Verjährungshemmung – und die Klagezustellung „demnächst“

Im Rahmen der Prüfung der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 167 ZPO ist bei der Beurteilung der Frage, ob die dem Kläger zuzurechnende Verzögerung der Zustellung der Klageschrift noch als geringfügig anzusehen ist, auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat1.

Verjährungshemmung – und die Klagezustellung „demnächst“

Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen sind regelmäßig geringfügig und deshalb hinzunehmen.

Die Zustellung einer Klage erfolgt noch „demnächst“, wenn der Kläger innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Gerichtskostenanforderung und Ablauf einer angemessenen Erledigungsfrist einen Prozesskostenhilfeantrag stellt, sofern sich nach Zugang der Vorschussrechnung ergibt, dass eine zunächst zuverlässig zugesagte Prozessfinanzierung durch einen Dritten nicht zustande kommt.

Ob eine Zustellung „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung „demnächst“ nach Eingang des Antrags oder der Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr „demnächst“ erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat2. Hat der Veranlasser die Zustellung nicht vorwerfbar verzögert oder fällt ihm nur eine geringfügige Verzögerung zur Last, überwiegen regelmäßig seine Interessen gegenüber den Belangen des Zustellungsadressaten3. Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen sind regelmäßig „geringfügig“ und deshalb hinzunehmen. Das Merkmal „demnächst“ wird dadurch nicht in Frage gestellt4.

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Es ist allgemein anerkannt, dass der Kläger den Gerichtskostenvorschuss nach § 12 Abs. 1 GKG nicht von sich aus mit der Klage einzuzahlen braucht. Er kann vielmehr die Anforderung durch das Gericht abwarten5. Von einer auf die Wahrung ihrer prozessualen Obliegenheiten bedachten Partei kann auch nicht verlangt werden, an Wochenend- und Feiertagen für die Einzahlung des Kostenvorschusses Rechnung zu tragen6. Angesichts der beträchtlichen Höhe des angeforderten Vorschusses (5.718 €) war dem Kläger im Streitfall eine Erledigungsfrist von mehreren Tagen zur Bereitstellung und Einzahlung des Betrags zuzubilligen7. Erst für die Zeit danach kann von einer dem Kläger zuzurechnenden Verzögerung gesprochen werden. Denn bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert8. Dies bedeutet, dass die noch hinnehmbare Verzögerung von 14 Tagen sich nicht nach der Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse beurteilt, sondern danach, um wie viele Tage sich die Zustellung der Klage infolge nachlässigen Verhaltens des Klägers verzögert hat9.

Geht man im Streitfall davon aus, dass die Vorschussrechnung dem Prozessbevollmächtigten des Klägers, wie dieser mit Schriftsatz vom 02.12 2013 vorgetragen hat, am 6.01.2012 (Freitag) zugegangen ist, hätte der Kläger frühestens am 9.01.2012 (Montag) tätig werden müssen, da die Rechnung an diesem Tag an ihn weitergeleitet worden ist. Ihm war sodann eine angemessene Erledigungsfrist zuzubilligen. Nachdem der Zeuge S. schließlich am 20.01.2012 mitgeteilt hatte, zu einer Bezahlung des Vorschusses aus wirtschaftlichen Gründen nicht (mehr) in der Lage zu sein, hat der Kläger am 23.01.2012 – also noch innerhalb des vierzehntägigen Toleranzrahmens nach Zugang der Kostenrechnung bei ihm und Ablauf der Erledigungsfrist – einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag eingereicht. Damit hatte er alles ihm Zumutbare getan, um eine alsbaldige Zustellung der Klageschrift an die Beklagte im Sinne von § 167 ZPO zu ermöglichen. Der anschließende Zeitablauf lag in der Sphäre des Gerichts und ist ihm nicht zuzurechnen10.

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Die vorstehenden Ausführungen zur Wahrung des 14-Tage-Zeitraums gelten erst recht, wenn man davon ausgeht, dass die Vorschussanforderung dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9.01.2012 zugegangen ist, wie dieser mit nachgelassenem Schriftsatz vom 06.01.2014 behauptet hat.

Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf die für die Durchführung des Prozesskostenhilfeverfahren erforderliche Zeit dem Kläger als vorwerfbare Verzögerung zurechnen will11, kann dem nicht gefolgt werden. Darauf, ob das Verfahren nach Stellung eines ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeantrags länger gedauert hat als bei einer Vorschusseinzahlung, kommt es nicht an. Die nähere Prüfung des Prozesskostenhilfegesuchs und die Anhörung des Gegners nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 ZPO stellen im Bewilligungsverfahren angelegte Verzögerungen dar, die der Möglichkeit einer (späteren) Zustellung „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO nicht entgegenstehen. Deshalb hemmt die Einreichung der Klageschrift auch in diesem Fall rückwirkend die Verjährung, wenn die Klage nur unverzüglich nach der vom Kläger nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird12. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Prozesskostenhilfeverfahren weist keine (dem Kläger zuzurechnenden) Verzögerungen auf. Über das ordnungsgemäße Prozesskostenhilfegesuch vom 23.01.2012 hat das Landgericht – nach Anhörung der Beklagten – zeitnah mit Beschluss vom 28.02.2012 entschieden. Es kam auch anschließend zu keiner dem Kläger vorwerfbaren Verfahrensverzögerung. Nach Zustellung des Bewilligungsbeschlusses am 1.03.2012 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 07.03.2012 mitgeteilt, die ursprünglichen Anträge weiterverfolgen zu wollen. Am 9.03.2012 hat das Landgericht die Zustellung der Klageschrift verfügt. Die Zustellung selbst ist am 16.03.2012 erfolgt.

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Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf kann dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, es unterlassen zu haben, unter Hinweis auf die drohende Verjährung eine zeitnahe Veranlassung der Bekanntgabe des Prozesskostenhilfegesuchs erbeten zu haben. Dieser Gesichtspunkt spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Zum einen ist das Prozesskostenhilfeverfahren – wie ausgeführt – zügig betrieben worden. Zum anderen ist ein Hinweis auf die drohende Verjährung nur im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB erforderlich, da bei diesem Hemmungstatbestand die auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung bezogene Rückwirkung voraussetzt, dass die Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe „demnächst“ nach der Einreichung des Antrags veranlasst wird13. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verkennt, dass diese Vorschrift im konkreten Fall nicht einschlägig ist, weil das Prozesskostenhilfegesuch erst nach Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht worden ist und damit von vornherein keine Hemmung der Verjährung mehr herbeiführen konnte, diese vielmehr bereits durch die Einreichung der Klage und deren demnächst erfolgte Zustellung bewirkt wurde. Im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist ein Hinweis auf die drohende Verjährung entbehrlich, weil die Klageschrift – anders als das Prozesskostenhilfegesuch – gemäß § 270 Satz 1, § 271 Abs. 1 ZPO unverzüglich zuzustellen ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. September 2015 – III ZR 66/14

  1. im Anschluss an BGH, Urteile vom 10.02.2011 – VII ZR 185/07, NJW 2011, 1227; und vom 10.07.2015 – V ZR 154/14, NJW 2015, 2666[]
  2. BGH, Beschlüsse vom 30.11.2006 – III ZB 22/06, BGHZ 170, 108 Rn. 6; und vom 28.02.2008 – III ZB 76/07, BGH 175, 360 Rn. 11, jeweils mwN; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2006 – I4 U 225/05 16; s. auch BVerfG, NJW 2010, 3083 Rn. 14; Hk-ZPO/Eichele, ZPO, 6. Aufl., § 167 Rn. 6; MünchKomm-ZPO/Häublein, 4. Aufl., § 167 Rn. 9 f; Musielak/Voit/Wittschier, ZPO, 12. Aufl., § 167 Rn. 6; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 167 Rn. 10[]
  3. MünchKomm-ZPO/Häublein aaO[]
  4. BGH, Beschluss vom 28.02.2008 aaO; BGH, Urteile vom 10.02.2011 – VII ZR 185/07, NJW 2011, 1227 Rn. 8; und vom 10.07.2015 – V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rn. 5, jeweils mwN[]
  5. z.B. BGH, Urteil vom 18.11.2004 – IX ZR 229/03, NJW 2005, 291, 292; Beschlüsse vom 13.09.2012 – IX ZB 143/11, NJW-RR 2012, 1397 Rn. 10; und vom 10.07.2013 – IV ZR 88/11, VersR 2014, 1457 Rn. 14; MünchKomm-ZPO/Häublein aaO § 167 Rn. 11; Musielak/Voit/Wittschier aaO § 167 Rn. 10; Prütting/Gehrlein/Tombrink, ZPO, 7. Aufl., § 167 Rn. 15; Zöller/Greger aaO § 167 Rn.15, jeweils mwN[]
  6. BGH, Urteil vom 10.07.2015 aaO Rn. 9[]
  7. vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2006 aaO Rn. 17[]
  8. BGH, Urteil vom 10.02.2011 aaO Rn. 8 mwN[]
  9. BGH, Urteil vom 10.07.2015 aaO unter ausdrücklicher Aufgabe abweichender früherer Rechtsprechung, wonach der 14-Tage-Zeitraum ab Eingang der Vorschussanforderung zu berechnen war, vgl. Urteil vom 30.03.2012 – V ZR 148/11, ZMR 2012, 643 f[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2014 – III ZR 559/13, NJW-RR 2015, 125 Rn. 16[]
  11. OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.01.2014 – I21 U 34/13[]
  12. vgl. BGH, Beschluss vom 30.11.2006 – III ZB 22/06, BGHZ 170, 108 Rn. 7, 9; Musielak/Voit/Wittschier aaO § 167 Rn. 10; Zöller/Greger aaO § 167 Rn. 15[]
  13. BVerfG, NJW 2010, 3083 Rn. 14 ff[]
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Gläubigerwechsel - und der kenntnisabhängige Verjährungsbeginn