Ein Prozessbevollmächtigter darf mit der Bewilligung einer erstmals beantragten Ver-längerung der Berufungsbegründungsfrist rechnen, wenn er zur Begründung des Verlängerungsantrags darauf verweist, eine ausreichende Rücksprache mit dem Mandanten und die notwendige Beschaffung von Unterlagen hätten innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht erfolgen können. In der Regel reicht die pauschale Berufung auf einen dieser Gründe in der Antragsschrift aus; eine weitere Substantiierung oder Glaubhaftmachung ist nicht erforderlich.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine besonders hohen Anforderungen an die erforderliche Darlegung der erheblichen Gründe für die Notwendigkeit der Fristverlängerung zu stellen. Der Anwalt kann danach grundsätzlich erwarten, dass dem Antrag entsprochen wird, wenn einer der im Gesetz genannten Gründe vorgebracht wird1. Auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung darf der Anwalt vertrauen; die unteren Instanzen dürfen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht zum Nachteil der betroffenen Parteien strengere Maßstäbe anlegen2.
Zum als „erheblich“ anzusehenden Verlängerungsgrund der beruflichen Überlastung ist anerkannt, dass eine ins Einzelne gehende Darlegung dieser Überlastungsgründe beim ersten Verlängerungsantrag nicht verlangt wird3. Der bloße Hinweis auf eine solche Arbeitsüberlastung reicht zur Feststellung eines erheblichen Grundes aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf4. Ein Prozessbevollmächtigter darf auch mit großer Wahrscheinlichkeit dann mit der Bewilligung einer erstmals beantragten Fristverlängerung rechnen, wenn die noch erforderliche Rücksprache oder Informationsbeschaffung bei der Partei nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgen konnte, wobei auch hier eine weitere Substantiierung oder Glaubhaftmachung in der Regel nicht erforderlich ist5. Für die notwendige Beschaffung von Unterlagen gilt nichts anderes. In all diesen Fällen reicht in der Regel die pauschale Berufung auf einen erheblichen Grund aus, ohne dass der Rechtsanwalt dies je nach den Anforderungen, die einzelne Gerichte stellen, mehr oder weniger präzisieren müsste.
Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichts Celle6 gereicht es einer Partei auch nicht zum Verschulden, wenn ihr Prozessbevollmächtigter den Antrag auf Fristverlängerung erst am letzten Tag der Frist stellt und sich nicht fernmündlich nach der Entscheidung über den Verlängerungsantrag erkundigt. Eine Partei ist grundsätzlich berechtigt, eine Frist bis zum letzten Tag auszuschöpfen7. Wenn mit einer Verlängerung der Frist gerechnet werden kann, besteht keine Notwendigkeit für eine Rückfrage bei Gericht vor Ablauf der Frist8. Auf die Hypothesen des Berufungsgerichts, was dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin wann hätte bekannt sein müssen und wie er darauf hätte reagieren können, kommt es darum nicht an.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. März 2010 – VI ZB 46/09
- BGH, Beschlüsse vom 13.10.1992 – VI ZB 25/92, VersR 1993, 771 f.; vom 18.09.2001 – VI ZB 26/01, VersR 2001, 1579; vom 13.12.2005 – VI ZB 52/05, VersR 2006, 568; vom 07.06.1999 – II ZB 25/98, NJW 1999, 3051 f.; vom 11.07.1985 – III ZB 13/85, VersR 1985, 972 f.; vom 18.07.2007 – IV ZR 132/06, VersR 2007, 1583 f.; vom 23.10.2003 – V ZB 44/03, NJW-RR 2004, 785; vom 24.10.1996 – VII ZB 25/96, VersR 1997, 258 f.; vom 09.07.2009 – VII ZB 111/08, NJW 2009, 3100 f.; vom 11.11.1998 – VIII ZB 24/98, VersR 1999, 1559 f.; vom 01.08.2001 – VIII ZB 24/01, VersR 2002, 1576 f.; vom 11.02.1998 – XII ZB 184/97, NJW-RR 1998, 787 f.; vom 15.08.2007 – XII ZB 82/07, NJW-RR 2008, 76 ff.[↩]
 - vgl. BVerfG, NJW 1998, 3703 f.; NJW 2001, 812 ff.; NJW 2007, 3342 f.[↩]
 - vgl. BGH, Beschlüsse vom 13.10.1992 – VI ZB 25/92; vom 11.07.1985 – III ZB 13/85, a.a.O.; NJW-RR 1989, 1280; BVerfG, NJW 1998, 3703 f.[↩]
 - vgl. BGH, Beschluss vom 13.10.1992 – VI ZB 25/92, a.a.O., m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 79, 372, 377; BVerfG, NJW 2001, 812, 813; NJW-RR 2002, 1007, 1008; NJW 2007, 3342[↩]
 - vgl. BGH, Beschlüsse vom 23.06.1994 – VII ZB 5/94, NJW 1994, 2957, 2958; vom 11.11.1998 – VIII ZB 24/98, a.a.O.; vom 19.01.2000 – XII ZB 22/99, NJW-RR 2000, 799 f.; vom 01.08.2001 – VIII ZB 24/01, VersR 2002, 1576, 1577; BVerfG, NJW 1998, 3703 f.[↩]
 - OLG Celle, Beschluss vom 17.06.2009 – 2 U 58/09[↩]
 - vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.1998 – VIII ZB 24/98, a.a.O.; BVerfGE 69, 381, 385; BVerfG, NJW 2001, 812, 813 f.[↩]
 - vgl. BGH, a.a.O.; BVerfG, NJW 1998, 3703 f.; NJW 2001, 812, 814[↩]
 











