Veranlassung zur Klage

Die beklagte Partei kann allein schon dadurch zur Erhebung der Klage Veranlassung geben, dass sie sich auf eine Leistungsaufforderung der klagenden Partei vorprozessual mit der Bitte einlässt, sie nicht zu belästigen, auch wenn die klagende Partei in ihrer Leistungsaufforderung den Anspruch nicht näher darlegt oder belegt und die beklagte Partei im Vorfeld des Prozesses über das Vorliegen der die Klage begründenden Umstände im Unklaren oder darüber im Irrtum war.

Veranlassung zur Klage

In dem hier vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall ist der Beklagte vorprozessual mehrfach zur auch schon seinerzeit durchsetzbaren und fälligen Leistung aufgefordert worden1. Er hat darauf nur einmal mit der Bitte reagiert, ihn nicht zu belästigen, und dabei erklärt, er habe mit der Sache nichts mehr zu tun, die Kläger sollten sich mit der Volksbank in Verbindung setzen.

Der Beklagte hat damit nach Ansicht des OLG Stuttgart Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben – mit der Folge, dass nach erfolgtem Anerkenntnis § 93 ZPO nicht anzuwenden und dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen waren. Sein Verhalten vor Prozessbeginn gegenüber den Klägern war so, dass diese bei vernünftiger Würdigung aus ihrer objektivierten Sicht zu dem Schluss berechtigt waren, sie würden ohne Beschreiten des Prozesswegs nicht zu ihrem Recht kommen2.

Dieses Verhalten berechtigte die Kläger ohne Weiteres zu dem Schluss, sie würden ohne Beschreiten des Prozesswegs nicht zu ihrem Recht kommen. Auf die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang und in welchen Grenzen die klagende Partei gehalten ist, den von ihr später im Rechtsstreit geltend zu machenden Anspruch im Vorfeld des Prozesses dem Schuldner darzulegen oder gar zu belegen, um den späteren Einwand der beklagten Partei auszuschließen, sie habe zur Erhebung der Klage im Sinne von § 93 ZPO nicht Veranlassung gegeben3, kommt es hier nicht an. Die erwähnte Reaktion des Beklagten auf ihre Leistungsaufforderungen konnten die Kläger bei vernünftiger Würdigung aus ihrer objektivierten Sicht allein dahin verstehen, dass der Beklagte unter keinen Umständen freiwillig leisten werde. Am Beklagten war es zumindest, sich zunächst konkret zu dem Verlangen der Kläger zu äußern und diese unter Benennung der aus seiner Sicht ggf. in Frage stehenden Gesichtspunkte zur Darlegung bzw. zum Beleg ihres Anspruchs aufzufordern4, ihnen ggf. vor allem seine etwaigen Zweifel darüber mitzuteilen, ob sie ihre Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag bereits erfüllt hatten.

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Ob der Beklagte vor Prozessbeginn über das Vorliegen von klagebegründenden Tatsachen im Irrtum war, kann ebenfalls dahinstehen. Ein etwaiger Irrtum ginge zu seinen Lasten5, auf sein Verschulden kommt es dabei nicht an6.

Auf die Frage, ob das Anerkenntnis des Beklagten ein sofortiges war, kommt es, weil der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat, von vornherein nicht mehr an7. Unerheblich ist somit insbesondere das – die Frage, ob der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat, zumindest unter den hier vorliegenden Umständen im Übrigen ohnehin nicht berührende – Vorbringen der Beschwerde zu Inhalt und Veränderung des von den Klägern gestellten Antrags. Es bedarf bei dieser Sachlage auch keiner weiteren Auseinandersetzung damit, dass ein Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO zwar regelmäßig auch dann noch „sofort“ erfolgt, wenn es unverzüglich nach dem Zeitpunkt erklärt wird, in dem das Klagevorbringen erstmals den gestellten Antrag rechtfertigt8, dass es jedoch bei einer Umformulierung eines Antrags anders liegen könnte, wenn sich das Klagebegehren der Sache nach nicht ändert9.

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 2. Mai 2012 – 13 W 16/12

  1. vgl. zu Durchsetzbarkeit und Fälligkeit des Anspruchs sowie Leistungsaufforderung im Zusammenhang mit § 93 ZPO etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2007 – 6 W 35/07; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.07.2011 – 13 W 29/11; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl., § 93 Rn. 5 f.[]
  2. vgl. etwa OLG Hamm, Urteil vom 24.06.1988 – 20 U 228/87; OLG Koblenz, Beschluss vom 08.06.2005 – 6 W 275/05; OLG Zweibrücken, Urteil vom 08.06.2006 – 4 U 124/04; OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2007 – 6 W 35/07; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 93 Rn. 13; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 93 Rn. 3 m. w. N.[]
  3. vgl. etwa OLG Celle, VersR 1961, 1144; OLG Hamm, VersR 1969, 741; OLG Nürnberg, Beschluss vom 01.07.2002 – 4 W 1675/02; Leuschner, AcP 207 [2007], 64, 69 f., 81 f.[]
  4. vgl. etwa LG Saarbrücken, Beschluss vom 20.01.2011 – 13 T 11/10; Münchener Kommentar zur ZPO/Giebel, 3. Aufl., § 93 Rn. 6; auch OLG München, Beschluss vom 01.12.1999 – 1 W 3034/99; vgl. ferner etwa LG München II, VersR 1979, 459; Zöller/Herget, a.a.O., § 93 Rn. 6 „Darlegungen gegenüber Beklagtem“[]
  5. vgl. etwa OLG Köln, MDR 1979, 941, 942; OLG Hamm, Urteil vom 24.06.1988 – 20 U 228/87; Zöller/Herget, a.a.O., § 93 Rn. 6 „Unschlüssige Klage“[]
  6. vgl. etwa Zöller/Herget, a.a.O., § 93 Rn. 3; Stein/Jonas/Bork, a.a.O., § 93 Rn. 13[]
  7. vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 01.12.1999 – 1 W 3034/99; OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2007 – 6 W 35/07; OLG Zweibrücken, Urteil vom 08.06.2006 – 4 U 124/04[]
  8. vgl. etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.07.2011 – 13 W 29/11[]
  9. vgl. OLG München, Urteil vom 21.04.1994 – 6 U 6893/92; OLG Zweibrücken, Urteil vom 08.06.2006 – 4 U 124/04[]
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