Verjährungshemmung und die Untätigkeit der Parteien im Prozess

Eine Untätigkeit der Parteien führt dann nicht zum Stillstand des Verfahrens im Sinne des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB und folglich auch nicht zum Ende der Verjährungshemmung, wenn die Verfahrensleitung beim Gericht liegt, das für den Fortgang des Prozesses Sorge zu tragen hat1. Stellt der Kläger einer Stufenklage einen Terminsantrag (in der dritten Stufe), mit dem er einen nicht bezifferten Zahlungsantrag und einen Schadensersatzfeststellungsantrag ankündigt, so ist es grundsätzlich Sache des Gerichts und nicht des Klägers, für den Fortgang des Prozesses Sorge zu tragen.

Verjährungshemmung und die Untätigkeit der Parteien im Prozess

Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. endet die nach § 204 Abs. 1 BGB n.F. eingetretene Verjährungshemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt eine Untätigkeit der Parteien dann nicht zum Stillstand des Verfahrens im Sinne des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F., wenn die Verfahrensleitung beim Gericht liegt, das für den Fortgang des Prozesses Sorge zu tragen hat2. Der diesbezüglichen Pflicht, für den Fortgang des Prozesses Sorge zu tragen, kommt das Gericht insbesondere durch die Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nach. Insofern enthält die Zivilprozessordnung die allgemeine Regel, dass Termine unverzüglich von Amts wegen zu bestimmen sind (§ 216 Abs. 2 ZPO). Von einer Terminsbestimmung kann das Gericht allerdings absehen, wenn sich die Parteien als Herren des Verfahrens damit einverstanden erklären. Soweit es um die – Voraussetzungen von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. (§ 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.) geht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses vom Gericht auf den Kläger übergeht, wenn das Gericht mit dessen ausdrücklich oder konkludent erklärtem Einverständnis von einer Terminsbestimmung auf unbestimmte Zeit absieht3. Dann ist es Sache des Klägers, dafür Sorge zu tragen, dass seine Ansprüche nicht verjähren, indem er sich um einen Fortgang des Prozesses bemüht, z.B. durch einen Antrag auf Terminsbestimmung.

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Nach diesen Grundsätzen war es Sache des Landgerichts und nicht des Klägers, für den Fortgang des Prozesses Sorge zu tragen.

Das Landgericht hat die Parteien mit Verfügung vom 02.11.2004 darauf hingewiesen, Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung werde erst auf Antrag einer der Parteien bestimmt. Als Reaktion hierauf hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20.12.2004 ausdrücklich um das Verfahren weiter zu betreiben und allen Aspekten des neuen Verjährungsrechts zu entsprechen Terminsantrag in der dritten Stufe gestellt, wobei er einen nicht bezifferten Zahlungsantrag, einen Schadensersatzfeststellungsantrag sowie einen Hilfsantrag angekündigt hat. Mit Verfügung vom 25.04.2005 hat das Landgericht den Parteien mitgeteilt, neuer Termin solle erst nach Abschluss des Zwangsmittelverfahrens bestimmt werden. Sodann hat es mit Verfügung vom 25.10.2005 die Akten wegen sechsmonatigen Nichtbetreibens des Verfahrens weggelegt.

Danach lag die Verfahrensleitung weiterhin beim Landgericht. Die Mitteilung, neuer Termin solle erst nach Abschluss des Zwangsmittelverfahrens bestimmt werden, reicht zum Übergang der Prozessförderungspflicht vom Gericht auf die Parteien nicht aus. Die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses ist nicht dadurch auf den Kläger übergegangen, dass er auf die gerichtliche Verfügung vom 25.04.2005 zunächst geschwiegen hat. In diesem Schweigen kann kein konkludent erklärtes Einverständnis damit gesehen werden, dass eine Förderung des Prozesses von einer weiteren über den bereits im Schriftsatz vom 20.12.2004 enthaltenen Terminsantrag hinausgehenden Erklärung des Klägers abhängen sollte. In diesem Schriftsatz hat der Kläger vorsorglich Terminsantrag gestellt, um das Verfahren weiter zu betreiben und allen Aspekten des neuen Verjährungsrechts zu entsprechen. Bei dieser Lage ist es nicht gerechtfertigt, dem genannten Schweigen des Klägers einen konkludenten Erklärungswert mit gegenteiligem Inhalt beizumessen. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall signifikant von demjenigen, der dem BGH-Urteil vom 27.01.20054 zugrunde lag. In diesem Fall schwieg die dortige Klägerin auf einen Vergleichsvorschlag der dortigen Beklagten, der mit der Bitte verbunden war, nicht zu terminieren. Hier hingegen hat der Kläger ausdrücklich einen Terminsantrag gestellt, um das Verfahren weiter zu betreiben.

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Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass es der Kläger außergewöhnlich und unverständlich lang versäumt hätte, das Gericht an die Fortsetzung des Prozesses zu erinnern. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich davon abgesehen, die durch Rechtshängigkeit herbeigeführte Verjährungsunterbrechung (jetzt: Verjährungshemmung) enden zu lassen, wenn eine Partei das Gericht nicht an die Fortsetzung des Prozesses erinnert5. Die Bestimmung des Zeitpunkts, in welchem die Verjährungshemmung enden würde, weil eine Partei das Gericht nicht an die Fortsetzung des Prozesses erinnert, würde zu erheblichen Schwierigkeiten und Rechtsunsicherheit führen6. Aus dem bloßen Zeitablauf zwischen den Terminsanträgen in den Schriftsätzen des Klägers vom 20.12.2004 und 8.05.2009 lässt sich nicht entnehmen, dass eine weitere Förderung des Prozesses vom Kläger abhängen sollte. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass das Abwarten eines Klägers auf das pflichtgemäße Tätigwerden des Gerichts auch über einen Zeitraum von mehreren Jahren dazu grundsätzlich nicht ausreicht7.

Es kann auch nicht deshalb von einem Ende der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BGB n.F. ausgegangen werden, weil der Kläger im Schriftsatz vom 20.12.2004, mit dem er Terminsantrag in der dritten Stufe gestellt hat, keinen bezifferten Zahlungsantrag angekündigt hat.

Zwar ist anerkannt, dass im Fall einer Stufenklage ein vom Kläger zu vertretender Stillstand des Verfahrens eintreten kann, wenn der Kläger nach Erledigung der vorangegangenen Stufe den auf Zahlung gerichteten Leistungsantrag nicht weiterverfolgt8. Das Gericht hat dann keine Veranlassung, von sich aus Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen. Vielmehr ist es zunächst Sache des Klägers, einen solchen Antrag weiter zu verfolgen. Das Gericht darf und muss eine Anregung des Klägers zur Fortsetzung des Prozesses abwarten. Ein solcher Fall der Nichtverfolgung des auf Zahlung gerichteten Leistungsantrags nach Auskunftserteilung liegt hier jedoch nicht vor. Im Schriftsatz vom 20.12.2004 hat der Kläger unter Konkretisierung seiner Anträge Terminsantrag in der dritten Stufe gestellt. Auch wenn er den angekündigten Zahlungsantrag dabei nicht beziffert, sondern die Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Betrages nebst Zinsen begehrt hat, hat er gleichwohl mit diesem Schriftsatz unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er den auf Zahlung gerichteten Leistungsantrag weiterverfolgen wollte. Bei dieser Lage musste das Gericht keine weitere Anregung des Klägers zur Fortsetzung des Prozesses abwarten, sondern war gehalten, für den Fortgang des Prozesses Sorge zu tragen.

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Da die Prozessförderungspflicht nicht vom Gericht auf die Parteien übergegangen ist, trat kein Stillstand des Verfahrens im Sinne des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. ein. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die kurze (neue) Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB n.F. für die streitgegenständlichen Ansprüche vom 01.01.2002 an zu berechnen ist. Da zu diesem Zeitpunkt die Stufenklage bereits erhoben war, wurde die kurze Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. von Beginn an gehemmt. Diese Hemmung endete nicht gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB n.F., so dass eine Verjährung der zuletzt noch geltend gemachten Ansprüche insgesamt nicht eingetreten ist.

Bundesgerichtshofs, Urteil vom 7. Februar 2013 – VII ZR 263/11

  1. Anschluss an BGH, Urteil vom 27.01.2005 – VII ZR 238/03, BauR 2005, 868, 869 m.w.N.[]
  2. vgl. BGH, Urteile vom 19.09.1978 – VI ZR 141/77, VersR 1978, 1142, 1143; vom 21.02.1983 – VIII ZR 4/82, NJW 1983, 2496; vom 12.10.1999 – VI ZR 19/99, NJW 2000, 132, 133; vom 27.01.2005 – VII ZR 238/03, BauR 2005, 868, 869, jeweils zu § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F., der Vorgängervorschrift von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl., § 204 Rn. 77[]
  3. vgl. BGH, Urteile vom 27.01.2005 – VII ZR 238/03, BauR 2005, 868, 869; vom 21.02.1983 – VIII ZR 4/82, NJW 1983, 2496, 2497[]
  4. BGH, Urteil vom 27.01.2005 – VII ZR 238/03, BauR 2005, 868, 869[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 10.07.1979 – VI ZR 81/78, NJW 1979, 2307, 2308 unter Bezugnahme auf Motive I, S. 333, zitiert bei Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band I, S. 535[]
  6. vgl. Motive I, S. 333, zitiert bei Mugdan, aaO[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 10.07.1979 – VI ZR 81/78, NJW 1979, 2307, 2308[]
  8. BAG, NJW 1986, 2527 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 22.03.2006 – IV ZR 93/05, NJW-RR 2006, 948 Rn. 14; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl., § 204 Rn. 78 a.E.[]
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