Verschuldensunabhängige Schadenspasuchale – individuell ausgehandelt?

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist individuelles Aushandeln mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln ist nur dann auszugehen, wenn der Verwender den gesetzesfremden Kerngehalt seiner Allgemeinen Geschäftsbedingung inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen1.

Verschuldensunabhängige Schadenspasuchale – individuell ausgehandelt?

Für die Annahme eines Aushandelns ist es danach nicht ausreichend, dass es der Vertragspartnerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen gelungen ist, die vorformulierte Vertragsbedingung über eine Pauschale dahin zu modifizieren, dass im Falle der nicht vollständigen Erfüllung der übernommenen Lieferverpflichtung lediglich ein geringerer Pauschalbetrag als ursprünglich vorgesehen zu zahlen war. Ein Aushandeln liegt nicht vor, wenn die für den Vertragspartner des Verwenders nachteilige Wirkung der Klausel im Zuge von Verhandlungen zwar abgeschwächt, der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel vom Verwender jedoch nicht ernsthaft zur Disposition gestellt wird2.

Ein Aushandeln liegt nicht vor, wenn die für den Vertragspartner des Verwenders nachteilige Wirkung der Klausel im Zuge von Verhandlungen zwar abgeschwächt, der gesetzesfremde Kerngehalt der Klausel vom Verwender jedoch nicht ernsthaft zur Disposition gestellt wird2. Dieser allgemeine Grundsatz des Haftungsrechts gilt als Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots gleichermaßen für vertragliche wie für gesetzliche Ansprüche3.

Eine verschuldensunabhängige Haftung kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur ausnahmsweise wirksam vereinbart werden. Das ist der Fall, wenn sie durch höhere Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt oder durch Gewährung rechtlicher Vorteile ausgeglichen wird4. Im Übrigen ist eine derartige Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

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Sollte nach den Umständen ausnahmsweise anzunehmen sein, dass die Klausel wegen der auferlegten verschuldensunabhängigen vertraglichen Haftung bei Unterschreitung der vereinbarten Jahresmindestmengen nicht unwirksam ist, ist weiter zu prüfen, ob die Klausel nach dem Grundgedanken von § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB unwirksam ist.

Diese Vorschrift ist auch im Verkehr zwischen Unternehmern im Rahmen der gemäß §§ 307, 310 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Inhaltskontrolle zu berücksichtigen5. Nach § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt.

Die Klausel zur Schadenspauschale ist allerdings nicht bereits deswegen unwirksam, weil entgegen dem Wortlaut des § 309 Nr. 5 Buchst. b BGB dem Vertragspartner der Nachweis nicht ausdrücklich gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. Bei der Vereinbarung einer Schadenspauschale braucht dem Vertragspartner des Verwenders, wenn er Unternehmer ist, der Nachweis eines wesentlich niedrigeren Schadens nicht ausdrücklich gestattet zu werden. Der Nachweis darf aber nicht ausgeschlossen sein6.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Oktober 2015 – VII ZR 58/14

  1. vgl. BGH, Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13, BGHZ 200, 326 Rn. 27; Urteil vom 22.11.2012 – VII ZR 222/12, BauR 2013, 462 Rn. 10; Urteil vom 23.01.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311, 321 47 m.w.N.[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 27.03.1991 – IV ZR 90/90, NJW 1991, 1678, 1679 14; Urteil vom 07.03.2013 – VII ZR 162/12, BauR 2013, 946 Rn. 30 = NZBau 2013, 297[][]
  3. BGH, Urteil vom 05.10.2005 – VIII ZR 16/05, BGHZ 164, 196, 210 f. 30; Urteil vom 18.03.1997 – XI ZR 117/96, BGHZ 135, 116, 121 27; Urteil vom 23.04.1991 – XI ZR 128/90, BGHZ 114, 238, 240 f. 13; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 307 Rn. 32 m.w.N.[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 18.03.1997 – XI ZR 117/96, BGHZ 135, 116, 121 27 m.w.N.[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060, 1068, insoweit in BGHZ 124, 351 nicht abgedruckt; Urteil vom 27.11.1990 – X ZR 26/90, BGHZ 113, 55, 61 f., m.w.N., jeweils zu § 11 Nr. 5 AGBG[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 20.03.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056, 1059 66; Urteil vom 12.01.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060, 1067 91, insoweit in BGHZ 124, 351 nicht abgedruckt, m.w.N.[]
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