Verdienstausfall als Schadensersatz – und der Auslandsverwendungszuschlag des Soldaten

Bei der Berechnung des Anspruchs auf Ersatz von Verdienstausfall ist der Auslandsverwendungszuschlag grundsätzlich als Einkommen des Verletzten zu berücksichtigen.

Verdienstausfall als Schadensersatz – und der Auslandsverwendungszuschlag des Soldaten

Gemäß § 842 BGB, § 11 Satz 1 StVG erstreckt sich bei einer Körperverletzung die Verpflichtung zum Schadensersatz auf die (Vermögens) Nachteile, die der Verletzte durch die Aufhebung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit erleidet. Die Ersatzpflicht greift ein, wenn durch die Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Verletzten in dessen Vermögen ein konkreter Schaden entstanden ist. Ein solcher liegt nicht nur in dem Verlust von Arbeitseinkommen; der Erwerbsschaden umfasst vielmehr alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Verletzte erleidet, weil und soweit er seine Arbeitskraft verletzungsbedingt nicht verwerten kann, die also der Mangel der vollen Einsatzfähigkeit seiner Person mit sich bringt1.

Aufwandsentschädigungen, die kein zusätzliches Einkommen, sondern nur eine Vergütung für tatsächliche erwerbsbedingte Aufwendungen sind (Spesen, Kleidergeld und dergleichen), sind hingegen nicht vom Schädiger zu ersetzen, wenn der Verletzte verletzungsbedingt nicht in der Lage ist, der mit Aufwendungen verbundenen Tätigkeit nachzugehen. Insoweit ist der Verletzte nicht geschädigt, denn dem Ausbleiben der Aufwandsentschädigung steht die Ersparnis der Aufwendungen gegenüber2. Bei Zahlung eines pauschalierten Aufwendungsersatzes ist eine echte Aufwandsentschädigung dann anzunehmen, wenn der Geschädigte auch tatsächlich Aufwendungen gehabt hätte, die mit der Pauschale abgegolten werden sollten. Erhält er hingegen eine Pauschale, die nicht notwendigerweise für tatsächliche Verwendungen bestimmt ist, wird durch den Pauschbetrag sein Einkommen faktisch erhöht. Bei der Berechnung des Anspruchs auf Ersatz des Verdienstausfalls ist der Anspruch auf einen solchen pauschalen Betrag demzufolge als Einkunft zu berücksichtigen3.

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Das unvollständige Urteil

Beim Auslandsverwendungszuschlag eines Zeitsoldaten bei der Bundesmarine handelt es sich nicht um eine echte Aufwandsentschädigung, mit der ein im Einzelnen abzurechnender Aufwand ausgeglichen wird, sondern um einen Pauschbetrag, mit dem bei einem bestimmten Auslandseinsatz aufgrund der örtlichen Verhältnisse im Allgemeinen entstehende Aufwendungen und Erschwernisse abgegolten werden sollen.

Der mit dem Gesetz über dienstrechtliche Regelungen für besondere Verwendungen im Ausland (Auslandsverwendungsgesetz – AuslVG)4 in § 58a BBesG a.F. geschaffene Auslandsverwendungszuschlag bezweckte, Soldaten einen Anreiz zur Teilnahme an Auslandseinsätzen zu bieten und die mit der Teilnahme verbundenen Belastungen und Gefahren angemessen abzugelten5. Es sollte insbesondere die bis dahin erfolgte Gewährung von Aufwandsentschädigungen, die im Kern auf die Abgeltung eines erhöhten Aufwands gerichtet war, ersetzt werden6. Dementsprechend war auch der Zweck des Auslandsverwendungszuschlags in § 1 Abs. 2 Satz 1 AuslVZV in den ab dem 29.07.1995 bis zum 11.02.2009 geltenden Fassungen in der Weise beschrieben, dass er die mit der besonderen Verwendung verbundenen materiellen und immateriellen Belastungen und Erschwernisse abgelte. Auch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts habe der Auslandsverwendungszuschlag nach § 58a BBesG a.F. zwar die mit der besonderen Verwendung verbundenen materiellen und immateriellen Belastungen und Erschwernisse abgegolten, doch sei nicht die Kompensation materieller Belastungen damit bezweckt worden, sondern sei deren Ausgleich Folge der Zahlung gewesen. Es würden nur die mit den spezifischen; vom Auslandsverwendungszuschlag erfassten Belastungen und Gefahren unmittelbar im Zusammenhang stehenden Aufwendungen abgegolten. Dies entspreche § 1 Satz 2 Erschwerniszulagenverordnung (EZulV), wonach durch die Erschwerniszulage ein mit der Erschwernis verbundener Aufwand abgegolten werde7. Damit übereinstimmend bestand auch bei den Instanzgerichten und in der Literatur Einigkeit zu der nach § 58a BBesG a.F. iVm §§ 1 ff. AuslVZV gegebenen Rechtslage, dass Auslandsverwendungszuschläge uneingeschränkt als Verdienstausfall ersatzfähig seien8.

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Mit dem Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz – DNeuG)9 wurde § 58a BBesG a.F. mit Wirkung vom 12.02.2009 neu gefasst und mit Wirkung vom 01.07.2010 durch § 56 BBesG n.F. ersetzt. Die doppelte Zweckrichtung des Auslandsverwendungszuschlags wurde – entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg – nicht verändert. Nach Maßgabe der Regelung in § 56 Abs. 2 Satz 1 BBesG iVm §§ 1 ff. AuslVZV10 diente der Auslandsverwendungszuschlag der Abgeltung von materiellen Mehraufwendungen und immateriellen Belastungen der besonderen Verwendung im Ausland in pauschalierter Weise. Vorbehalten blieben die Positionen des deutschen Reisekostenrechts, in die nicht eingegriffen werden sollte, mithin die Reisekostenvergütung. Erfasst wurden insbesondere Mehraufwendungen auf Grund besonders schwieriger Bedingungen im Rahmen der Verwendung oder Belastungen durch Unterbringung in provisorischen Unterkünften sowie Belastungen durch eine spezifische Bedrohung der Mission oder deren Durchführung in einem Konfliktgebiet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 BBesG, gültig bis 31.07.2013). Durch die Regelungen in §§ 2 und 3 der AuslVZV wurden die Begriffe der allgemeinen physischen und psychischen Belastung sowie in Betracht zu ziehende Mehraufwendungen näher beschrieben und in sechs Stufen des Auslandsverwendungszuschlags eingeteilt, die einen gestaffelten Tagessatz bis zu 110 Euro nach Schwere der Mehraufwendungen und Belastungen vorsahen. Nach dem Willen des Gesetzgebers, der insoweit den Gesetzesmaterialien zu § 58a BBesG in der ab dem 12.02.2009 geltenden Fassung11 zu entnehmen ist, sollte allerdings nach Sinn und Zweck der Regelung konkret entstandener Mehraufwand, der über die Pauschale hinausging, nicht mehr erstattet werden. Die pauschale Abgeltung aller materiellen Mehraufwendungen und immateriellen Belastungen durch den Auslandsverwendungszuschlag sollte der Verwaltungsvereinfachung und der Straffung des Abrechnungsverfahrens dienen, weil Einzelnachweise danach entbehrlich wurden12.

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In dem im Streitfall maßgebenden Zeitraum wurde gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 BBesG13 Auslandsverwendungszuschlag gezahlt bei einer Verwendung im Rahmen einer humanitären und unterstützenden Maßnahme, die auf Grund eines Übereinkommens, eines Vertrages oder einer Vereinbarung mit einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung oder mit einem auswärtigen Staat auf Beschluss der Bundesregierung im Ausland oder außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes auf Schiffen oder in Luftfahrzeugen stattfand (besondere Verwendung im Ausland). Dass der geplante Einsatz des Geschädigten auf der Fregatte „Lübeck“ diesen Anforderungen genügte, steht nicht in Streit.

Soweit das Oberlandesgericht Naumburg14 die Ersatzfähigkeit des Auslandsverwendungszuschlags hinsichtlich materieller Mehraufwendungen mit dem Argument ablehnt, angesichts der unterbliebenen Teilnahme am Auslandseinsatz sei ausgeschlossen gewesen, dass dem Geschädigten ein Mehraufwand überhaupt habe entstehen können, übersieht es, dass es sich insoweit nicht um „echten“ Aufwendungsersatz, sondern um Pauschalen handelte, die nicht mittels Einzelnachweisen abgerechnet werden.

Soweit das OLG Naumburg den für immaterielle Belastungen gezahlten Auslandsverwendungszuschlag für nicht ersatzfähig hält, weil der Geschädigte den Belastungen, deren Ausgleich die Zulage dienen soll, nicht ausgesetzt gewesen sei, berücksichtigt es einen Vorteil zu Gunsten der Beklagten, der als Faktor der Schadensberechnung ungeeignet ist, weil die Ersparnis von Belastungen keinen Vermögensvorteil darstellt15. Zwar sind dem Geschädigten in der Zeit, in der er nicht am Auslandseinsatz teilgenommen hat, die mit diesem verbundenen Unannehmlichkeiten erspart geblieben. Unannehmlichkeiten werden aber mehr oder weniger jedem erspart, der wegen seiner Verletzungen der gewohnten Arbeit nicht nachgehen kann. Es widerspräche Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht, wenn dem Geschädigten wegen eines solchen, von ihm hinzunehmenden, nicht vermögenswerten Vorteils, ein Ersatzanspruch versagt bliebe. Der Geschädigte müsste letztlich für die Verschaffung des ideellen Vorteils zahlen, obwohl die von ihm erlittene Vermögenseinbuße nicht geringer wird. Die Anrechnung immaterieller Vorteile auf den Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz kommt danach nicht in Betracht16.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Oktober 2015 – VI ZR 183/15

  1. vgl. BGH, Urteile vom 20.03.1984 – VI ZR 14/82, BGHZ 90, 334, 336 f.; vom 08.04.2008 – VI ZR 49/07, BGHZ 176, 109 Rn. 9; vom 25.06.2013 – VI ZR 128/12, BGHZ 197, 316 Rn. 12 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 20.10.2009 – VI ZB 53/08, VersR 2010, 133 Rn. 7; Staudinger/Vieweg, BGB, 2015, § 842 Rn. 13; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 842 Rn. 2[]
  2. BGH, Urteile vom 22.09.1967 – VI ZR 46/66, VersR 1967, 1080; vom 24.04.1979 – VI ZR 204/76, VersR 1979, 622, 624 [insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 74, 221]; OLG Düsseldorf, VersR 1996, 334, 335; OLG Hamm, OLGR 1996, 90; Bomhard, VersR 1960, 683, 684 ff.; Staudinger/Vieweg, BGB, 2015, § 842 Rn. 75; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl., § 252 Rn. 23; RGRK/Boujong, BGB, 12. Aufl., § 842 Rn. 13; Wussow/Zoll, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 32 Rn. 4[]
  3. BGH, Urteil vom 24.04.1979 – VI ZR 204/76, VersR 1979, 622, 624 [insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 74, 221]; OLG München, VersR 1986, 69; OLG Düsseldorf, VersR 1996, 334, 335; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl., § 252 Rn. 23; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 842 Rn. 2; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 11. Aufl., Rn. 43; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 4. Aufl., § 4 Rn. 152 f., § 6 Rn. 50, 52; Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 29 Rn. 65; vgl. auch BGH, Urteile vom 16.01.1980 – IV ZR 115/78, FamRZ 1980, 342, 343 f.; vom 06.10.1993 – XII ZR 112/92, NJW 1994, 134, 135; vom 18.04.2012 – XII ZR 73/10, NJW 2012, 2190 Rn. 22; BAGE 13, 301, 304; aA Bomhard, VersR 1960, 683, 685 und 686 a.E.[]
  4. vom 28.07.1993, BGBl. I S. 1394[]
  5. BT-Drs. 12/4749, S. 1, 8, 9; zur Anreiz- und Ausgleichsfunktion auch BVerwG, NVwZ-RR 2003, 290, 291; Bayer in Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 56 BBesG Rn. 17 [Stand: Februar 2014]; Kuhlmey in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 56 BBesG Rn. 1, 18 [Stand: März 2012]; Lenders in Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, Das Dienstrecht des Bundes, 2. Aufl., § 56 BBesG Rn. 363[]
  6. BT-Drs. 12/4749, S. 1, 8[]
  7. vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2003, 290, 291[]
  8. OLG Hamm, VersR 2006, 1281 f.; OLG Stuttgart, VersR 2007, 1524; LG Erfurt, zfs 2004, 14, 15; Halm/Fitz, SVR 2006, 254, 257; BeckOK/Schubert, BGB, § 252 Rn. 10 [Stand: 1.11.2011]; MünchKomm-BGB/Wagner, 6. Aufl., § 843 Rn. 27; MünchKomm-BGB/Oetker, aaO, § 252 Rn. 23; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 252 Rn. 7; Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 4 Rn. 91; Buschbell in MAH Straßenverkehrsrecht, 4. Aufl., § 26 Rn. 127; Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 29 Rn. 65[]
  9. vom 05.02.2009, BGBl. I S. 160, 462[]
  10. Fassung vom 08.04.2009, gültig bis 31.07.2013[]
  11. BT-Drs. 16/7076, S. 145 f.[]
  12. vgl. BT-Drs. 16/7076, S. 145 f.[]
  13. in der Fassung vom 05.02.2009, gültig vom 01.07.2010 bis 31.07.2013[]
  14. OLG Naumburg, Urteil vom 06.02.2015 – 10 U 15714[]
  15. vgl. zur Bordzulage BGH, Urteil vom 22.09.1967 – VI ZR 46/66, VersR 1967, 1080[]
  16. vgl. OLG Hamm, VersR 2006, 1281, 1282; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 456 ff.; Pletzer, JBl 2007, 409, 430 f.; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 229; BeckOK/Schubert, BGB, § 249 Rn. 111 [Stand: 1.03.2011]; Soergel/Ekkenga/Kuntz, BGB, 13. Aufl., vor § 249 Rn. 292; Geigel/Pardey, Haftpflichtrecht, 27. Aufl., Kap. 9 Rn. 14; aA Klimke, VersR 1969, 111, 112 f.; Erman/Ebert, BGB, 14. Aufl., vor § 249 Rn. 92 a.E.; vgl. auch OLG Hamm, OLGR 1996, 90[]
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Zweites Opferrechtsreformgesetz