Zu den Voraussetzungen eines Anerkenntnisses im Sinne von § 208 BGB a.F. bzw. § 212 Abs. 1 Nr. 1 n.F. hat jetzt der Bundesgerichtshof Stellung genommen:

Nach § 214 Abs. 1 BGB ist der Schuldner nach Eintritt der Verjährung berechtigt, die Leistung zu verweigern. Es bedarf bei der Frage, ob ein verjährungsunterbrechendes bzw. erneuerndes Anerkenntnis nach § 208 BGB a.F. bzw. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. vorliegt, stets einer umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls, das heißt grundsätzlich einer Prüfung der einzelnen – möglichen – „Anerkennungshandlungen“ des Schuldners.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt für eine Verjährungsunterbrechung durch Anerkenntnis jedes – auch ein rein tatsächliches – Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs – wenigstens dem Grunde nach – unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen wird [1]. Ein solches tatsächliches Anerkenntnis ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schädiger oder der auch insoweit für ihn handelnde Haftpflichtversicherer dem Geschädigten bzw. dessen Rechtsnachfolger auf Verlangen Schadensersatzleistungen erbringt [2]. Denn nach dem Wortlaut des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung insbesondere dann erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung anerkennt.
Ob eine Erklärung des Schuldners die Voraussetzungen eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses im Sinne des § 208 BGB a.F. bzw. des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. erfüllt, ist als Frage der tatrichterlichen Auslegung im Einzelfall revisionsrechtlich nur beschränkt auf die Verletzung von Auslegungsregeln, Denkgesetzen, Erfahrungssätzen und Verfahrensvorschriften überprüfbar [3].
Bei der Auslegung eines Schreibens der Schuldner, in dem diese (befristet) auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichten, darf die Vorkorrespondenz der Parteien nicht unberücksichtigt gelassen werden [4].
So hatte in dem hier entschiedenen Fall die Schuldnerin, nachdem sie bereits zuvor auf die Einrede der Verjährung bis zum 31.12 1997 verzichtet hatte, auf eine erneute Bitte der Rechtsvorgängerin der Klägerin um einen weiteren Einredeverzicht in einem Antwortschreiben vom 15.05.1997 erklärt, durch ihre vorangegangene letzte Zahlung sei die Verjährung für die nächsten drei Jahre unterbrochen, weshalb davon abgesehen werden könne, über einen längeren Zeitraum auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Mit der Erklärung, für einen Zeitraum von 11 ½ Jahren auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, kam die Schuldnerin zudem einem Verlangen der Gläubigerin nach einem unbefristeten Verzicht entgegen. Unter diesen Umständen durfte das Gericht nicht ohne weiteres davon ausgehen, die weitere vorbehaltlose Zahlung vom September 2010 wegen des bis zum 31.12 2010 befristeten Verjährungseinredeverzichts der Beklagten vom 12.07.1999 könne mangels eines Vertrauenstatbestandes nicht als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB verstanden werden.
Die Frage, ob die vorbehaltlose Zahlung vom 03.09.2010 als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB den Lauf der Verjährungsfrist über den 31.12 2010 hinaus bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 26.02.2013 verlängert hat, ist allerdings nur dann erheblich, wenn die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt dieser Zahlung noch nicht abgelaufen war. Denn ein Anerkenntnis kann mit verjährungsunterbrechender Wirkung (§ 208 BGB a.F., § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.) nur innerhalb einer noch laufenden Verjährungsfrist abgegeben werden [5]. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist jedoch nicht zu entnehmen, ob die Zahlung vom 03.09.2010 innerhalb einer noch laufenden Verjährungsfrist erfolgt ist. Wäre die Verjährung zum Zeitpunkt der Zahlung vom 03.09.2010 bereits eingetreten gewesen, wäre die Beklagte nach Ablauf des befristeten Einredeverzichts ab dem 1.01.2011 berechtigt, die Einrede der Verjährung zu erheben.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Januar 2015 – VI ZR 87/14
- vgl. etwa BGH, Urteile vom 02.12 2008 – VI ZR 312/07, VersR 2009, 230 Rn. 22; und vom 28.02.1969 – VI ZR 250/67, VersR 1969, 567 mwN; BGH, Urteil vom 20.06.2002 – IX ZR 444/00, VersR 2003, 251 Rn. 13; vom 21.11.1996 – IX ZR 159/95, NJW 1997, 516, 517 mwN; vom 27.01.1999 – XII ZR 113/97, NJW 1999, 1101, 1103[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.12 2008 – VI ZR 312/07, aaO mwN[↩]
- vgl. BGHZ 131, 136, 138; BGH, Urteil vom 02.12 2008 – VI ZR 312/07, aaO; BGH, Urteile vom 20.06.2002 – IX ZR 444/00; vom 14.06.2000 – VIII ZR 73/99, NJW 2000, 3130, 3131 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 20.06.2002 – IX ZR 444/00, aaO; und vom 14.01.1993 – IX ZR 76/92, NJW 1993, 1325, 1326[↩]
- vgl. RGZ 78, 130, 131; BGH, Beschluss vom 07.05.2014 – XII ZB 141/13, aaO Rn. 15; BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 159/95, NJW 1997, 516, 517; vom 09.10.1986 – I ZR 158/84, WRP 1987, 169; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Bearb.2014, § 212 Rn. 32; Erman/Schmidt/Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Aufl., § 212 Rn. 9 mwN[↩]