Ist der Bahntransfer mittels „Rail & Fly“ Inhalt des Reisevertrages geworden, muss sich der Reiseveranstalter die Verspätung der Deutschen Bahn als Reisemangel zurechnen lassen. Ein Reisender hat nur eine Verzögerung einzuplanen, mit der regelmäßig zu rechnen ist. Eine Zugverspätung von 10 Minuten ist einzukalkulieren.

Mit dieser Begründung hat das Landgericht Frankfurt am Main in dem hier vorliegenden Fall den Reiseveranstalter zum Ersatz der zusätzlichen Reisekosten verpflichtet, die sich aufgrund von Verspätung der Bahn ergeben haben. Damit hat das Landgericht der Berufung des Klägers stattgegeben. Dieser hatte für sich und seine Familie eine Pauschalreise nach Thailand gebucht: Im Reisevertrag mit dem beklagten Reiseveranstalter war die Beförderung zum Flughafen Frankfurt mit „Rail & Fly“ der Deutschen Bahn vereinbart. Der Abflug mit Qatar-Airways sollte am Anreisetag um 15:40 Uhr ab Frankfurt erfolgen. In der Buchungsbestätigung wurde empfohlen, sich mindestens drei Stunden vor Abflug am Check-In Schalter einzufinden. Laut Reisedokumenten sollte man sich spätestens 120 Minuten vor Abflug am Qatar Airways-Schalter des Abflug-Flughafens einfinden. Der Kläger wählte von seinem Wohnort in Göttingen einen ICE, der um 13:13 Uhr, also 2 Stunden und 27 Minuten vor Abflug am Flughafen Frankfurt eintreffen sollte. Am Reisetag startete der Zug ab Göttingen bereits mit einer Verspätung von 25 Minuten, die sich im Laufe der Fahrt erhöhte. Vor Frankfurt wurde den Reisenden mitgeteilt, dass der Zug wegen der Verspätung am Hauptbahnhof enden würde. Die Weiterfahrt nahm der Kläger mit seiner Familie daher mit dem öffentlichen Nahverkehr vor. Als die Reisenden schlussendlich 50 Minuten vor Abflug am Schalter eintrafen, wurde ihnen die Abfertigung verwehrt, da der Check-In-Vorgang bereits abgeschlossen war. Die Familie war gehalten, zurück nach Göttingen zu fahren, weil an diesem Tag kein anderer Flug zur Verfügung stand. Am nächsten Tag konnte dann der Abflug erfolgen. Dafür musste der Kläger knapp 2.000,00 € aufwenden zuzüglich rund 200,00 € für die Rückfahrt nach Göttingen. Diese zusätzlichen Reisekosten wollte der Kläger erstattet bekommen und hat Klage eingereicht.
In seiner Urteilsbegründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der Reiseveranstalter sich die Verspätung der Deutschen Bahn als Reisemangel zurechnen lassen muss. Denn der Bahntransfer mittels „Rail & Fly“ war Inhalt des Reisevertrages geworden. Mit diesem Angebot habe die Beklagte ihre reisevertraglichen Pflichten freiwillig erweitert. Ihre Einstandspflicht hätte sie dadurch ausschließen können, dass sie nur die Kosten der Anreise (als Fremdleistung) übernommen hätte. Das habe sie nicht getan, sondern die Bahnfahrt als Teil der geschuldeten Reiseleistung angeboten.
Sofern die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vorsahen, dass der Reisende für seine Anreise selbst verantwortlich sei, sei diese Klausel unwirksam.
Außerdem könne ein Reisender grundsätzlich auf die Einhaltung der Abfahrts- und Ankunftszeiten der Bahn vertrauen.
Weiter hat das Landgericht Frankfurt a.M. darauf hingewiesen, dass dem Kläger nicht entgegengehalten werden könne, er habe die Meldeschlusszeit nicht eingehalten. Die Buchungsbestätigung habe nur die Empfehlung beinhaltet, drei Stunden vor Abflug beim Check-In zu sein. Verbindlich sei aus objektiver Sicht aber die Angabe gewesen, sich 120 Minuten vor Abflug am Schalter einzufinden.
Nach Meinung des Landgerichts habe der Kläger auch nur solche Verzögerungen einplanen müssen, mit denen regelmäßig zu rechnen sei. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sei eine Zugverspätung von zehn Minuten einzukalkulieren. Bei dieser Planung wäre der verbliebene Zeitpuffer im vorliegenden Fall ausreichend gewesen, um rechtzeitig 120 Minuten vor Abflug am Abflugschalter anzukommen.
Aus diesen Gründen hat der Reiseveranstalter die zusätzlichen Reisekosten zu erstatten.
Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 13. November 2019 – 2–24 S 74/19
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