Verjährungsbeginn im VW-Dieselskandal

Es kann nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass die Käufer eines Dieselfahrzeugs aus dem VW-Konzern bereits im Jahr 2015 Kenntnis davon erhielten, dass auch ihr Auto hiervon betroffen ist.

Verjährungsbeginn im VW-Dieselskandal

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall erwarb der klagende Autokäufer im September 2013 einen gebrauchten VW Tiguan, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 (EU5) ausgestattet ist. Der beklagte Fahrzeughersteller erklärte im September 2015 in einer Ad-hoc-Mitteilung, dass bei weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen mit Motoren vom Typ EA189 auffällige Abweichungen zwischen den auf dem Prüfstand gemessenen Emissionswerten und denen im realen Fahrzeugbetrieb festgestellt worden seien. In der Folge trat die Volkswagen AG wiederholt an die Öffentlichkeit; die Medien berichteten umfangreich über das Geschehen. Mit seiner im Jahr 2019 eingereichten Klage verlangt der Autokäufer, nachdem er seine Ansprüche zuvor zum Klageregister der Musterfeststellungsklage an- und wieder abgemeldet hatte, Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Zahlung von Wertersatz maximal in Höhe des erzielten Erlöses für das zwischenzeitlich weiterveräußerte Fahrzeug. Die Volkswagen AG hat u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Dessau-Roßlau hat die Klage abgewiesen1, das Oberlandesgericht Naumburg die Berufung des Autokäufers zurückgewiesen2, weil die Ansprüche des Autokäufers aufgrund der erst im Jahr 2019 erhobenen Klage verjährt seien. Der Bundesgerichtshof hat nun das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Naumburg zurückgegeben:

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Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen lässt sich dem Autokäufer keine – den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist im Jahr 2015 auslösende – grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB vorwerfen. Das Oberlandesgericht Naumburg hat es versäumt festzustellen, ob der Autokäufer allgemein vom sogenannten Dieselskandal Kenntnis erlangt hatte. Eine solche Feststellung mag angesichts der umfangreichen Berichterstattung zwar naheliegen, ist aber Sache des Tatrichters.

Der von der Volkswagen AG erhobenen Einrede der Verjährung steht darüber hinaus eine Hemmung der Verjährung durch die Anmeldung des entsprechenden klägerischen Anspruchs zum Klageregister der Musterfeststellungsklage entgegen. Die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB tritt im Falle eines wirksam angemeldeten Anspruchs grundsätzlich bereits mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und nicht erst mit wirksamer Anmeldung des Anspruchs zu deren Register ein, auch wenn die Anspruchsanmeldung selbst erst im Jahr 2019 und damit nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgt sein sollte.

Dem Autokäufer ist es auch nicht allein deshalb nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf diesen Hemmungstatbestand zu berufen, weil er seinen Anspruch ausschließlich zum Zweck der Verjährungshemmung zum Klageregister angemeldet hatte.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Juli 2021 – VI ZR 1118/20

  1. LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 27.03.2020 – 4 O 367/19[]
  2. OLG Naumburg, Urteil vom 25.06.2020 – 8 U 34/20[]
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