Wird die Verjährung durch Zustellung einer Streitverkündungsschrift gehemmt und wendet sich die unterlegene Partei mit einer Anhörungsrüge gegen das rechtskräftige Endurteil dieses Rechtsstreits, so wird der Verjährungseintritt gegenüber dem Streitverkündeten durch die Dauer des Rügeverfahrens nicht weiter hinausgeschoben.

Nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB endet die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die sechsmonatige Frist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach einhelliger Auslegung mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft1, sofern das Verfahren nicht ohne eine formeller Rechtskraft fähige Entscheidung beendet wird.
Bei den Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen, die den Eintritt der formellen Rechtskraft nach § 705 Satz 2 und § 544 Abs. 5 Satz 1 ZPO hemmen, ist die Anhörungsrüge nicht genannt. Sie kann nach § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO vielmehr erst dann erhoben werden, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die gerügte Entscheidung nicht gegeben ist. Die Anhörungsrüge einer Partei hemmt deshalb die Rechtskraft der gerügten Entscheidung nicht. Erst bei begründeter Rüge wird die Hauptsache ähnlich einer Wiedereinsetzung oder Wiederaufnahme des Verfahrens fortgesetzt und daher die Rechtskraft der ergangenen Entscheidung durchbrochen2. Durch die Fortsetzung der Hauptsache erneuert sich auch die Hemmung einer noch laufenden Verjährungsfrist. Keine Hemmungswirkung entfaltet demgegenüber das vorausgegangene Rügeverfahren3.
Diese Folge entspricht der Wirkungsweise einer Urteilsverfassungsbeschwerde, als deren Vorverfahren bei Rüge einer Gehörsverletzung das Abhilfeverfahren des § 321a ZPO dient4. Erst wenn die Verfassungsbeschwerde zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt und der Prozess im Rechtsweg weiter geht, setzt auch hier die Hemmung einer noch laufenden Verjährungsfrist erneut ein. Deshalb war anerkannt, dass das Verfahren der Verfassungsbeschwerde selbst eine laufende Verjährungsfrist nach § 209 BGB aF nicht unterbrach5. Zur Dauer der Verjährungsunterbrechung nach Streitverkündung gemäß § 215 Abs. 1 BGB aF und Beginn der in § 215 Abs. 2 BGB aF bestimmten Sechsmonatsfrist hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden, dass es auf die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde oder eines Antrags auf Wiederaufnahme nicht ankomme6.
Diese Auffassung ist richtig. Sie entspricht dem Gesetzeswortlaut und trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass weder eine Verfassungsbeschwerde noch eine Anhörungsrüge nach § 321a Abs. 3 ZPO wie ein Rechtsmittel zwingend dem Gegner zugestellt werden. Die verjährungsrechtliche Unbeachtlichkeit der Anhörungsrüge ist insbesondere für den Fall der Streitverkündung und die Dauer der hierdurch bewirkten Verjährungshemmung auch interessengerecht, weil die Interventionswirkung der § 74 Abs. 1, § 68 ZPO gegen den Streitverkündeten durch eine Anhörungsrüge im Ursprungsprozess oder eine Verfassungsbeschwerde gegen das dort ergangene Urteil nicht gehindert wird. Der Klagepartei, die einem Dritten den Streit verkündet hat, ist es folglich zuzumuten, den Folgeprozess gegen diesen alsbald einzuleiten, wenn der Ursprungsprozess rechtskräftig entschieden ist, ohne in jedem Fall schon das Ergebnis von Grundrechtsrügen gegen die ergangene Entscheidung zu kennen, welche deren Rechtskraft nicht hemmen.
Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 10. Mai 2012 – IX ZR 143/11
- so auch BGH, Urteil vom 15.01.2009 – I ZR 164/06, TranspR 2009, 132 Rn. 21[↩]
- BGH, Beschluss vom 24.02.2005 – III ZR 263/04, NJW 2005, 1432 unter c im Anschluss an die Gesetzesmaterialien[↩]
- aA, jedoch ohne Begründung, Staudinger/Peters/Jacoby, BGB 2009, § 204 Rn. 144[↩]
- vgl. zur Verfassungsbeschwerde BVerfG, NJW 1996, 1736[↩]
- BAGE 103, 290, 293 f unter B. I.03.[↩]
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.03.2003 – 16 U 159/02[↩]