Verjährung bei Wohngeldvorschüssen

Die dreijährige Verjährungsfrist für Ansprüche auf Zahlung von Wohngeldvorschüssen beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem die Vorschüsse fällig sind. Der Beschluss über die Jahresabrechnung führt nicht zu einem Neubeginn der Verjährung.

Verjährung bei Wohngeldvorschüssen

Der Anspruch der Gemeinschaft auf Zahlung der in einem beschlossenen Wirtschaftsplan ausgewiesenen Vorschüsse entsteht zu dem Zeitpunkt, zu dem diese aufgrund des Abrufs durch den Verwalter (§ 28 Abs. 2 WEG) zu leisten sind. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt folglich am Ende des Jahres, in dem der jeweilige Vorschuss fällig war (§ 199 Abs. 1 BGB).

Der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnung führt nicht zu einem Neubeginn der Verjährung für die Vorschussansprüche.

Der Beschluss über die Jahresabrechnung wirkt anspruchsbegründend nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die in dem Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze1). Zahlungsverpflichtungen, die durch frühere Beschlüsse entstanden sind, bleiben hierdurch unberührt. Dies gilt insbesondere für die in dem Wirtschaftsplan des abzurechnenden Jahres beschlossenen und damit nach § 28 Abs. 2 WEG geschuldeten Vorschüsse2 und unabhängig davon, ob zwischenzeitlich ein Eigentümerwechsel stattgefunden hat3.

Grund hierfür ist, dass andernfalls bereits begründete Rechte der Eigentümergemeinschaft hinsichtlich der Vorschussforderungen, etwa auf Verzugszinsen oder aus einer Titulierung, mit dem Beschluss über die Jahresabrechnung hinfällig würden. Außerdem verlöre die Gemeinschaft im Falle der Novation, d.h. einer Aufhebung des Beschlusses über den Wirtschaftsplan und dessen vollständiger Ersetzung durch den Beschluss über die Jahresabrechnung, bei einem zwischenzeitlichen Eigentümerwechsel den gegen den Voreigentümer bestehenden Anspruch auf Zahlung rückständiger Vorschüsse, weil dieser nach seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaft durch einen später gefassten Beschluss nicht gebunden werden kann4.

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Der Beschluss über die Jahresabrechnung führt auch nicht zu einer Verdoppelung des Rechtsgrunds für rückständige Vorschüsse in dem Sinne, dass sie sowohl auf Grund des Beschlusses über den Wirtschaftsplan als auch auf Grund des Beschlusses über die Jahresabrechnung geschuldet wären5.

Im Gesetz ist ein solcher doppelter Rechtsgrund nicht angelegt. Wie § 28 Abs. 2 WEG verdeutlicht, haben die Wohnungseigentümer ihren Beitrag zu den Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 16 Abs. 2 WEG) in erster Linie durch Vorauszahlungen zu erfüllen. Bei diesen handelt es sich nicht um gewöhnliche Abschlagszahlungen, für die charakteristisch ist, dass sie von dem Gläubiger nicht mehr verlangt werden können, sobald eine Berechnung der eigentlichen Forderung vorliegt6 oder jedenfalls möglich ist7. Der Vorschussanspruch nach § 28 Abs. 2 WEG bleibt, wie dargelegt, auch nach dem Beschluss über die Jahresabrechnung und selbst dann unverändert bestehen, wenn es wie hier für das Jahr 2004 zu einer Abrechnung überhaupt nicht kommt. Der besondere Charakter des Vorschussanspruchs nach § 28 Abs. 2 WEG erklärt sich daraus, dass es sich bei den Vorschüssen um das zentrale Finanzierungsinstrument der Wohnungseigentümergemeinschaft handelt; nur die laufenden Vorauszahlungen gewährleisten, dass die für die Bewirtschaftung der Anlage notwendigen Mittel bereitstehen. Die Jahresabrechnung dient demgegenüber nicht der Ermittlung des „eigentlichen“ Beitragsanspruchs, sondern nur der Anpassung der laufend zu erbringenden Vorschüsse an die tatsächlichen Kosten. Anhand der Rechnungslegung des Verwalters über die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben wird der bestehende Beitragsanspruch der Gemeinschaft überprüft und in Form eines Nachzahlungsanspruchs der Gemeinschaft oder Erstattungsanspruchs des Wohnungseigentümers sowie durch Neufestsetzung der Vorschüsse korrigiert8.

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Aus der bestätigenden und rechtsverstärkenden Wirkung, die der Beschluss über die Jahresabrechnung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich offener Vorschussforderungen hat1, folgt kein zusätzlicher Schuldgrund in Form eines Schuldanerkenntnisses oder eines Abrechnungsvertrages entsprechend § 782 BGB. Denn die hierzu notwendige Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, also der Gemeinschaft und dem säumigen Wohnungseigentümer, vermag ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer nicht zu ersetzen. Soweit sich aus den nicht tragenden Erwägungen des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in dessen Entscheidung vom 10. März 19949 etwas anderes ergibt, hat dieser auf Anfrage erklärt, hieran nicht festzuhalten.

Die verstärkende Wirkung des Beschlusses über die Jahresabrechnung besteht lediglich darin, dass der Korrekturvorbehalt, unter dem die Vorschusszahlungen stehen, entfällt. Soweit die anteilig umgelegten tatsächlichen Lasten und Kosten den mit dem Wirtschaftsplan beschlossenen Vorschüssen entsprechen oder sie übersteigen, belegt die Abrechnung, dass die Vorschüsse für die Bewirtschaftung der Anlage erforderlich waren, rückschauend betrachtet also zu Recht festgesetzt worden sind. Das gilt ungeachtet der praktisch unvermeidlichen Abweichungen von den Positionen des Wirtschaftsplans. Insoweit beseitigt die Jahresabrechnung die Unsicherheiten, mit denen ein Wirtschaftsplan naturgemäß behaftet ist und verstärkt so die Berechtigung der Gemeinschaft zur Einziehung der auf diesem Plan gründenden Vorschussansprüche.

Allein das Interesse der Gemeinschaft, aus Gründen der Übersichtlichkeit rückständige Vorschüsse und Abrechnungsspitzen aus der Jahresabrechnung zu einer Forderung zusammenziehen10, rechtfertigt es nicht, den gesetzlichen Beitragsanspruch nach § 28 Abs. 2 WEG auf zweifacher Grundlage entstehen zu lassen. Es ist dem Verwalter zumutbar, rückständige Beiträge eines Wohnungseigentümers nach dem Jahr ihrer Fälligkeit zusammenzufassen (z.B. rückständige Vorschüsse aus dem Jahr 2005 und die rückständige Abrechnungsspitze aus der im Jahr 2005 beschlossenen Jahresabrechnung 2004) und auf dieser Grundlage die gemäß § 199 Abs. 1 BGB einheitlich zum Jahresende beginnende Verjährungsfrist zu überwachen. Zudem erlaubt ihm die Frist von drei Jahren ohne weiteres, rückständige Beiträge aus dem Wirtschaftsplan und der Abrechnung desselben Jahres äußerlich zusammenzuführen und rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen zu veranlassen.

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Schließlich kommt es nicht darauf an, ob die die Klägerin bildenden Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 2005 den Willen hatten, die noch offenen Wohngelder „erneut fällig zu stellen“ und mit etwaigen Abrechnungsspitzen zu einer einheitlichen Forderung zusammenzuziehen. Denn hierfür fehlte ihnen die erforderliche Beschlusskompetenz. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass die Wohnungseigentümer nicht berechtigt sind, eine bereits bestehende Schuld durch Mehrheitsbeschluss erneut zu begründen und auf diese Weise den Lauf der Verjährungsfrist zu beeinflussen11.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Juni 2012 – V ZR 171/11

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 30.11.1995 V ZB 16/95, BGHZ 131, 228, 231 f.; Beschluss vom 23.09.1999 V ZB 17/99, BGHZ 142, 290, 296; Urteil vom 04.12.2009 V ZR 44/09, NJW 2010, 2127, 2128 Rn. 13[][]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 30.11.1995 V ZB 16/95, aaO; Urteil vom 09.03.2012 V ZR 147/11 ZfIR 2012, 365[]
  3. unzutreffend daher: OLG Hamm, NJW-RR 2009, 1388[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2011 V ZR 113/11, NJW-RR 2012, 217, 218 Rn. 9 mwN[]
  5. ebenso Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 28 Rn. 174; Jacoby, ZWE 2011, 61, 63; Schultzky, ZMR 2008, 757, 759; aA OLG Dresden, ZMR 2006, 543; OLG Hamm, NJW-RR 2009, 1388; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 28 Rn. 174; Wenzel, WE 1997, 124, 126; Hauger, Festschrift für Bärmann u. Weitnauer, 353, 361 ff.; ähnlich Bub, ZWE 2011, 193, 195[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 20.08.2009 VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 für Abschlagszahlungen nach § 16 Nr. 1 VOB/B[]
  7. so für Betriebskostenvorauszahlungen des Mieters: BGH, Urteil vom 16.06.2010 VIII ZR 258/09, NJW 2011, 145, 146 Rn. 22[]
  8. vgl. Jacoby, ZWE 2011, 61, 63[]
  9. BGH, Urteil vom 10.03.1994 – IX ZR 98/93, NJW 1994, 1866, 1867[]
  10. vgl. Hauger, Festschrift für Bärmann und Weitnauer, S. 353, 361[]
  11. BGH, Urteil vom 09.03.2012 – V ZR 147/11, ZfIR 2012, 365[]
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