Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung im Bauprozess

Zu der Reichweite der Verjährungsunterbrechung aufgrund einer Streitverkündung in einem Bauprozess hat jetzt der Bundesgerichtshof Stellug genommen:

Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung im Bauprozess

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wird der Umfang der verjährungsunterbrechenden Wirkung der Streitverkündung nicht durch den Streitgegenstand im Vorprozess begrenzt.

Die Wirkung der erklärten Streitverkündung richtet sich im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall noch nach § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB aF (Art. 229 § 12 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Danach unterbricht die Streitverkündung die Verjährung, wenn der Anspruch vom Ausgang des Prozesses, in dem der Streit verkündet wird, abhängt. Nach § 215 Abs. 2 Satz 1 BGB aF gilt die Unterbrechung als nicht erfolgt, wenn nicht binnen sechs Monaten nach Beendigung dieses Prozesses Klage auf Befriedigung oder Feststellung des Anspruchs erhoben wird. Der Umfang der verjährungsunterbrechenden Wirkung der Streitverkündung beschränkt sich hierbei nicht auf die mit der Urteilsformel ausgesprochene Entscheidung über den erhobenen Anspruch; sie ergreift vielmehr die gesamten tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Urteils. Dies ist im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass der Streitverkündungsempfänger durch die Streitverkündungsschrift und den mit ihr angekündigten Anspruch im Hinblick auf eine notwendige Rechtsverteidigung hinreichend gewarnt ist. Diese Wirkung tritt hingegen nicht ein, wenn der im Folgeprozess verfolgte Anspruch sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht in keiner Weise von dem Ausgang des Vorprozesses abhängig ist1. Daher spielt es für die Reichweite der Wirkung der Streitverkündung grundsätzlich keine Rolle, ob in dem Verfahren, in dem die Streitverkündung erfolgt, nur ein Teil des Schadens, welcher der Streitverkündungsschrift zugrunde liegt, eingeklagt worden ist2. Eine Eingrenzung auf den im Verfahren verfolgten Streitgegenstand, welcher sich durch die mit dem Klagantrag begehrte Rechtsfolge sowie den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt3, erweist sich mithin als zu eng.

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Die Unterbrechungswirkung wird gegenständlich durch das Erfordernis der Zulässigkeit der Streitverkündung und den Inhalt der Streitverkündungsschrift begrenzt4.

Nach der Vorschrift des § 72 Abs. 1 ZPO ist eine Streitverkündung dann zulässig, wenn die Partei für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt. Die Streitverkündung soll den Streitverkünder davor bewahren, die wegen der materiell-rechtlichen Verknüpfung der gegen verschiedene Schuldner gerichteten Ansprüche notwendigen Prozesse alle zu verlieren, obgleich er zumindest einen dieser Prozesse hätte gewinnen müssen5.

Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben, weil der vom Kläger verfolgte Ersatzanspruch gegen seinen Architekten Planungsfehler voraussetzte, die zu den gegen den Kläger gerichteten Gewährleistungsansprüchen der Eigentümergemeinschaft sowie der Erwerber der Eigentumswohnungen geführt haben.

Gemäß § 73 Satz 1 ZPO hat die Partei zum Zwecke der Streitverkündung einen Schriftsatz einzureichen, in dem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben ist. Damit ist das Rechtsverhältnis gemeint, aus dem sich der Rückgriffsanspruch gegen den Dritten oder dessen Anspruch gegen den Streitverkündenden ergeben soll. Dieses Rechtsverhältnis ist unter Angabe der tatsächlichen Grundlagen so genau zu bezeichnen, dass der Streitverkündungsempfänger – gegebenenfalls nach Einsicht in die Prozessakten6 – prüfen kann, ob es für ihn angebracht ist, dem Rechtsstreit beizutreten7. Dies soll sicherstellen, dass der Streitverkündungsempfänger mit Zustellung der Streitverkündungsschrift Kenntnis davon erlangt, welchen Anspruchs sich der Streitverkündende gegen ihn berühmt. Fehlen die erforderlichen Mindestangaben, wird die Verjährung nicht unterbrochen oder gehemmt8. Die Streitverkündungsschrift genügt den Konkretisierungserfordernissen, wenn in ihr der Anspruchsgrund in ausreichendem Maße bezeichnet wird. Sie braucht den ihr zugrunde liegenden Anspruch nicht bereits auch der Höhe nach zu konkretisieren9.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Dezember 2011 – IX ZR 204/09

  1. BGH, Urteil vom 18.12.1961 – III ZR 181/60, BGHZ 36, 212, 215; vom 21.02.2002 – IX ZR 127/00, WM 2002, 1078, 1080; vom 11.02.2009 – XII ZR 114/06, BGHZ 179, 361 Rn. 38; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 74 Rn. 8[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2002, aaO S. 1080 f[]
  3. vgl. hierzu BGH, Urteil vom 05.11.2009 – IX ZR 239/07, BGHZ 183, 77 Rn. 10 mwN[]
  4. BGH, Urteil vom 18.12.1961, aaO S. 214; vom 21.02.2002, aaO S. 1081; ferner zu § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB: BGH, Urteil vom 06.12.2007 – IX ZR 143/06, BGHZ 175, 1 Rn. 22 ff; vom 11.02.2009, aaO Rn. 31[]
  5. BGH, Urteil vom 28.10.1988 – V ZR 14/87, NJW 1989, 521, 522; vom 06.12.2007, aaO Rn. 16; vom 16.09.2010 – IX ZR 203/08, NJW 2010, 3576 Rn.20[]
  6. § 299 ZPO[]
  7. BGH, Urteil vom 14.10.1975 – VI ZR 226/74, NJW 1976, 292, 293; vom 21.02.2002, aaO; vom 06.12.2007, aaO Rn. 28; Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 73 Rn. 2[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2000 – LwZR 13/99, WM 2000, 1764, 1765; vom 06.12.2007, aaO Rn. 28[]
  9. BGH, Urteil vom 21.02.2002, aaO S. 1081; Beschluss vom 04.12.2008 – IX ZR 166/07, Rn. 4, nv[]
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