Vergütung für Zustellungen durch den Insolvenzverwalter

Ist dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder das Zustellungswesen übertragen, ist diesem für jede Zustellung der Sach- und Personalaufwand zu ersetzen. Die Höhe der Vergütung bemisst sich außerhalb der sonstigen Zuschlagstatbestände durch einen angemessenen Betrag pro Zustellung, der nach dem tatsächlichen Aufwand geschätzt werden kann (Aufgabe von BGH, ZIP 2007, 440 Rn. 18).

Vergütung für Zustellungen durch den Insolvenzverwalter

Hinsichtlich der Übertragung des Zustellungswesens ist zu unterscheiden:

Die sächlichen Kosten, zum Beispiel für Porti und Umschläge, kann der Verwalter neben der allgemeinen Auslagenpauschale in vollem Umfang erstattet verlangen1.

Für die Gewährung eines Zuschlags für den personellen Mehraufwand hat der Bundesgerichtshof bisher vorausgesetzt, dass dieser ins Gewicht gefallen sei2. Er hatte es zunächst abgelehnt, hierfür allgemein einen Grenzwert festzulegen3, dann jedoch angenommen, dass die Grenze regelmäßig bei 100 Zustellungen überschritten werde4. In neueren Entscheidungen hat er demgegenüber betont, dass die maßgebliche Mehrbelastung vom Zuschnitt des jeweiligen Verfahrens, insbesondere von der Zahl der Gläubiger, aber auch von der Höhe der Masse und damit der Regelvergütung abhänge5.

Nach abermaliger Prüfung hält der Bundesgerichtshof für die Übertragung des Zustellungswesens nicht daran fest, dass die Zustellungen beim Insolvenzverwalter oder Treuhänder einen ins Gewicht fallenden Mehraufwand verursacht haben müssen. Der Zuschlag ist vielmehr für alle Zustellungen zu gewähren.

Mit den Zustellungen wird dem Verwalter gemäß § 8 Abs. 3 InsVV eine Aufgabe übertragen, die an sich den Gerichten obliegt, also außerhalb der Regeltätigkeit des Verwalters liegt6. Deshalb kann die Vergütung auch dann, wenn der Aufwand nicht erheblich ist, nicht von der Regelvergütung abgegolten sein, anders als bei unmittelbar im eigentlichen Tätigkeitsbereich des Verwalters oder Treuhänders anfallenden zusätzlichen Aufgaben. Es muss vielmehr uneingeschränkt der Grundsatz gelten, dass der Staat für die Erledigung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben Staatsbürger im Rahmen ihrer Berufstätigkeit nicht ohne angemessene Vergütung in Anspruch nehmen darf7. Dadurch werden auch Abgrenzungsprobleme vermieden, wie sie auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs immer wieder bei der Bemessung eines ins Gewicht fallenden Mehraufwandes aufgetreten sind.

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Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend aufgezeigt hat, könnte der Grenzwert von 100 Zustellungen auf den Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren auch nicht unverändert übertragen werden. Bei ihm ist die Regelvergütung typischerweise erheblich niedriger; sie beträgt 15% der Insolvenzmasse (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsVV). Die Mindestvergütung bei bis zu fünf Gläubigern beträgt 600 € (§ 13 Abs. 1 Satz 3 InsVV) gegenüber 1.000 € beim Insolvenzverwalter (§ 2 Abs. 2 Satz 1 InsVV). Bei, wie hier, neun Gläubigern, die Forderungen zur Tabelle angemeldet haben, beträgt das Verhältnis 750 € (§ 13 Abs. 1 Satz 4 InsVV) zu 1.000 € (§ 1 Abs. 2 Satz 1 InsVV). Dies beruht darauf, dass nach statistischen Erhebungen die Kosten eines Verbraucherinsolvenzverfahrens lediglich 55% bis 61% der Kosten eines Regelinsolvenzverfahrens betragen8. Eine Regelgrenze müsste demgemäß für Treuhänder niedriger ausfallen.

Der Vergleich des bisher in der Rechtsprechung anerkannten sachlichen und persönlichen Aufwands des Verwalters oder Treuhänders für die übertragenen Zustellungen in Fällen der Mindestvergütung zeigt, dass eine Grenze von 100 Zustellungen hier keinesfalls zumutbar ist.

Der Bundesgerichtshof hat bereits früher darauf hingewiesen, dass in der Literatur die Kosten für eine Zustellung mit eigenem Personal mit 2,80 € ermittelt worden sind9, in einem anderen Fall hat er 2,70 € für den Personalaufwand nicht zum Nachteil des Verwalters als unrichtig angesehen10.

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Legt man für Sach- und Personalaufwand zusammen 2,80 € zugrunde, würde dies bei je 100 Zustellungen beim Verwalter 28% der Mindestvergütung aufzehren, beim Treuhänder 47%. Das ist offensichtlich unzumutbar. Folglich müsste die Grenze auch von der Höhe der Mindestvergütung im konkreten Verfahren abhängig gemacht werden. Es könnte etwa daran gedacht werden, die Zumutbarkeitsgrenze bei 5% der Mindestvergütung anzusetzen11. Das würde beim Insolvenzverwalter eine Grenze von 18 Zustellungen, beim Treuhänder eine solche von 11 Zustellungen ergeben, aber einen einheitlichen, der Vereinfachung dienenden Regelgrenzwert unmöglich machen.

Offen bleiben kann damit die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, ob bei Überschreiten des Grenzwertes für jede Zustellung ein Zuschlag für den Personalaufwand zu gewähren ist, oder nur für die den Grenzwert von 100 überschreitenden Zustellungen. Der Bundesgerichtshof ist stets davon ausgegangen, dass bei Überschreitung des anzunehmenden Grenzwertes der Zuschlag anhand aller vorgenommenen Zustellungen zu bemessen ist12. Das beruht darauf, dass bei allen in Betracht kommenden Tatbeständen ein Zuschlag nur dann in Betracht kommt, wenn die Abweichung vom Normalfall eine Erhöhung der Vergütung um 5% rechtfertigt13. Ist diese Bagatellgrenze überschritten, ist der Zuschlag für die Tätigkeit verdient. Dann kann nicht der Teil der Tätigkeit, der nur einen Zuschlag von bis zu 5% gerechtfertigt hätte, unberücksichtigt bleiben. Andernfalls käme es wieder zu Bagatellzuschlägen. Eine solche Kürzung, die bei allen in Betracht kommenden Zuschlägen vorzunehmen wäre, wäre schon wegen der möglichen Kumulation unzumutbar und mit dem System der Zuschläge nicht zu vereinbaren.

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Die Bemessung des Zuschlags für die Übertragung des Zustellungswesens ist deshalb künftig so vorzunehmen, dass für jede aufgrund der Übertragung vorgenommene Zustellung der hierfür erforderliche Personal- und Sachaufwand, die gegebenenfalls zu schätzen sind, getrennt oder gemeinsam in einem Betrag bei der Vergütungsfestsetzung festzulegen sind. Der Bundesgerichtshof hat dies bereits bisher für zulässig erachtet14. Aus Vereinfachungsgründen ist generell so zu verfahren.

Eine Umrechnung in einen Zuschlag nach § 3 InsVV ist nicht vorzunehmen. Die Höhe des Zuschlags wäre hier von der Höhe der Regelvergütung und damit der Berechnungsgrundlage abhängig15. Es ist aber nicht gerechtfertigt, dass die anhand des Zuschlags sich ergebende Vergütung niedriger oder höher liegt als der tatsächliche Aufwand. Dem Gedanken der Querfinanzierung kann bei der Wahrnehmung dieser an sich den Insolvenzgerichten obliegenden Aufgabe keine Bedeutung zukommen. Zustellkosten sind für jedes Verfahren gesondert abzurechnen16.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. März 2013 – IX ZB 209/10

  1. BGH, Beschluss vom 21.12.2006 – IX ZB 129/05, ZIP 2007, 440 Rn. 7 ff, 18; vom 08.03.2012 – IX ZB 162/11, ZIP 2012, 682 Rn. 21[]
  2. BGH, Beschluss vom 22.07.2004 – IX ZB 222/03, ZIP 2004, 1822, 1823; vom 21.12.2006, aaO Rn. 18; vom 08.03.2012, aaO Rn. 22[]
  3. BGH, Beschluss vom 22.07.2004, aaO[]
  4. BGH, Beschluss vom 21.12.2006, aaO Rn. 18[]
  5. BGH, Beschluss vom 08.03.2012, aaO Rn. 23 f[]
  6. BGH, Beschluss vom 21.12.2006, aaO Rn. 17 mwN; vom 08.03.2012, aaO Rn. 24[]
  7. BGH, Beschluss vom 15.01.2004 – IX ZB 96/03, BGHZ 157, 282, 288; vom 21.12.2006, aaO Rn. 17[]
  8. vgl. BGH, Beschluss vom 13.03.2008 – IX ZB 60/05, ZInsO 2008, 555 mit Nachweisen aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Mindestvergütung[]
  9. BGH, Beschluss vom 19.01.2012 – IX ZB 25/11, WM 2012, 331 Rn. 12[]
  10. BGH, Beschluss vom 08.03.2012, aaO Rn. 23[]
  11. vgl. zum Grenzwert BGH, Beschluss vom 11.05.2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 Rn. 24; vom 08.03.2012, aaO Rn. 23[]
  12. vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2006, aaO Rn. 18; vom 08.03.2012, aaO Rn. 22, 24[]
  13. BGH, Beschluss vom 11.05.2006, aaO Rn. 24; vom 08.03.2012, aaO Rn. 23[]
  14. BGH, Beschluss vom 08.03.2012, aaO Rn. 26[]
  15. vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2012, aaO Rn. 24[]
  16. vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2012, aaO Rn. 25[]
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Herausgabevollstreckung durch den Insolvenzverwalter

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