Verjährungshemmung – und die Zustellung „demnächst“

Der Begriff „demnächst“ in § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB entspricht demjenigen in § 167 ZPO. Er beschreibt keinen festgelegten oder festzulegenden Zeitraum. Vielmehr ist im Einzelfall zu würdigen, ob der Gläubiger alles Erforderliche und Zumutbare für eine Zustellung (in § 167 ZPO) oder die Veranlassung der Bekanntgabe (in § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) getan hat und ob der Rückwirkung schützenswerte Belange des Schuldners entgegenstehen1.

Verjährungshemmung – und die Zustellung „demnächst“

Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs dürfen dem Gläubiger nicht zum Nachteil gereichen, da er auf diesen keinen Einfluss hat.

Hingegen sind dem Gläubiger Verzögerungen zuzurechnen, die er bei gewissenhafter Vorbereitung des Antrags hätte vermeiden können, wobei es nicht darauf ankommt, ob ihm insoweit Vorsatz oder Fahrlässigkeit, sei es auch nur leichte Fahrlässigkeit, zur Last fällt2.

Geringfügige Verzögerungen von bis zu 14 Tagen, gerechnet vom Tage des Ablaufs der Verjährungsfrist an, bleiben außer Betracht3.

Die Verzögerung, die infolge der vom Kläger mitgeteilten unrichtigen Anschrift eingetreten ist, war nicht nur geringfügig. Die Verjährungsfrist endete mit Ablauf des 31.12 2011. Das Gericht hat jedoch erst am 9.02.2012, also mehr als einen Monat ab Fristablauf, die Bekanntgabe des Antrags an die richtige Anschrift der Beklagten verfügt.

Der Kläger hätte die eingetretene Verzögerung vermeiden können, indem er den Antrag mit der zutreffenden Anschrift der Beklagten versah.Die Angabe einer unrichtigen Anschrift allein lässt den Schluss auf ein fahrlässiges Verhalten des Gläubigers allerdings nicht zu. Fahrlässigkeit kann erst dann bejaht werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Wohnungswechsel des Schuldners bestehen. Ohne jedes konkrete Anzeichen eines Wohnungswechsels des Anspruchsgegners ist der Gläubiger nicht verpflichtet, vor Einreichung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe beim zuständigen Einwohnermeldeamt die ihm bekannte Anschrift des Anspruchsgegners überprüfen zu lassen4.

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Vorliegend bestanden nach dem festgestellten und revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt derartige konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger verwandte Anschrift nicht mehr zutraf. Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei bis Mitte 2007 Arbeitnehmerin der Schuldnerin gewesen; ihre Anschrift habe er den dazu gehörenden Unterlagen entnommen. Mit einer Änderung der Anschrift habe er schon deshalb nicht zu rechnen brauchen, weil er noch im Jahre 2008 ein Schreiben an diese Anschrift versandt habe, welches nicht zurückgekommen sei. Der Kläger wusste jedoch, dass die Beklagte die Ehefrau des Geschäftsführers der Schuldnerin war. Als solche hatte er sie in Anspruch genommen. Die Anschrift … war zugleich diejenige des Geschäftsführers des Schuldners. Der Ehemann der Beklagten hatte den Kläger am 10.02.2009 wegen einer Versicherungsangelegenheit angeschrieben und dabei die Anschrift … angegeben. Mit Email vom 19.08.2010 hatte er sich erneut an den Kläger gewandt und gebeten, die betreffenden Unterlagen an die Anschrift … zu übersenden. Hierbei handelt es sich um diejenige Anschrift, die der Kläger dem Gericht am 8.02.2012 mitgeteilt hat. Der Schluss darauf, dass die Beklagte gemeinsam mit ihrem Ehemann umgezogen war, mag nicht zwingend sein. Das ist jedoch auch nicht erforderlich. Die mitgeteilten Anschriften boten jedenfalls Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht mehr an derjenigen Anschrift wohnte, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegolten hatte, sei es, dass die Eheleute gemeinsam umgezogen waren, sei es, dass die Beklagte als Folge einer Trennung einen separaten Wohnsitz begründet hatte. Ein sorgfältig handelnder Gläubiger hätte dies zum Anlass genommen, rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist zu prüfen, ob die in den alten Unterlagen befindliche Anschrift der Beklagten noch zutraf. Dann wäre die eingetretene Verzögerung vermieden worden. Bereits leichte Fahrlässigkeit des Gläubigers schließt mit Rücksicht auf die berechtigten Interessen des Forderungsschuldners, Klarheit darüber zu erlangen, ob die gegen ihn gerichtete Forderung nun verjährt ist, die Annahme einer demnächst erfolgten Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags auf Prozesskostenhilfe aus5.

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Verjährungshemmung durch PKH -Antrag – und die fehlerhafte Anschrift des Beklagten

  1. vgl. BGH, Urteil vom 27.05.1999 – VII ZR 24/98, MDR 1999, 1016, 1017[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1988 – IVb ZR 92/87, FamRZ 1988, 1154 f zu § 270 Abs. 3 ZPO aF[]
  3. BGH, Urteil vom 08.06.1988, aaO; vom 22.06.1993 – VI ZR 190/92, NJW 1993, 2614 f; vom 27.05.1999, aaO; vom 10.07.2015 – V ZR 154/14, MDT 2015, 1028 Rn. 5; jeweils zu § 270 Abs. 3 ZPO aF oder § 167 ZPO[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 22.06.1993, aaO[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1988 – IVb ZR 92/87, FamRZ 1988, 1554 f[]

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