Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins wird grundsätzlich durch die Vereinssatzung bestimmt (§ 25 BGB). Gemäß § 40 Satz 1 BGB sind die gesetzlichen Vorgaben bzgl. der Beschlussfassung eines Vereinsvorstands nach § 28 iVm. § 32 BGB satzungsdispositiv.

Ein Verein kann insoweit selbst bestimmen, welche Voraussetzungen für einen wirksamen Vorstandsbeschluss erfüllt sein müssen. Dies entspricht der verfassungsrechtlich gewährleisteten Vereinsautonomie. Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit, sich zu Vereinigungen des privaten Rechts zusammenzuschließen. Der Schutz des Grundrechts umfasst sowohl für Mitglieder als auch für die Vereinigung die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte1.
In einer Vereinssatzung kann zur Sicherung der Handlungsfähigkeit des Vereins bestimmt werden, dass die Beschlussfähigkeit des Vorstands auch dann gegeben ist, wenn nicht alle Vorstandsposten besetzt sind2.
Auch die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 17.01.19853 und 24.05.19884 befassen sich ebenso wie Hadding5 nicht mit solchen Satzungsregelungen. Sieht eine Satzung die Aufrechterhaltung der Beschlussfähigkeit des Vorstands auch bei Nichtbesetzung einer Position vor, wird hierdurch die demokratische Legitimation eines von der Mitgliederversammlung gemäß § 27 Abs. 1 BGB bestellten Vorstands nicht verletzt. Die Legimation der verbleibenden Vorstandsmitglieder wird durch eine Vakanz nicht beseitigt.
So war auch in dem hier entschiedenen Fall der Wortlaut der Satzung eindeutig. Die Beschlussfähigkeit des fünfköpfigen Vorstands wird nur von der Anwesenheit dreier Vorstandsmitglieder abhängig gemacht. Aus welchem Grund ein weiteres Mitglied nicht anwesend ist, spielt nach dem Wortlaut der Satzungsregelung für die Beschlussfähigkeit keine Rolle. Es macht daher keinen Unterschied, ob ein Mitglied vorübergehend (zB durch Urlaub oder Krankheit) oder dauerhaft (zB wegen Tod oder Rücktritt) verhindert ist.
Die Beschlussfähigkeit des Vorstands trotz einer Abwesenheit von (höchstens) zwei seiner Mitglieder dient der Handlungsfähigkeit des Vorstands. Diese Zielsetzung deckt sich mit der des § 11 Abs. 4 Satz 2 der Satzung, wonach der „Vorstand“ iSd. § 10 der Satzung im Falle der Beendigung der Amtszeit eines Vorstandsmitglieds ein Vorstandsmitglied mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Vorstandsmitglieds bis zur Wahl eines Nachfolgers beauftragen kann. Die Regelung dient ausdrücklich der „Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit“ des Vorstands. Der Satzungsgeber war sich folglich bewusst, dass das Ende der Amtszeit eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des Vorstands haben kann und wollte eine Lähmung des Vorstands verhindern. Entgegen der Revision hat er dem „Vorstand“ iSd. § 10 der Satzung einen Ermessensspielraum gelassen, ob dieser eine Beauftragung nach § 11 Abs. 4 Satz 2 der Satzung vornehmen will („kann … beauftragen“). Damit wird eine situationsgerechte Reaktion auf eine Vakanz ermöglicht. Bei erhöhtem Arbeitsanfall wird eine Beauftragung in Betracht gezogen werden, anderenfalls bleibt die Beschlussfähigkeit des Vorstands auch bei einer Nichtbesetzung nach § 11 Abs. 3 Satz 2 der Satzung bestehen.
Mit dieser Konzeption ist die Auffassung, wonach eine dauerhafte Vakanz, die nicht durch eine Beauftragung nach § 11 Abs. 4 Satz 2 der Satzung ausgeglichen wurde, zur Beschlussunfähigkeit des Vorstands führt, nicht vereinbar. Zusammen mit § 11 Abs. 4 Satz 2 der Satzung sichert § 11 Abs. 3 Satz 2 der Satzung die Beschlussfähigkeit des Vorstands sowohl bei vorübergehender als auch bei dauerhafter Abwesenheit von bis zu zwei seiner Mitglieder. Es kann daher unentschieden bleiben, ob Satzungsregelungen, die für die Beschlussfähigkeit nur eine Mindestzahl von Anwesenden bei einer Vorstandssitzung fordern, überhaupt die Beschlussfähigkeit ausschließen wollen, wenn die geforderte Mindestanzahl von Vorstandsmitgliedern nicht mehr vorhanden ist6.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juni 2017 – 6 AZR 720/15
- BVerfG 24.09.2014 – 1 BvR 3017/11, Rn. 13[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Arnold 7. Aufl. § 28 Rn. 3; Burhoff Vereinsrecht 9. Aufl. Rn. 577; Reichert VereinsR 13. Aufl. Rn. 2576; Bamberger/Roth/Schöpflin BGB 3. Aufl. § 28 Rn. 3; Sauter/Schweyer/Waldner Der eingetragene Verein 20. Aufl. Rn. 245a; Otto in jurisPK-BGB 8. Aufl. § 28 BGB Rn. 5; Stöber/Otto Handbuch Vereinsrecht 11. Aufl. Rn. 442, 557; aA wohl Steffen in BGB-RGRK 12. Aufl. § 28 Rn. 3[↩]
- BayObLG 17.01.1985 – BReg 2 Z 74/84[↩]
- BayObLG 24.05.1988 – BReg 3 Z 53/88[↩]
- Hadding in Soergel, BGB, 13. Aufl. § 28 Rn. 4[↩]
- ablehnend Burhoff Vereinsrecht 9. Aufl. Rn. 577[↩]