Der Rechtsstreit um eine Entschädigung für unautorisierte Kohl-Zitate in dem Buch „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“ hat ein – allerdings nur vorläufiges- Ende gefunden; der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts Köln1 bestätigt, mit dem dieses die Klage der Witwe des Alt-Bundeskanzlers Helmut Kohl wegen einesr Geldentschädigungsentschädigung zurückgewiesen hat. Zugleich waren vor dem Bundesgerichtshof die Revision sowohl der Kohl-Witwe wie auch des beklagten Verlages hinsichtlich des sich mit den Unterlassungsansprüchen befassenden Urteils des Oberlandesgerichts Köln2 teilweise erfolgreich.

Die Veröffentlichung der „Kohl-Protokolle“
Im Oktober 2014 erschien ein von Heribert Schwan, einem Historiker und Journalisten, zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Tilman Jens, ebenfalls Journalist, verfasstes Buch mit dem Titel „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“. Das Buch enthält eine Vielzahl angeblicher Äußerungen des vormaligen Klägers Bundeskanzler a. D. Dr. Helmut Kohl. Hinsichtlich sämtlicher Äußerungen machen die Autoren und der Verlag geltend, dass sie anlässlich von Gesprächen gefallen sind, die der der Journalist Schwan mit Helmut Kohl zur Erstellung von dessen Memoiren geführt hatte. Demgegenüber hatte der Alt-Bundeskanzler in seiner Klage geltend gemacht, das Buch verletze ihn in insgesamt 116 Passagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Er hat die beiden Autoren sowie den Verlag deshalb zum einen auf Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung dieser Passagen3 und zum anderen auf Zahlung einer Geldentschädigung in einer Größenordnung von mindestens 5 Mio. € nebst Zinsen4 in Anspruch genommen. Bei der nunmehrigen Klägerin, Dr. Maike Kohl-Richter, handelt es sich um die Witwe und Alleinerbin des am 16. Juni 2017 und damit während der Berufungsverfahren verstorbenen vormaligen Alt-Bundeskanzlers, die den Rechtsstreit fortführt.
Die Entschädigungsklage4
Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Köln hat die beiden Autoren und den Verlag als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1 Mio. € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen5. Auf die Berufung der Autoren und des Verlages hat das Oberlandesgericht Köln die Klage nach dem zwischenzeitlichen Tod von Helmut Kohl vollumfänglich abgewiesen6, da der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vererblich sei, weshalb der Klageanspruch jedenfalls mit dem Tod des vormaligen Klägers erloschen sei. Hiergegen wendet sich die Witwe und Alleinerbin von Helmut Kohl mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Sie begehrt weiterhin eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 5 Mio. € nebst Zinsen.
Nach dem Tod des zweiten Autors ist der Rechtsstreit ihm bzw. seinen Erben gegenüber unterbrochen. Gegenstand des nunmehr verkündeten, die Frage der Geldentschädigung betreffenden Urteils (Teilurteil) sind deshalb nur die gegen den noch lebenden Autor und den Verlag geltend gemachten Ansprüche. Insoweit hat der Bundesgerichtshof nun die Revision der Kohl-Witwe zurückgewiesen:
Die Annahme des Oberlandesgerichts Köln, der Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei grundsätzlich nicht vererblich und deshalb jedenfalls mit dem Tod des Alt-Bundeskanzlers untergegangen, trifft auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs zu. Die grundsätzliche Unvererblichkeit eines solchen Anspruchs entspricht der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Begründet wird sie mit der Funktion des Geldentschädigungsanspruchs, bei der der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht; einem Verstorbenen kann Genugtuung aber nicht mehr verschafft werden.
Durchgreifende Gründe, diese Rechtsprechung aufzugeben, sah der Bundesgerichtshof nicht. Schließlich lagen im Streitfall auch keine besonderen Umstände vor, die (ausnahmsweise) zur Vererblichkeit geführt hätten. Insbesondere wird der Geldentschädigungsanspruch nicht dadurch vererblich, dass er dem Erblasser noch zu dessen Lebzeiten zugesprochen wird, wenn das entsprechende Urteil bei Eintritt des Todes – wie hier – noch nicht rechtskräftig ist.
Die Unterlassungsklage3
Das Landgericht Köln hat der Klage auf Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung der insgesamt 116 umstrittenen Passagen stattgegeben7. Hinsichtlich des Autors Heribert Schwan ist es davon ausgegangen, dieser sei bereits aufgrund einer mit dem Alt-BundeskanzlerKläger anlässlich der „Memoirengespräche“ konkludent geschlossenen Verschwiegenheitsvereinbarung zur beantragten Unterlassung verpflichtet. Gegenüber dem zweiten Autor und dem Verlag ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 830 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn mit der Veröffentlichung und Verbreitung der betroffenen Textpassagen hätten sie den Alt-Bundeskanzler in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
Die Berufung von Heribert Schwan hat das Oberlandesgericht Köln zurückgewiesen2. Auch nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist dieser aufgrund einer mit dem Alt-Bundeskanzler konkludent getroffenen Vereinbarung zur Verschwiegenheit über sämtliche im Rahmen der Memoirengespräche erlangte Informationen verpflichtet. Diese Verpflichtung dauere fort und könne – so das Oberlandesgericht weiter – auch nach dem Tod Helmut Kohls durch dessen Alleinerbin geltend gemacht werden. Die Revision hat das Oberlandesgericht insoweit nicht zugelassen. Die von Heribert Schwan dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof bereits mit Beschluss vom 23. März 2021 zurückgewiesen. Insoweit war das Verfahren bereits vor Verkündung des jetzt verkündeten Urteils abgeschlossen.
Die Berufungen des zweiten Autors, Tilman Jens, und des Verlages hatten vor dem Oberlandesgericht Köln in Bezug auf eine der 116 Textpassagen voll und in Bezug auf weitere 40 Textpassagen zum Teil Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts trifft den zweiten Autor und den Verlag zwar eine Unterlassungsverpflichtung wegen Verletzung des – nun postmortalen – Persönlichkeitsrechts des Alt-Bundeskanzlers. Diese Unterlassungsverpflichtung sei aber auf die wörtliche Wiedergabe und Verbreitung (angeblich) wörtlicher Zitate Helmut Kohls beschränkt.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Kohl-Witwe als seine Alleinerbin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; der zweite Autor und der Verlag begehren mit ihren Revisionen weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
Nach dem Tod des zweiten Autors ist auch dieses Verfahren ihm bzw. seinen Erben gegenüber unterbrochen. Gegenstand des nun verkündeten Urteils (Teilurteil) ist deshalb auch insoweit alleine noch der gegen den Verlag gerichtete Unterlassungsanspruch. Insoweit hatten nun sowohl die Revision der Kohl-Witwe wie auch die Revision des Verlages teilweise Erfolg:
Der von der Kohl-Witwe geltend gemachte, deliktische Unterlassungsanspruch gegenüber dem Verlag, mit dem der Alt-Bundeskanzler anders als mit dem Autoren Heribert Schwan keine (konkludente) Verschwiegenheitsvereinbarung über den Tod hinaus getroffen hatte, beschränkt sich auf die Veröffentlichung und Verbreitung von im Buch vorhandenen Fehlzitaten. Nur insoweit verletzen Veröffentlichung und Verbreitung der angegriffenen Buchpassagen das von der Alleinerbin wahrgenommene postmortale Persönlichkeitsrecht ihres verstorbenen Ehemannes. Soweit keine Fehlzitate vorliegen, besteht keine Unterlassungspflicht des Verlages. Eine solche folgt – anders als das Oberlandesgericht Köln meinte – insbesondere nicht daraus, dass der vormalige Kläger einer Veröffentlichung einiger Aussagen schon im Rahmen der Memoirengespräche ausdrücklich widersprochen hatte („Sperrvermerkszitate“), noch daraus, dass die Wiedergabe wörtlicher Zitate eine unzulässige „bildnisgleiche“ bzw. „intensive“ Verdinglichung seiner Person darstellte. Soweit sich die Zitate auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlandesgerichts abschließend als Fehlzitate einordnen lassen, hat der Bundesgerichtshof deshalb die Revision des Verlages zurückgewiesen, soweit sie sich abschließend als zutreffend beurteilen lassen, hat er das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Soweit sich auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob das jeweilige Zitat richtig oder falsch ist, hat der Senat die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, damit die noch fehlenden Feststellungen dort getroffen werden können.
Die Revision der Kohl-Erbin hatte insoweit Erfolg, als das Oberlandesgericht Köln die Unterlassungsverpflichtung des Verlages auch hinsichtlich der (möglichen) Fehlzitate auf die wörtliche Wiedergabe der im Buch als wörtliche Zitate gekennzeichneten Aussagen beschränkt hatte. Denn das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen verletzende Fehlzitate dürfen auch nicht sinngemäß veröffentlicht oder verbreitet werden.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 30. November 2021 – VI ZR 258 und VI ZR 248/18