Differenzen dadurch begegnet werden, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Rechtsverfolgung des Anspruches aus § 1004 Abs. 1 BGB durch Beschluss an sich zieht; einzelne Wohnungseigentümer, die mit dem beschlossenen Vorgehen nicht einverstanden sind, können den Beschluss mit der Anfechtungsklage überprüfen lassen6. Auch das Argument, dass der Dritte der Gefahr einer Vielzahl von Einzelklagen der Wohnungseigentümer ausgesetzt wäre, ohne dass eine Rechtskrafterstreckung einträte7, vermag die Annahme einer geborenen Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft nicht zu begründen. Einer mehrfachen Inanspruchnahme kann der Dritte dadurch vorbeugen, dass er den anderen Wohnungseigentümern den Streit verkündet8.
Im vorliegenden Fall ergibt sich eine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes auch nicht daraus, dass das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs von dem Umfang der zu Lasten des Grundstücks der Wohnungseigentümer eingetragenen Grunddienstbarkeiten abhängt. Durch ein Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren bleibt der Inhalt und rechtliche Bestand der Grunddienstbarkeiten unberührt, so dass eine gebündelte Rechtsdurchsetzung durch die Gemeinschaft nicht erforderlich ist.
Da keine geborene Ausübungsbefugnis besteht und die Gemeinschaft die Rechtsausübung auch nicht gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen hat, sind die einzelnen Wohnungseigentümer prozessführungsbefugt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Oktober 2017 – V ZR 45/17
- vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 169/14, NJW 2016, 53 Rn. 6; Urteil vom 05.12 2014 – V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn. 6 und 13 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2014 – V ZR 25/13, NJW 2014, 1090, Rn. 6; Urteil vom 04.07.2014 – V ZR 183/13, NJW 2014, 2861, Rn. 22; Urteil vom 05.12 2014 – V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn. 6 f.; Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 169/14, NJW 2016, 53 Rn. 5; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.12 2010 – V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rn. 10; Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 194/14, NJW 2015, 2968 Rn. 14; Urteil vom 22.01.2016 – V ZR 116/15, ZMR 2016, 382 Rn. 17; aA Jacoby, ZWE 2012, 70, 74; Riecke/Schmid/Lehmann-Richter, WEG, 4. Aufl., § 10 Rn. 325[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.12 2010 – V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rn. 9[↩]
- vgl. Wenzel, NZM 2008, 74, 75[↩]
- BGH, Urteil vom 05.12 2014 – V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn. 18[↩]
- Jacoby, ZWE 2012, 70, 74; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 28.06.1985 – V ZR 43/84, NJW 1985, 2825[↩]
- Bruns, NJW 2011, 337, 341; Abramenko, ZMR 2007, 841, 842[↩]