Das sog. Quotenvorrecht des Beamten gegenüber dem Beihilfeträger ist durch die zum 1.01.2009 eingeführte Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung über den von der Beihilfe nicht abgedeckten Anteil (§ 193 Abs. 3 VVG) nicht entfallen1.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall wurde der beihilfeberechtigte Versorgungsempfänger des klagenden Landes Nordrhein-Westfalen am 30.09.2017 bei einem Verkehrsunfall verletzt. Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist als Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zu zwei Dritteln einstandspflichtig. Die Kosten für die Heilbehandlung des Geschädigten beliefen sich auf insgesamt 4.634,38 €. Hierauf zahlte deDienstherr als Beihilfeträger eine Beihilfe in Höhe von 3.223,04 €. Die Kfz-Haftpflichtversicherung erstattete dem Dienstherrn 1.699,42 € und befriedigte darüber hinaus Ansprüche des privaten Krankenversicherers des Geschädigten. DeDienstherr begehrt aus übergegangenem Recht (§ 81 LBG NRW) die Zahlung weiterer 449,28 € (zwei Drittel von 3.223,04 € abzüglich bereits erstatteter 1.699,42 €). Die Kfz-Haftpflichtversicherung lehnt dies mit Hinweis auf das – hier auf den privaten Krankenversicherer übergegangene – Quotenvorrecht des Beihilfeberechtigten und die auf dieser Grundlage an den Krankenversicherer geleisteten Zahlungen ab.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Kassel -Zweigstelle Hofgeismar- hat die Klage abgewiesen2. Die vom Amtsgericht zugelassene Berufung des Dienstherren blieb vor dem Landgericht Kassel ohne Erfolg3. Nach Auffassung des Landgerichts Kassel besteht ein Quotenvorrecht des Beamten auch dann, wenn für den von der Beihilfe nicht gedeckten Teil eine private Krankenversicherung besteht und die Krankenkasse insoweit eintrittspflichtig ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs4 sei auch durch die Einführung einer Versicherungspflicht des Beihilfeberechtigten über den von der Beihilfe nicht gedeckten Teil nicht überholt. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis der Rechtsprechung von einer Regelung des Quotenvorrechts zugunsten des Dienstherren (oder einer Gesamtgläubigerschaft mit der Krankenversicherung) abgesehen. Auf die Frage, ob im Einzelfall ein Nachteil für den Beamten verbleibe, komme es nicht an. Die vom Landgericht zugelassene Revision des Dienstherren wies der Bundesgerichtshof nun ebenfalls als unbegründet zurück; dem Dienstherrn steht gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung kein weiterer Zahlungsanspruch aus übergegangenem Recht (§ 7 StVG, § 81 LBG NRW) zu.
Der Bundesgerichtshof hat bereits durch Urteil vom 09.11.19565 in Abkehr von der Rechtsprechung des Reichsgerichts6 und den in einer eigenen früheren Entscheidung7 angestellten Erwägungen entschieden, dass sich der Übergang des Schadensersatzanspruchs zugunsten eines öffentlichen Versorgungsträgers nicht zum Nachteil des Beamten oder der Hinterbliebenen auswirken darf, wenn der Schädiger nur einen Teil des entstandenen Schadens zu ersetzen hat. Nur der Teil des Schadensersatzanspruchs, der nach Deckung des Schadens verbleibe, gehe auf den Versorgungsträger über. Hieran hat der Bundesgerichtshof seither in ständiger Rechtsprechung festgehalten8. Im Ergebnis kann in den Fällen, in denen einem Beamten (bzw. dessen Hinterbliebenen) trotz der aus Anlass des Schadensereignisses erbrachten Leistungen des Dienstherrn ein Schaden verblieben ist, der Schädiger (bzw. dessen Haftpflichtversicherer) aber nur für einen Teil des entstandenen Schadens aufkommen muss, der Beamte (bzw. dessen Hinterbliebene) mit Vorrang vor dem Dienstherrn, der wegen seiner Leistungen aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche geltend macht, seinen Restschaden aus der Haftungsquote des Schädigers (bzw. dessen Haftpflichtversicherers) liquidieren (sog. Quotenvorrecht des Beamten)9.
Begründet hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung maßgeblich mit der gesteigerten Fürsorge- und Alimentationspflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten. Auch lasse sich der gesetzlichen Vorgabe (hier: § 81 Satz 3 LBG NRW), wonach der Übergang des Schadensersatzanspruchs auf den Dienstherrn nicht zum Nachteil der Verletzten oder der Hinterbliebenen geltend gemacht werden könne, der Rechtsgedanke entnehmen, dass im Konfliktfall der Dienstherr zurückzutreten habe10.
Der Vorrang des Beamten gegenüber dem Anspruch des Dienstherrn auf vorrangige Befriedigung bestehe im Konfliktfall der nur anteiligen Haftung des Schädigers auch dann, wenn der dem Beamten nach der Leistung seines Dienstherrn noch verbliebene Restschaden durch einen Anspruch des Beamten aus einem privaten Krankenversicherungsvertrag ausgeglichen werde. Denn der Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages stehe – nach damals geltender Rechtslage – im freien Belieben des Beamten und erfolge nicht zur Entlastung des Beihilfeträgers. Ob der Beamte den von der Beihilfe nicht gedeckten Rest auf eigene Kosten durch eine private Krankenversicherung abdecken, gegebenenfalls diese in Anspruch nehmen oder auf eigenes Risiko gegen den Schädiger vorgehen wolle, bleibe ihm überlassen. Die Zuerkennung eines Quotenvorrechts des Beamten könne aber nicht von einer solchen Zufälligkeit in der privaten Lebensgestaltung des Beamten abhängen. Daraus folge, dass jedem Beamten unabhängig von seiner konkreten Bedürftigkeit generell ein Quotenvorrecht zuzuerkennen sei11.
Die gesetzlichen Regelungen des Beamtenrechts enthielten für den Fall des Abschlusses einer privaten Krankenversicherung keine Ausnahme. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon abgesehen, ein Quotenvorrecht des Dienstherrn allgemein oder für den Fall einer ergänzenden privaten Krankenversicherung des Beamten (etwa als Eintritt des Versorgungsträgers in das dem geschädigten Beamten gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 VVG gegenüber seinem privaten Krankenversicherer zustehende Quotenvorrecht) anzuordnen12.
An dieser Rechtsprechung hält der Bundesgerichtshof im Ergebnis weiterhin fest. Entgegen der Auffassung der Revision ist das sog. Quotenvorrecht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn nicht durch die zum 1.01.2009 eingeführte Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung über den von der Beihilfe nicht abgedeckten Anteil (§ 193 Abs. 3 VVG) überholt.
Zwar ist durch die seither bestehende Versicherungspflicht des Beamten dem Argument des Bundesgerichtshofs der Boden entzogen, der Abschluss einer privaten Krankenversicherung stehe im freien Belieben des Beamten, weshalb hiervon die Interpretation des gesetzlichen und damit abstraktgenerell zu bestimmenden Anspruchsübergangs auf den Dienstherrn nicht abhängen könne13. Doch behalten die hinter diesem Argument stehenden inhaltlichen Erwägungen des Bundesgerichtshofs ihre Gültigkeit. Denn auch bei grundsätzlich bestehender Versicherungspflicht steht die konkrete Ausgestaltung des privaten Versicherungsschutzes etwa in den Bereichen der Vereinbarung eines Selbstbehalts (vgl. § 193 Abs. 3 VVG) und des Umfangs der vom privaten Versicherungsschutz abgedeckten Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben weiterhin im freien Belieben des Beamten. Auch bleibt es dem Beamten weiterhin unbenommen, auf die Inanspruchnahme seines Krankenversicherers zu verzichten und direkt den Schädiger in Anspruch zu nehmen; dies kann je nach den Umständen des Einzelfalles etwa bei der vertraglichen Vereinbarung von Gratifikationen in Gestalt von Schadensfreiheitsrabatten und Beitragsrückerstattungen im Fall der Nichtinanspruchnahme aus Sicht des geschädigten Beamten durchaus wirtschaftlich vernünftig sein. Auch in Ansehung der seit dem Jahr 2009 bestehenden Versicherungspflicht ist die Frage eines beim Beamten verbleibenden Restschadens daher letztlich nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten. Hiervon kann die abstraktgenerelle Interpretation des Anspruchsübergangs auf den Dienstherrn (hier: nach § 81 LBG NRW) jedoch weiterhin nicht abhängen.
Dem (Bundes- oder jeweiligen Landes-)Gesetzgeber hätte es freigestanden, in Reaktion auf die Einführung der Versicherungspflicht gemäß § 193 Abs. 3 VVG auch die Regelungen zum Anspruchsübergang auf den Dienstherrn abzuändern. Hierzu hätte, wenn dies gewollt gewesen wäre, angesichts der wie oben aufgezeigt seit dem Jahr 1956 und damit seit nahezu sieben Jahrzehnten bestehenden ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Quotenvorrecht des Beamten gegenüber dem Dienstherrn Anlass bestanden, zumal auch die weitaus überwiegende Meinung in der Literatur von der Fortgeltung des Quotenvorrechts ausgeht14.
Auch die in § 116 Abs. 3 SGB X für den Bereich der Sozialversicherungsträger getroffene Regelung eines der Haftungsquote relativ entsprechenden Anspruchsübergangs spricht nicht für, sondern im Umkehrschluss gegen die Übertragung dieses Modells auf das Verhältnis des beihilfeberechtigten Beamten zu seinem Dienstherrn15. Denn für den Bereich der Beamten und Versorgungsempfänger hat der Gesetzgeber in Kenntnis von der Rechtsprechung zum Quotenvorrecht des Beamten von einer solchen Regelung gerade abgesehen. Der Bundesgerichtshof hat denn auch bereits mit Urteil vom 14.02.198916 entschieden, dass die – damals neue – Regelung des § 116 Abs. 3 SGB X am Quotenvorrecht des Beamten „nichts geändert hat“.
Dem Bundesgerichtshof ist bewusst, dass damit, wie auch der Streitfall zeigt, im Konfliktfall wirtschaftlich regelmäßig der private Krankenversicherer vom Quotenvorrecht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn profitiert. Zwar steht dem geschädigten Beamten auch gegenüber seinem privaten Krankenversicherer ein Quotenvorrecht zu, § 86 Abs. 1 Satz 2 VVG (sog. doppeltes Quotenvorrecht). Doch erfolgt der Forderungsübergang auf den Krankenversicherer nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG (unter Berücksichtigung des versicherungsrechtlichen Quotenvorrechts) erst mit der jeweiligen Versicherungsleistung, während sich der Forderungsübergang auf den Dienstherrn nach § 81 LBG NRW (unter Berücksichtigung des beihilferechtlichen Quotenvorrechts) grundsätzlich bereits mit dem Schadensereignis vollzieht17. Der Anspruch des Dienstherrn ist damit im Konfliktfall von vornherein um die Eigenhaftungsquote des geschädigten Beamten gemindert und wird auch bei späterer Ersatzleistung durch den privaten Krankenversicherer nicht mehr rückwirkend erhöht. Demgegenüber kommt das im Verhältnis zum Krankenversicherer bestehende Quotenvorrecht des geschädigten Versicherungsnehmers erst dann zum Tragen, wenn ein Teil des kongruenten Schadens auch unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts des Beamten gegenüber dessen Dienstherrn noch nicht gedeckt ist. Der – zwangsläufig erst nach dem Schadensereignis eintretende – Krankenversicherer nimmt auf diese Weise am Quotenvorrecht des Beamten gegen dessen Dienstherrn teil18. Ein Ausgleich zwischen privatem Krankenversicherer und Beihilfeträger erfolgt insoweit auch nicht über die Regeln der Gesamtgläubigerschaft, § 430 BGB. Denn Beihilfeträger und privater Krankenversicherer sind jeweils nur Inhaber eines bestimmten Teils des dem Geschädigten zustehenden Schadensersatzanspruchs. Im Verhältnis zum Schädiger sind sie damit nur Teilgläubiger, nicht aber Gesamtgläubiger19.
Doch sieht sich der Bundesgerichtshof auch angesichts dieser Vorteilsverschiebung an einem anderen Verständnis gehindert, nachdem der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung weiterhin davon abgesehen hat, das Quotenvorrecht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn allgemein oder zumindest für den Fall der Deckung des verbleibenden Schadens durch die private Krankenversicherung des Beamten zu modifizieren, etwa durch einen Eintritt des Beihilfeträgers in das dem geschädigten Beamten gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 VVG gegenüber seinem privaten Krankenversicherer zustehende Quotenvorrecht20.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2022 – VI ZR 377/21
- Fortführung BGH, Urteile vom 30.09.1997 – VI ZR 335/96, NJW-RR 1998, 237; vom 10.02.1998 – VI ZR 139/97, NJW-RR 1998, 1103[↩]
- AG Kassel, Urteil vom 24.04.2020 – 40 C 166/19[↩]
- LG Kassel, Urteil vom 11.11.2021 – 1 S 102/20[↩]
- BGH, Urteil vom 30.09.1997 – VI ZR 335/96, NJW-RR 1998, 237[↩]
- BGH, Urteil vom 09.11.20956 – VI ZR 196/55, BGHZ 22, 136[↩]
- RGZ 160, 253, 254; 171, 193, 198[↩]
- BGH, Urteil vom 17.03.1954 – VI ZR 162/52, BGHZ 13, 28, 32 11[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 13.06.1967 – VI ZR 8/66, VersR 1967, 902; vom 14.02.1989 – VI ZR 244/88, BGHZ 106, 381, 386 f. 21; vom 30.09.1997 – VI ZR 335/96, NJW-RR 1998, 237 9; vom 10.02.1998 – VI ZR 139/97, NJW-RR 1998, 1103 9[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.02.1998 – VI ZR 139/97, NJW-RR 1998, 1103[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 09.11.1956 – VI ZR 196/55, BGHZ 22, 136 4 ff.; vom 10.02.1998 – VI ZR 139/97, NJW-RR 1998, 1103 10[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 30.09.1997 – VI ZR 335/96, NJW-RR 1998, 237 13; vom 10.02.1998 – VI ZR 139/97, NJW-RR 1998, 1103 11, 13[↩]
- BGH, Urteil vom 30.09.1997 – VI ZR 335/96, NJW-RR 1998, 237 13[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10.02.1998 – VI ZR 139/97, NJW-RR 1998, 1103 13[↩]
- vgl. Burth in BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1.08.2022, BBG § 76 Rn. 15; Ebert in Erman, BGB, 16. Aufl., vor § 249 Rn. 169; Grüneberg in ders., BGB, 81. Aufl., vor § 249 Rn. 86; Jahnke in Jahnke/Burmann, Handbuch Personenschadensrecht, 2. Aufl., Kap. 6 Rn. 4018 f., 4347; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 13. Aufl., Rn. 748; Schneider in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 17. Aufl., § 40 Rn. 75 f.; Zwickel in Greger/Zwickel, Haftung im Straßenverkehr, 6. Aufl., Rz. 37.20; aA Hoppe, ZBR 2017, 409, 411 f.[↩]
- aA Plagemann, NZV 1993, 178, 180 f.; Plagemann/Haidn in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 30 Rn. 167[↩]
- BGH, Urteil vom 14.02.1989 – VI ZR 244/88, BGHZ 106, 381, 386 21[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.10.1983 – VI ZR 44/82, NJW 1984, 607 12 ff.[↩]
- vgl. Jahnke in Jahnke/Burmann, Handbuch Personenschadensrecht, 2. Aufl., Rn. 4027[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.02.1989 – VI ZR 244/88, BGHZ 106, 381, 388 f. 29 f.; Schneider in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 17. Aufl., Kap. 36 Rn. 430, Kap. 40 Rn. 76[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1997 – VI ZR 335/96, NJW-RR 1998, 237 13[↩]
Bildnachweis:
- Verkehrsunfall: Valter Cirillo