Die Erhebung einer unzulässigen Teilwiderklage mit dem Hauptfeststellungsantrag hemmt die Verjährung, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbständige prozessuale Ansprüche geltend gemacht werden, muss angegeben werden, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge sie zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen1. Andernfalls ergeben sich unüberwindliche Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Streitgegenstandes und damit zusammenhängend auch bei der Bestimmung der materiellen Rechtskraft und der Verjährungsunterbrechung.
Vor dem Schuldrechtsrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.20012 war es ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 209 Abs. 1 BGB a.F., dass die Bestimmung des eingeklagten Teils von mehreren mit der Klage geltend gemachten Ansprüchen bei einer offenen Teilleistungsklage sogar noch im Revisionsrechtszug nachgeholt werden konnte und dies auf die Unterbrechung der Verjährung durch die Erhebung der (unbestimmten) Teilklage „zurückwirkte“. Die wahlweise geltend gemachten Ansprüche sollten jeweils in Höhe des eingeklagten Teilbetrages zunächst auflösend bedingt rechtshängig gemacht worden und mit der Zuordnung dann die Bedingung eingetreten sein3. Entsprechend wurde für einen Mahnbescheid entschieden, dem mehrere Teilansprüche zugrunde lagen, deren Summe über der geltend gemachten Gesamtforderung lag4.
Für die Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) durch Zustellung eines Mahnbescheids hat der Bundesgerichtshof dagegen entschieden, dass jedenfalls bei der Geltendmachung eines Teils von mehreren Einzelforderungen eine nachträgliche Individualisierung des Klageanspruchs nach Widerspruch zwar die Zulässigkeit der Klage herbeiführen könne, für die Verjährung aber keine Rückwirkung habe5. Für eine Unterscheidung zwischen der Nachholung der fehlenden Aufteilung der Einzelforderungen und der Heilung sonstiger Individualisierungsmängel bestehe kein sachlicher Grund. Ohne ausreichende Individualisierung der Einzelforderungen und genaue Aufteilung des geforderten Teilbetrages könne weder auf der Grundlage des Mahnbescheides ein der materiellen Rechtskraft fähiger Vollstreckungstitel ergehen noch werde dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch ganz oder teilweise zur Wehr setzen wolle. Demgegenüber sei der Gläubiger, der sich die Vorteile des Mahnverfahrens zunutze machen wolle, ohne weiteres zu einer ausreichenden Individualisierung in der Lage. Dem ist der IX. Zivilsenat für den ähnlichen Fall einer nicht hinreichend individualisierten Forderung, die zur Insolvenztabelle angemeldet wird, gefolgt6. Diese Rechtsprechung soll sich aber nur auf die Aufschlüsselung mehrerer Einzelforderungen, nicht auf die nachträgliche Individualisierung von mehreren Rechnungsposten einer einheitlichen Forderung beziehen7.
An der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bereits die Erhebung einer Teilklage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe den geltend gemachten Teil übersteigt, die Verjährung aller Teilansprüche hemmt und die Bestimmung, bis zu welcher Höhe bzw. in welcher Reihenfolge die einzelnen Teilansprüche verfolgt werden, nachgeholt werden kann, also „zurückwirkt“, ist festzuhalten8 und sie ist auch auf die hier vorliegende Teilfeststellungsklage anzuwenden. Die abweichende Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Mahnbescheidsantrag bzw. diejenige des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren beruht auf den Besonderheiten der jeweiligen Verfahren.
Dass ohne ausreichende Individualisierung der Einzelforderungen und genaue Aufteilung des geforderten Teilbetrages auf der Grundlage des Mahnbescheides kein der materiellen Rechtskraft fähiger Vollstreckungstitel ergehen können soll, betrifft nur das Mahnverfahren, aber nicht das Klageverfahren. Der Vollstreckungsbescheid, für den der Mahnbescheid die Grundlage ist, enthält keine weitere Individualisierung. Bei der Klage muss spätestens das Urteil als Vollstreckungstitel eine Individualisierung durch die Urteilsgründe enthalten. Das gilt auch für die Zuordnung von Teilansprüchen. Lediglich wenn der Kläger eine Aufschlüsselung bis zum Urteil nicht nachholt, erwächst ein Sachurteil nicht in materielle Rechtskraft9. Diese Nachholung der Aufschlüsselung ist im Mahnverfahren nicht möglich. Entsprechendes gilt für die wie ein Urteil wirkende Feststellung der Forderung durch Eintragung in die Tabelle (§ 178 Abs. 3 InsO).
Auch dass eine Individualisierung des Mahnbescheids durch Aufschlüsselung erforderlich sein soll, um dem Schuldner eine Beurteilung zu ermöglichen, ob er sich gegen den Anspruch ganz oder teilweise zur Wehr setzen will, betrifft nur das Mahnverfahren. Trotz des Fehlens einer Aufteilung ist es dem Schuldner bei einer Klage möglich zu entscheiden, ob er sich gegen den Anspruch ganz oder teilweise zur Wehr setzen will. Die geltend gemachten Ansprüche müssen in der Klageschrift jedenfalls im Sachverhalt dargestellt sein. Der Kläger kann selbst beurteilen, gegen welche Ansprüche er sich verteidigen will, und die fehlende Aufschlüsselung rügen.
Die Veränderungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geben keinen Grund für eine Änderung der Rechtsprechung. Die Rechtslage hat sich nach der Neuregelung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht geändert. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungshemmung durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung, hier durch die Erhebung einer Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), sind gegenüber den bisherigen Voraussetzungen für den Eintritt der Verjährungsunterbrechung durch dieselbe Maßnahme (§ 209 Abs. 1 BGB aF) gleich geblieben10.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Mai 2014 – II ZR 258/13
- BGH, Urteil vom 15.12 1952 – III ZR 102/52, LM Nr. 7 zu § 253 ZPO; Urteil vom 30.04.1955 – VI ZR 87/54, LM Nr. 11 zu § 253 ZPO; Urteil vom 22.04.1958 – VI ZR 74/57, NJW 1958, 1590; Urteil vom 16.06.1959 – V ZR 156/58, LM Nr. 24 zu § 253 ZPO; Urteil vom 22.05.1984 – VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346, 2347[↩]
- BGBl. I S. 3138[↩]
- BGH, Urteil vom 03.12 1953 – III ZR 66/52 , BGHZ 11, 192, 195; Urteil vom 13.07.1959 – III ZR 27/58, NJW 1959, 1819 f.; Urteil vom 22.05.1967 – II ZR 87/65, NJW 1967, 2210 f.; Urteil vom 22.05.1984 – VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346, 2347 f.; Urteil vom 19.11.1987 – VII ZR 189/86, NJW-RR 1988, 692, 693; Urteil vom 03.04.1996 – VIII ZR 315/94, NJW-RR 1996, 885, 886; Urteil vom 18.07.2000 – X ZR 62/98, NJW 2000, 3492, 3494[↩]
- BGH, Urteil vom 03.04.1996 – VIII ZR 315/94, NJW-RR 1996, 885, 886; Urteil vom 17.10.2000 – XI ZR 312/99, NJW 2001, 305, 306 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 21.10.2008 – XI ZR 466/07, WM 2009, 420 Rn.20 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 21.02.2013 – IX ZR 92/12, ZIP 2013, 680 Rn. 30 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2010 – VIII ZR 211/09, NJW 2011, 613 Rn. 14; Urteil vom 13.05.2011 – V ZR 49/10 15 ff.; Urteil vom 10.10.2013 – VII ZR 155/11, NJW 2013, 3509 Rn. 15[↩]
- ebenso Henrich in Bamberger/Roth, BGB, § 204 Rn. 18; Schmidt-Räntsch in Erman, BGB, 13. Aufl., § 204 Rn. 9; Kesseler in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 8. Aufl., § 204 Rn. 6; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb.2009, § 204 Rn. 16; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., § 253 Rn. 114; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 253 Rn. 15; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl., § 253 Rn. 28; aA Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 204 Rn. 16; MünchKomm- BGB/Grothe, 6. Aufl., § 204 Rn. 23; Lakkis in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 204 Rn. 22[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.05.1984 – VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346, 2347 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2011 – V ZR 49/10 13[↩]