Verlegung eines Wegerechts

Nach § 1023 BGB kann der Eigentümer verlangen, die Ausübung einer auf einen Teil des Grundstücks beschränkten Grunddienstbarkeit auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle zu verlegen, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für den Eigentümer besonders beschwerlich ist. Dies gilt auch, wenn der Teil des Grundstücks, auf den sich die Ausübung beschränkt, durch Rechtsgeschäft bestimmt ist.

Verlegung eines Wegerechts

Das Geh- und Fahrrecht ist eine Grunddienstbarkeit.

Nach seinem Wortlaut und seinem Zweck meint „besonders beschwerlich“ dass ein Eigentümer erheblich beeinträchtigt wird, sein Grundstück wie gewünscht zu nutzen. Eine Beschwerlichkeit kann von Anfang an bestehen. Sie kann aber auch erst nachträglich eintreten. Bloße Unbequemlichkeiten genügen nicht. Denn jede Grunddienstbarkeit belastet den Eigentümer. Er kann nämlich mit einem Teil seines Grundstückes nicht nach Belieben verfahren. Es müssen weitere Umstände hinzukommen, um die Ausübung der Grunddienstbarkeit als besonders beschwerlich erscheinen zu lassen1.

Solche Umstände sah das Landgericht Heidelberg im vorliegenden Fall als gegeben an:

Der Grundstückseigentümer hat als Eigentümer gemäß § 906 BGB und Artikel 14 Grundgesetz das Recht, mit seinem Grundstück nach Belieben zu verfahren. Das bedeutet, er kann selbst entscheiden, wie er sein Grundstück gestalten möchte.

Im vorliegenden Fall hat der Grundstückseigentümer konkrete Pläne, wie er seine Gastwirtschaft betreiben möchte. Wenn weiterhin Fahrzeuge mitten über sein Grundstück fahren, werden diese Pläne durchkreuzt. Er kann sein Grundstück nicht mehr in der von ihm gewünschten Form wirtschaftlich nutzen. Er kann seine Biertische nicht auf der gesamten Freifläche aufstellen. Auch vermag er sein Gaststättengelände nicht nach seinen Vorstellungen möglichst ansprechend zu gestalten. Speisende Gäste würden durch Abgase gestört. Außerdem würden Passanten durch kreuzende Fahrzeuge gefährdet, insbesondere Kinder2.

Weiterlesen:
Fahrsicherheitstraining auf dem Nürburgring

Die neue Überfahrt ist für den Wegeberechtigten ebenso geeignet wie die alte.

Der Fahrbahnbelag und die Standfestigkeit der Mauern sind keine Umstände, die im Rahmen der Geeignetheitsprüfung zu berücksichtigen sind.

Von seinem Zweck her meint „ebenso geeignet“, dass der Berechtigte an der neuen Stelle sein Recht genauso ausüben kann, wie an der alten. Die Ausübung der Grunddienstbarkeit darf durch die Verlegung nicht wesentlich erschwert werden3. Zu prüfen ist, inwieweit die neue Stelle den Berechtigten mehr belastet4.

Zu berücksichtigen ist allein die Lage. Vom Eigentümer veränderbare Umstände spielen im Rahmen von § 1023 BGB hingegen keine Rolle. Dies zeigt bereits der Wortlaut ebenso geeignete „Stelle“. Außerdem handelt es sich bei vom Eigentümer veränderbaren Umständen um eine Frage, die das „Wie“ der Grunddienstbarkeit betrifft. Bei § 1023 BGB geht es hingegen nur um die Frage, wo die Grunddienstbarkeit ausgeübt wird. Der Berechtigte hat allenfalls einen schuldrechtlichen Anspruch darauf, dass der Eigentümer den Weg so gestaltet, dass er von seiner Grunddienstbarkeit angemessen Gebrauch machen kann. Das hat aber mit der Lage des Wegs grundsätzlich nichts zu tun5.

Der Fahrbahnbelag ist eine Frage, die allein das „Wie“ des Überfahrtswegs betrifft. Der Eigentümer kann die Oberfläche nämlich mit gewissem Aufwand verändern. Überhaupt ist er nicht verpflichtet, den neuen Weg zunächst fertigzustellen, bevor er Klage nach § 1023 BGB erhebt. Ohne einen fertigen Weg lässt sich aber nicht beantworten, welchen Fahrbahnbelag der künftige neue Weg haben wird. Es lässt sich nicht klären, ob der neue Fahrbahnbelag „ebenso geeignet“ sein wird wie der alte.

Weiterlesen:
Alkoholisiert auf dem Heimweg - kein Wegeunfall?

Auch die vom Wegeberechtigten gerügten Standfestigkeitsmängel der Begrenzungsmauer sind nicht zu berücksichtigen. Der Grundstückseigentümer könnte dieselbe Mauer direkt neben den alten Weg verlegen. Dann könnte der Wegeberechtigte allenfalls schuldrechtlich vom Grundstückseigentümer verlangen, die Mauer zu befestigen.

Die übrigen vom Wegeberechtigten gerügten Gesichtspunkte sind grundsätzlich im Rahmen der Geeignetheitsprüfung zu berücksichtigen. Allerdings führt nicht jeder geringfügige Nachteil der neuen Stelle dazu, dass sie für den Grunddienstbarkeitsberechtigten weniger geeignet ist als die alte. Im Rahmen von § 1023 BGB zu berücksichtigten ist, was dem Berechtigten zuzumuten ist6. Geringfügige Einschränkungen, wie kleinere Umwege, muss der Berechtigte in Kauf nehmen7.

Auch können Vorteile der neuen Lage deren Nachteile kompensieren8. Denn keine Stelle auf einem Grundstück hat exakt die gleichen Merkmale wie eine andere.

Der neue Weg mag einer gewissen Hochwassergefahr ausgesetzt sein. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass der alte Weg zumindest annähernd der gleichen Hochwassergefahr ausgesetzt ist. Es bestehen nämlich allenfalls geringe Höhenunterschiede zwischen beiden Wegen. Bei der Inaugenscheinnahme konnte das Gericht keine Höhenunterschiede zwischen beiden Wegen erkennen. Sollte der neue Weg tatsächlich geringfügig niedriger sein als der alte, wäre der Zugang auf dem alten Weg nur für die Situation gesichert, dass der Bach geringfügig über die Ufer tritt. Sobald der Wasserspiegel aber weiter steigt, wäre auch der alte Weg überschwemmt. Das Wasser würde zumindest durch die Aussparungen der Hofmauer in den Innenhof fließen. Aus diesem Grund erschließt es sich für das Gericht auch nicht, wieso auf den Wegeberechtigten beim neuen Weg höhere Kosten für den Unterhalt der Schutzmauer des Bachs zukommen sollen.

Weiterlesen:
BierBike

Dass die Grundstücke des Wegeberechtigtem über den neuen Weg mit breiten Fahrzeugen schlechter erreichbar sind als über den alten, konnte das Gericht nicht feststellen. Vielmehr ist der neue Weg auch an seiner engsten Stelle breiter als der alte. Beim alten Weg mussten Fahrzeuge eine scharfe Kurve fahren, um zu den Grundstücken des Wegeberechtigten zu gelangen. Beim neuen Weg kann der Fahrer einen deutlich größeren Bogen fahren.

Ein Begegnungsverkehr war auch über den alten Weg nicht möglich. Immerhin war er nur 3,10 Meter breit.

Es kann offenbleiben, wieviel länger die neue Zufahrt gegenüber der alten ist. Selbst wenn man die vom Wegeberechtigten behauptete Längendifferenz zugrundelegt, wäre der Weg zum Grundstück des Wegeberechtigten nur geringfügig weiter. Auch der Unterhaltungsaufwand dürfte nur geringfügig höher liegen.

Die neue Stelle birgt auch keine gravierenden Nachteile für den Wegeberechtigten im Falle eines Brandes auf seinem Grundstück. Ein Feuerwehrfahrzeug kann das Grundstück des Wegeberechtigten über den neuen Weg eher besser erreichen als über den alten. Immerhin ist dieser breiter. Und wenn das Fahrzeug tatsächlich zu lang für die Kurve sein sollte, wäre der Grundstückseigentümer in Notfällen nach § 904 BGB (Notstand) verpflichtet, der Feuerwehr seinen Innenhof zur Verfügung zu stellen. Die vom Grundstückseigentümer im Innenhof geplanten Biertische lassen sich binnen kurzer Zeit zur Seite räumen.

Weiterlesen:
Vergütungsvereinbarung statt Beratungshilfe

Ob für die neue Zufahrt die DIN-Vorschriften für Feuerwehrzufahrten anwendbar sind, kann offenbleiben. Denn dass ein neuer Weg DIN-Vorschriften widerspricht, ist im Rahmen von § 1023 BGB irrelevant, wenn bereits der alte den DIN-Anforderungen widersprach9. Auch die alte Zufahrt widersprach der DIN für Feuerwehrzufahrten. Die DIN 14090 erfordert nämlich bei Wegen in der Länge der alten Zufahrt eine Mindestbreite von 3,5 Metern. Die alte Zufahrt ist indessen nur 3,10 Meter breit.

Aus vergleichbaren Gründen ist es ohne Bedeutung, ob möglicherweise Lieferfahrzeuge des Grundstückseigentümers die neue Zufahrt zeitweise blockieren. Wenn Fahrzeuge den Grundstückseigentümer über die alte Zufahrt beliefern, blockieren sie diese.

Die neue Zufahrt ist auch nicht wegen pausierender Busfahrer für den Wegeberechtigten weniger geeignet als die alte. Denn in H. sind an anderen Stellen zwei Buswarteplätze eingerichtet. Sollten tatsächlich Busfahrer vor der neuen Einfahrt pausieren, wäre dies rechtswidrig. § 12 Abs. 3 StVO verbietet nämlich das Parken vor Einmündungen und vor Grundstücksausfahrten. Der Busfahrer würde eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn er dennoch vor der neuen Zufahrt parkt. Die Ordnungsbehörden müssten im Rahmen ihres Ermessens einschreiten. Derart rechtswidriges Verhalten Dritter kann jedoch nicht zum Nachteil des Grundstückseigentümers gehen.

Hinzunehmen hat der Wegeberechtigte hingegen, dass Busse kurzzeitig an der Einfahrt halten, um Fahrgäste ein- und aussteigen zu lassen. Die Beeinträchtigungen hierdurch sind als geringfügig anzusehen.

Weiterlesen:
Primäraufrechnung oder Hilfsaufrechnung?

Als nachteilig für den Wegeberechtigten sieht das Gericht indessen den teilweise scharfen und hohen Bordstein an der neuen Zufahrt an. Die Kante birgt eine Gefahr für die Räder von einfahrenden Fahrzeugen.

Zu bedenken ist allerdings, dass der Bordstein über den größten Teil der Einfahrtsbreite abgesenkt ist. Wer mit einem durchschnittlich breiten Fahrzeug zum Grundstück des Wegeberechtigten gelangen will, muss allenfalls ein wenig weiter ausholen, um über den abgesenkten Teil des Bordsteins einzufahren.

Die verbleibendenden Nachteile werden durch einen gravierenden Vorteil des neuen Wegs kompensiert: Der Ortsaugenschein hat nämlich ergeben, dass die Sicht bei der Ausfahrt aus dem alten Weg nach beiden Seiten stark versperrt ist. Die Sicht aus der neuen Ausfahrt ist hingegen deutlich besser.

Landgericht Heidelberg, Urteil vom 31. Mai 2013 – 2 O 417/12

  1. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.04.2000 – 9 U 176/99; Rothe, in: RGRK, 12. Auflage, § 1023 Rn. 2[]
  2. Vgl. Baur/Stürner: Lehrbuch des Sachenrechts, 16. Auflage, S. 336: Hotelgäste werden bei Verlegung des Wegs weniger gestört[]
  3. Stürner, in: Soergel, BGB, 2001, § 1023 Rn. 4[]
  4. Weimar, JR 1980, 361, 362[]
  5. Zum gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Dienstbarkeitsberechtigtem und Grundstückseigentümer siehe BGH, Urteil vom 28.06.1985 – V ZR 111/84, BGHZ 95, 144[]
  6. OLG München, Urteil vom 12.3.2008 – 3 U 3739/07; Rothe, in: RGRK, 12. Auflage, § 1023 Rn. 2[]
  7. Joost, in: MünchKomm-BGB, 6. Auflage, § 2013 Rn. 4[]
  8. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.4.2000 -9 U 176/99: „gleichwertige Ersatzfläche“[]
  9. OLG München, Urteil vom 12.03.2008 – 3 U 3739/07[]
Weiterlesen:
Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2014