Vereinsverbote und die Völkerverständigung

Ein Ver­ein rich­tet sich gegen den Ge­dan­ken der Völ­ker­ver­stän­di­gung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 Ver­einsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG, wenn er einen der ter­ro­ris­ti­schen Or­ga­ni­sa­ti­on der HAMAS zu­ge­hö­ri­gen So­zi­al­ver­ein im Ga­za­strei­fen durch hu­ma­ni­tä­re Hil­fe­leis­tun­gen über einen lan­gen Zeit­raum und in be­trächt­li­chem Um­fang un­ter­stützt, ihm die Zu­ge­hö­rig­keit des un­ter­stütz­ten Ver­eins zur HAMAS be­kannt ist und er sich mit der HAMAS ein­schlie­ß­lich der von ihr aus­ge­hen­den Ge­walt­ta­ten iden­ti­fi­ziert.

Vereinsverbote und die Völkerverständigung

Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet.

Vorliegend einschlägig ist insoweit der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG. Der Verein richtet sich – bezogen auf den für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung – gegen den Gedanken der Völkerverständigung, denn er hat durch die Überlassung von Spendengeldern für humanitäre Zwecke an Sozialvereine, die der HAMAS zuzuordnen sind, diese gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Organisation in einer den Tatbestand des Verbotsgrunds ausfüllenden Weise unterstützt.

In seinem Urteil in der Sache Al-Aqsa1 hat das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen geklärt, unter denen ein Verein den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG dadurch verwirklicht, dass er Sozialvereine finanziell unterstützt, die Bestandteile des Gesamtgefüges der terroristischen Organisation der HAMAS sind. In tatsächlicher Hinsicht ist eine Änderung des der Völkerverständigung widerstreitenden Charakters der HAMAS nicht feststellbar. An den in seiner Entscheidung in der Sache Al-Aqsa zum Verbotsgrund der Völkerverständigungswidrigkeit entwickelten rechtlichen Maßstäben hält das Bundesverwaltungsgericht fest. Vor diesem Hintergrund hat der Verein die objektiven Voraussetzungen für ein auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG gestütztes Vereinsverbot zwar nicht durch seine Unterstützung der Al-Khidmat Foundation in Pakistan, der Charitable Society for Social Welfare im Jemen, der Islamic Dawa Association im Sudan und des Vereins Cansuyu in der Türkei und auch nicht durch seine an die Islamic Charitable Society Hebron im Westjordanland (Westbank) geleistete Förderung erfüllt. Er hat den objektiven Verbotstatbestand jedoch dadurch verwirklicht, dass er Spendengelder zunächst der Islamic Society im Gazastreifen zugeleitet hat und sodann die Salam Society for Relief & Development (im Folgenden: Salam) finanziell unterstützt hat, die als im Gesamtgefüge der HAMAS verankerte Empfangsstelle für die Zuwendungen des Vereins an die Stelle der Islamic Society getreten war. Im Hinblick auf diese Förderung ist für den Verein auch der subjektive Tatbestand des Verbotsgrunds der Völkerverständigungswidrigkeit zu bejahen. Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit des Vereinsverbots auf der Rechtsfolgenseite bedarf es nicht.

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Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Al-Aqsa-Urteil2 mit Bezug auf den Sommer des Jahres 2002 festgestellt, dass zahlreiche der in den palästinensischen Gebieten des Gazastreifens und des Westjordanlands tätigen Sozialvereine – unter ihnen die Islamic Society im Gazastreifen und die Islamic Charitable Society Hebron im Westjordanland – der sozialen Handlungsebene der HAMAS angehören und damit Teil des untrennbaren Gesamtgefüges dieser Organisation sind, das neben diesem sozialen einen politischen und einen militärischterroristischen Bereich umfasst. Die HAMAS übt Gewalttaten gegenüber Israel und israelischen Staatsbürgern aus, beeinträchtigt die friedliche Verständigung des israelischen und des palästinensischen Volkes und richtet sich deshalb gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Durch Zuwendungen an die Sozialvereine der HAMAS werden auch bei einer der sozialen bzw. humanitären Zwecksetzung entsprechenden Verwendung der Hilfeleistungen unmittelbar die HAMAS und mittelbar ihre terroristischen Aktivitäten und die von ihr in das Verhältnis zwischen dem israelischen und dem palästinensischen Volk hineingetragene Gewalt unterstützt. Denn die palästinensische Bevölkerung rechnet das soziale Engagement der Sozialvereine der HAMAS zu. Dadurch leisten die Sozialvereine einen bedeutenden Beitrag zur Akzeptanz der HAMAS. Dies erleichtert die Rekrutierung von Aktivisten, die sich an terroristischen Handlungen der HAMAS beteiligen. Hinzu kommt, dass die HAMAS die finanzielle Entlastung im sozialen Bereich ihrem militärischterroristischen Sektor zugute kommen lassen kann. Findet die in Rede stehende Unterstützung über einen langen Zeitraum und in beträchtlichem Umfang statt, ist diese geeignet, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen, so dass die objektiven Voraussetzungen des Vereinsverbots gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG erfüllt sind. Die subjektiven Voraussetzungen sind gegeben, wenn bei der unterstützenden Vereinigung die den objektiven Verbotstatbestand begründenden Umstände bekannt sind und die Vereinigung sich mit der HAMAS einschließlich der von dieser Organisation ausgehenden Gewalttaten identifiziert und die gewalttätigen Handlungen nicht nur in Kauf nimmt.

Die Entwicklung, die die politischen Verhältnisse in den palästinensischen Gebieten und hier insbesondere seit dem Jahr 2007 im Gazastreifen bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung im Juni 2010 genommen haben, rechtfertigt nicht die Annahme, die HAMAS habe den von dem Bundesverwaltungsgericht für das Jahr 2002 festgestellten Charakter als gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Organisation verloren.

Die Organisation hat ihre von antisemitischem Gedankengut durchsetzte Charta aus dem Jahr 1988 nicht außer Kraft gesetzt. Sie hat – anders als die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) – nicht die von dem sog. Nahost-Quartett (Vereinigte Staaten, Russland, Europäische Union, Vereinte Nationen) formulierten Bedingungen für eine internationale Kooperation akzeptiert, die in einem Gewaltverzicht sowie in der Anerkennung des Existenzrechts Israels und der bisherigen Vereinbarungen im Nahostfriedensprozess bestehen3. Die Europäische Union hat dementsprechend die HAMAS als eine an terroristischen Handlungen beteiligte Vereinigung qualifiziert4.

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Entgegen der Kritik des Vereins liegt keine unverhältnismäßige Einschränkung des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit darin, dass nach den Maßstäben des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in der Sache Al-Aqsa Hilfeleistungen, die ein Verein von Deutschland aus Sozialvereinen zuleitet, die der gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichteten HAMAS zuzuordnen sind, auch bei zweckentsprechender Mittelverwendung den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG erfüllen können.

Die nach Auffassung des Vereins ein Vereinsverbot nicht rechtfertigende Mittelbarkeit der Unterstützung ist bei einer solchen Hilfeleistung wie dargelegt nur im Hinblick auf die von der HAMAS ausgehende Gewalt gegeben. Die Organisation als solche wird unmittelbar unterstützt, da die geförderten Sozialvereine ihre genuinen Teile sind. Auch in dieser Fallgestaltung ist der objektive Verbotstatbestand nur dann erfüllt, wenn der jeweilige Unterstützungsbeitrag der völkerverständigungswidrigen Betätigung der HAMAS förderlich, das heißt objektiv geeignet ist, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen. Dies wird durch die Voraussetzung einer über einen langen Zeitraum und in beträchtlichem Umfang vorgenommenen Förderung sichergestellt. Wegen der durch eine solche Unterstützung bewirkten strukturellen Stärkung des Gesamtsystems HAMAS kann die humanitäre Zwecksetzung der Hilfeleistung nicht isoliert betrachtet werden. Sie wird vielmehr überlagert durch die Akzeptanz- und Entlastungsvorteile für die völkerverständigungswidrige Betätigung der HAMAS, die mit ihr verbunden sind. Dass die Unterstützung der Sozialvereine diese Vorteile für den militärischterroristischen Bereich der HAMAS auslösen kann, entspricht allgemeinem Erfahrungswissen. Die Auswirkungen einzelner Zuwendungen über den sozialen Bereich hinaus müssen nicht konkret verfolgt und festgestellt werden. Auf Grund der generellen Eignung solcher Zuwendungen, sich für den militärischterroristischen Bereich der HAMAS positiv auszuwirken, dient die Unterstützung der HAMAS in ihrem sozialen Bereich zugleich dem militärischterroristischen Bereich und gefährdet dadurch den Gedanken der Völkerverständigung.

Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei der Interpretation der subjektiven Voraussetzungen des Verbotstatbestands Rechnung zu tragen. Insbesondere wirkt das Erfordernis, dass sich der unterstützende Verein mit der völkerverständigungswidrigen Betätigung der HAMAS identifizieren muss, um als gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet eingestuft zu werden, der Gefahr eines unverhältnismäßigen Verbotserlasses entgegen.

Den objektiven Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG hat der Verein nicht durch seine finanzielle Unterstützung der Al-Khidmat Foundation in Pakistan, der Charitable Society for Social Welfare im Jemen, der Islamic Dawa Association im Sudan und des Vereins Cansuyu in der Türkei verwirklicht. Die Beklagte hat nicht festgestellt, dass diese Gruppierungen Teile der HAMAS sind. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die vier außerpalästinensischen Organisationen die von dem Verein erhaltenen Leistungen oder durch diese Leistungen freigewordene eigene Mittel regelmäßig an die HAMAS oder ihr zuzurechnende Vereinigungen weitergeleitet und die Förderungen dort dem Gedanken der Völkerverständigung widerstreitende Wirkungen gezeitigt haben. Es bestehen vor diesem Hintergrund keine geeigneten Anhaltspunkte dafür, dass die Unterstützung, die die genannten Organisationen nach Annahme der Beklagten der HAMAS gewähren, dem Verein als hinreichend gewichtiger eigener Beitrag zur Beeinträchtigung des Gedankens der Völkerverständigung zugerechnet werden könnte.

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Dadurch dass der Verein die im Westjordanland tätige Islamic Charitable Society Hebron in den Jahren 2006 bis 2010 mit Spendengeldern in Höhe von insgesamt gut 317 000 € unterstützt hat, hat er die objektiven Voraussetzungen des Verbotstatbestands des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG ebenfalls nicht erfüllt. Zwar hat der Verein hiermit der Islamic Charitable Society Hebron Unterstützung über einen langen Zeitraum und in beträchtlichem Umfang gewährt und diese auch bis zum Erlass der angefochtenen Verbotsverfügung vom 23.06.2010 aufrechterhalten. Jedoch war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verbotserlasses die Verbindung zwischen der Islamic Charitable Society Hebron und der HAMAS, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 03.12.2004 in der Sache Al-Aqsa mit Bezug auf den Sommer des Jahres 2002 festgestellt und die der Islamic Charitable Society Hebron den Charakter eines Bestandteils des Gesamtgefüges der HAMAS verliehen hatte, bereits seit längerem aufgelöst. Nach den in diesem Zusammenhang zu bewertenden Umständen ist die frühere Beherrschung der Islamic Charitable Society Hebron durch die HAMAS seit dem Jahr 2008 beendet und seither auch nicht wieder neu begründet worden. Der Sozialverein steht vielmehr nun politisch der von der PLO und der Fatah dominierten Palästinensischen Autonomiebehörde nahe, die die palästinensischen Angelegenheiten im Westjordanland seit den Jahren 2007/2008 unter Ausschluss der HAMAS bestimmt.

Der Verein hat die objektiven Voraussetzungen des Verbotstatbestands des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG jedoch dadurch verwirklicht, dass er zunächst in der Zeit von 2006 bis Februar 2010 der im Gazastreifen tätigen Islamic Society und hieran unmittelbar anknüpfend ab Mai 2010 bis zum Vollzug der angefochtenen Verbotsverfügung im Juli 2010 dem ebenfalls im Gazastreifen ansässigen Verein Salam Spendengelder für unterschiedliche soziale Zwecke zugewandt hat. Diese langfristige Förderung hatte einen beträchtlichen Umfang. Denn nach den Feststellungen des Bundesinnenministeriums, die der Verein nicht bestreitet, haben in der genannten Zeit die Islamic Society insgesamt gut 2.100.000 € und der Verein Salam insgesamt gut 300.000 € von dem Verein erhalten.

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Die 1976 ins Leben gerufene Islamic Society ist im Gazastreifen mit mehreren Zweigstellen vertreten, deren erste im Jahr 1979 in Jabaliya gegründet wurde. Der Sozialverein ist untrennbarer Bestandteil des Gesamtgefüges der HAMAS, was das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 03.12.2004 in der Sache Al-Aqsa mit Bezug auf den Sommer des Jahres 2002 festgestellt hatte, auch für den Zeitraum von 2006 bis Februar 2010 gewesen, in dem ihn der Verein finanziell unterstützte. Hieran unmittelbar anschließend trat der Verein Salam in der Zeit von Mai bis Juli 2010 als im Gesamtgefüge der HAMAS verankerte Empfangsstelle für den Geldtransfer des Vereins an die Stelle der Islamic Society. Die von dem Verein geleistete Förderung wird von dem objektiven Tatbestand des Verbotsgrunds aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG auch insoweit erfasst, als sie projektbezogen vorgenommen wurde und der Verein für die Empfänger der mit seinen Geldern beschafften Hilfen erkennbar war.

Im Anschluss an den Erkenntnisstand des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.12.2004 in der Sache Al-Aqsa haben sich keine Entwicklungen ergeben, die die Annahme stützen könnten, die Verbindung zwischen der Islamic Society und der HAMAS habe sich in der Zeit, während der der Verein die Islamic Society gefördert hat, aufgelöst.

Die Förderung, die der Verein von 2006 bis Februar 2010 der HAMAS durch Überweisung von Spendengeldern für humanitäre Zwecke an deren Sozialverein Islamic Society zuteil werden ließ, führte er ab Mai 2010 bis zum Vollzug der angefochtenen Verbotsverfügung im Juli 2010 durch die Zuwendung von Hilfsgeldern an Salam fort. Dieser Verein ist wie die Islamic Society als untrennbarer Bestandteil des HAMAS-Gesamtgefüges zu qualifizieren und hatte in diesem Gefüge die Funktion der Empfangsstelle für die Hilfeleistungen des Vereins von der Islamic Society übernommen.

Entgegen der Ansicht des Vereins unterfallen auch diejenigen Hilfen für den Gazastreifen, die er auf Grund von Vereinbarungen mit der Islamic Society oder Salam projektgebunden geleistet hat, dem objektiven Tatbestand des Verbotsgrunds des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG.

Gerade im Rahmen der projektgebundenen Hilfe kam der Partnerorganisation des Vereins im Hinblick auf die Auswahl der Projekte und der Leistungsempfänger sowie bei der konkreten Zuwendung der Leistungen an die Begünstigten eine Eigenständigkeit zu, die in besonderer Weise geeignet war, die von dem Verein aufgebrachten Hilfeleistungen für die palästinensische Bevölkerung als solche der Islamic Society bzw. des Vereins Salam und damit der HAMAS erscheinen zu lassen.

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Dies galt insbesondere dann, wenn der Kooperationspartner des Vereins in hervorgehobener Weise nach außen hin in Erscheinung trat.

Aber auch dann, wenn im Rahmen der Verteilung von Hilfsgütern die Eigenschaft des Vereins als Spender mehr in den Vordergrund trat, etwa weil der Name und das Emblem des Vereins gut zu erkennen waren, steht außer Frage, dass es in den Augen der Hilfeempfänger doch stets der mit dem Verein kooperierende Sozialverein und damit die HAMAS waren, die es vermocht hatten, die Hilfen durch Mobilisierung von Unterstützung aus dem Ausland zu beschaffen.

Der Verein hat auch die subjektiven Voraussetzungen des Verbotstatbestands des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG erfüllt. Ihm waren die Umstände bekannt, die wegen seiner finanziellen Zuwendungen an die Islamic Society und an Salam den Vorwurf einer Unterstützung der HAMAS begründen. Er hat sich zudem mit der HAMAS einschließlich der von ihr ausgehenden Gewalttaten identifiziert.

Der Verein hat die objektiven Tatbestandsmerkmale des Verbotsgrunds in vorsätzlicher Weise verwirklicht. Seine leitenden Mitglieder, deren Kenntnis dem Verein zuzurechnen ist5, waren sich darüber im Klaren, dass eine Förderung der von dem Verein sog. Islamic Society Jabaliya gleichbedeutend mit einer Unterstützung der im gesamten Gazastreifen operierenden Islamic Society war, weil die in Jabaliya ansässige Organisationseinheit nur eine Zweigstelle des Gesamtvereins ist. Sie kannten auch die Zugehörigkeit der Islamic Society – und hieran anschließend des Vereins Salam – zur HAMAS und waren sich deshalb bewusst, dass eine Unterstützung dieser Vereine eine Unterstützung der HAMAS ist. Ein Handeln in gutem Glauben vermag der Verein nicht durch den Verweis auf Tätigkeiten staatlicher Stellen und internationaler Organisationen im Gazastreifen darzutun.

Den Vorwurf eines Unterstützungsvorsatzes kann der Verein nicht durch den Einwand entkräften, er habe von der Zusammenarbeit mit einem Sozialverein, dem Bezüge zur HAMAS nachgesagt werden könnten, schon deshalb nicht absehen müssen, weil auch deutsche und europäische Stellen sowie internationale Organisationen mit von der HAMAS beherrschten Institutionen im Gazastreifen zusammenarbeiteten. Denn die Verwaltungsstellen im Gazastreifen, mit denen staatliche und internationale Stellen allenfalls kooperieren, sind wohl mit HAMAS-Mitgliedern besetzt, jedoch nicht Teil der HAMAS. Demgegenüber unterstützt der Verein als ein keiner öffentlichen Kontrolle unterliegender privater Verein unmittelbar die HAMAS als terroristische Organisation.

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Für Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit auf der Rechtsfolgenseite des Verbotstatbestands des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG hatte das Bundesministerium des Innern keinen Raum. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts6 besteht die Funktion, die eine auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG ergehende Verbotsverfügung zu erfüllen hat, nicht darin, der Verbotsbehörde auf der Rechtsfolgenseite der Norm die Ausübung von Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen. Sie dient vielmehr jedenfalls in der Regel allein dazu, aus Gründen der Rechtssicherheit klarzustellen, dass eine Vereinigung einen oder mehrere Verbotsgründe erfüllt, und durch die entsprechende Feststellung die gesetzlich vorgesehene Sperre für ein Vorgehen gegen den Verein aufzuheben. Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist deshalb bereits auf der Tatbestandsseite der Norm bei der Prüfung Rechnung zu tragen, ob die Voraussetzungen eines Verbotsgrunds vorliegen. Bei dem hier in Rede stehenden Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG bilden die subjektiven Voraussetzungen des Verbotsgrunds den Ansatzpunkt für diese Prüfung.

Der Vorbehalt, den das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich einer Heranziehung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei den Rechtsfolgen eines verwirklichten Verbotstatbestands für Ausnahmefälle gemacht hat7 kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Insbesondere kann ein solcher Ausnahmefall nicht unter Verweis darauf angenommen werden, dass der Verein – nach eigener Einschätzung allein zu humanitären Zwecken – Aktivitäten auch außerhalb der palästinensischen Gebiete in anderen Teilen der Welt entfaltet. Denn es spricht nichts dafür, dass einem Verein, der einen Verbotsgrund erfüllt, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Fortexistenz nur deshalb zu gewährleisten wäre, weil er neben seiner den Verbotsgrund verwirklichenden Tätigkeit noch andere, nicht verbotene Aktivitäten entfaltet. Dies käme im Ergebnis einer Einladung gleich, ein Vereinsverbot durch eine Diversifizierung der Vereinstätigkeiten zu umgehen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. April 2012 – 6 A 2.10

  1. BVerwG, Urteil vom 03.12.2004 – 6 A 10.02, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 = NVwZ 2005, 1435[]
  2. BVerwG, a.a.O. S. 80 ff. bzw. S. 1437 ff.[]
  3. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von einzelnen Abgeordneten und der Fraktion Die Linke, BT-Drucks 17/3129 S. 7[]
  4. vgl. für die Zeit des Verbotserlasses: Nr.2.10. des Anhangs zum Beschluss 2009/1004/GASP des Rates vom 22.12.2009, ABl EU Nr. L 346 S. 58[]
  5. vgl. dazu allgemein: BVerwG, Urteil vom 01.09.2010 a.a.O. Rn. 16, 30[]
  6. BVerwG, Urteil vom 05.08.2009 – 6 A 3.08, BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 87[]
  7. BVerwG, Urteil vom 05.08.2009 a.a.O.[]