Es widerspricht dem Schutzzweck des Rechtsinstituts der Verjährung, den Beginn der Verjährungsfrist an eine Leistungsaufforderung des Gläubigers zu knüpfen, da es dieser dann in der Hand hätte, den Verjährungsbeginn und die Notwendigkeit verjährungshemmender Maßnahmen weitgehend beliebig hinauszuzögern (Bestätigung des Senatsurteils vom 29. Januar 2008 – XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 24).

Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen voraus. Es ist nicht erforderlich, dass der Anspruchsberechtigte aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Kenntnis liegt damit vor, wenn dem Forderungsinhaber die Erhebung einer Klage, sei es auch nur in der Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist 1.
Rechtsunkenntnis kann allerdings ausnahmsweise bei zweifelhafter oder unübersichtlicher Rechtslage den Verjährungsbeginn hinausschieben 2. Ob eine für den Beginn der Verjährung hinreichende Kenntnis vorhanden ist, ist zwar im Wesentlichen eine Tatfrage, wird aber auch durch den der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegenden Begriff der Zumutbarkeit der Klageerhebung geprägt 3.
Nach diesen Grundsätzen waren im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall mit Ablauf der vom Kläger für die Nachbesserung gesetzten Frist die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfüllt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs war es dem Kläger nicht unzumutbar, binnen der nachfolgenden drei Kalenderjahre die Verjährung hemmende Maßnahmen zu ergreifen.
Es trifft zwar zu, dass bis zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2008 4 umstritten war, ob der Anspruch aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft mit Fälligkeit der gesicherten Forderung oder erst nach einer zusätzlichen Leistungsaufforderung des Gläubigers entsteht. Dasselbe gilt, wie oben näher dargestellt, für die hier entschiedene Frage, ob eine Bürgschaft, die einen auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruch nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B sichert, erst mit dessen Geltendmachung entsteht. Jedoch war es dem Kläger wegen dieser Rechtsunsicherheit nicht unzumutbar, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die die Verjährung gehemmt hätten. Anders als in Fällen, in denen die umstrittene Rechtsfrage die Person des richtigen Anspruchsgegners 5 oder das Bestehen eines Anspruchs betrifft 6, musste der Kläger nicht zwischen sich gegenseitig ausschließenden Wegen der Rechtsverfolgung wählen und war damit auch nicht zwangsläufig mit einem – möglicherweise unzumutbaren – Kostenrisiko belastet. Denn aus Sicht des Klägers war nach dem Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur lediglich unsicher, ob er die Verjährung hemmende Maßnahmen bereits innerhalb von drei auf die Fristsetzung zur Nachbesserung folgenden Kalenderjahren ergreifen musste oder den Beginn der Verjährungsfrist dadurch hinausschieben konnte, dass er von einer – bezifferten – Geltendmachung seiner Ansprüche zunächst absah. In jedem Fall stand ihm danach der Weg offen, in den ersten drei Kalenderjahren nach Fristsetzung durch Inanspruchnahme der Beklagten als Bürgin eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen. Dass ihm dies aus besonderen Gründen unzumutbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
Dass ein Oberlandesgericht 7 in einer vergleichbaren Fallgestaltung die vorsorglich von einem Auftraggeber gegen den Gewährleistungsbürgen erhobene Feststellungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnis abgewiesen hat, beruht auf dem hinzunehmenden allgemeinen Risiko, dass die Rechtslage in den Tatsacheninstanzen unterschiedlich gesehen wird 8. Ohnehin hätte der Kläger die Hemmung der Verjährung ebenso durch eine Klage gegen die Bürgin auf Vorschuss für die Ersatzvornahme zur Mangelbeseitigung oder auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten herbeiführen können.
Nach Ablauf der Frist zur Nachbesserung stand für den Kläger nicht infrage, dass er die Verjährung seiner Bürgschaftsansprüche jedenfalls durch Klageerhebung in den ersten drei Kalenderjahren nach Fristsetzung zur Mangelbeseitigung hemmen konnte. Wenn der Kläger diesen unabhängig vom vorliegenden Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur eröffneten Weg nicht einschlägt, um vermeintliche andere Rechte zu wahren oder wirtschaftliche Vorteile zu nutzen, so hindert dies den Verjährungsbeginn nicht 9.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. September 2012 – XI ZR 56/11
- BGH, Urteile vom 06.05.1993 – III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 324 f., vom 02.04.1998 – III ZR 309/96, BGHZ 138, 247, 252, vom 11.01.2007 – III ZR 302/05, BGHZ 170, 260 Rn. 28, vom 03.06.2008 – XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 27 und vom 23.09.2008 – XI ZR 262/07, WM 2008, 2155 Rn. 15[↩]
- BGH, Urteile vom 25.02.1999 – IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975, vom 14.07.2010 – IV ZR 208/09, WM 2010, 1708 Rn.20, vom 23.09.2008 – XI ZR 262/07, WM 2008, 2155 Rn. 15 und vom 15.06.2010 – XI ZR 309/09, WM 2010, 1399 Rn. 12[↩]
- BGH, Urteile vom 06.05.1993 – III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 326, vom 02.04.1998 – III ZR 309/96, BGHZ 138, 247, 253, vom 23.09.2008 – XI ZR 262/07, WM 2008, 2155 Rn. 17 und vom 15.06.2010 – XI ZR 309/09, WM 2010, 1399 Rn. 13[↩]
- BGH, Urteil vom 29.01.2008 – XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 22 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 25.02.1999 – IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975; vgl. dazu auch Bitter/Alles, NJW 2011, 2081, 2083 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 23.09.2008 – XI ZR 262/07, WM 2008, 2155 Rn.19 und vom 07.12.2010 – XI ZR 348/09, NJW 2011, 1278 Rn. 21[↩]
- OLG Köln, WM 2006, 1248, 1249 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.12.2008 – III ZR 132/08, WM 2009, 566 Rn. 14[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2009 – XI ZR 504/07, WM 2009, 506 Rn. 49[↩]