Verwertungskündigung

Bei einem Wohnraummietverhältnis kann der Vermieter den Mietvertrag nach § 573 BGB nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB insbesondere vor, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will. Zu den Voraussetzungen einer solchen Verwertungskündigung des Vermieters hat jetzt der Bundesgerichtshof Stellung genommen.

Verwertungskündigung

Anlass hierzu war ein Rechtsstreit aus Hamburg: Die Beklagte ist seit 1995 Mieterin einer Wohnung in der Ried-Siedlung in Hamburg. Die Klägerin erwarb die Ried-Siedlung, die ursprünglich aus zahlreichen Wohneinheiten bestand, inklusive der an die Beklagte vermieteten Wohnung im Jahr 1996. Sie will die in den 1930er Jahren in einfacher Bauweise errichtete Siedlung abreißen und an deren Stelle moderne, öffentlich geförderte Neubaumietwohnungen errichten. Mit Ausnahme eines Teils der Riedsiedlung, der mit geringen Sanierungsmaßnahmen instand gesetzt wurde und erhalten geblieben ist, hat die Klägerin ihr Ziel auch bereits umgesetzt. Nur der Wohnblock, in dem sich die von der Beklagten bewohnte Wohnung sowie acht weitere, bereits leer stehende Wohneinheiten befinden, wurde bislang nicht abgerissen. Die Klägerin kündigte den Mietvertrag mit der Beklagten gestützt auf § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB durch Schreiben vom 31. Januar 2008 unter Berufung auf städtebauliche und gebäudetechnische Mängel der Riedsiedlung. Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat die Räumungsklage der Klägerin abgewiesen1. Auf die Berufung der Klägerin hat dagegen das Landgericht Hamburg der Klage stattgegeben2.

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Die dagegen gerichtete Revision der beklagten Mieter blieb jetzt ohne Erfolg, der Bundesgerichtshof entschied, dass die Klägerin als Vermieterin zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt war:

Die von der Klägerin geplanten Baumaßnahmen stellen eine angemessene wirtschaftliche Verwertung des Grundstück gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar, weil sie auf vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen beruhen. Denn der noch vorhandene Wohnblock befindet sich in einem schlechten Bauzustand und entspricht in mehrfacher Hinsicht (u. a. kleine gefangene Räume mit niedrigen Decken, schlechte Belichtung) heutigen Wohnvorstellungen nicht, während mit dem geplanten Neubau moderne bedarfsgerechte Mietwohnungen erstellt werden können.

Der Klägerin würden darüber hinaus durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses auch die nach dem Gesetz vorausgesetzten erheblichen Nachteile entstehen, weil durch bloße Sanierungsmaßnahmen der alten Bausubstanz unter Erhalt der Wohnung der Klägerin kein heutigen Wohnbedürfnissen entsprechender baulicher Zustand erreicht werden kann. Die weitere Bewirtschaftung des letzten noch vorhandenen Wohnblocks unter Verzicht auf die vollständige Verwirklichung des mit der „Riedsiedlung“ verfolgten städtebaulichen Konzepts ist der Klägerin deshalb auch unter Berücksichtigung des Bestandsinteresses der Beklagten nicht zuzumuten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Februar 2011 – VIII ZR 155/10

  1. AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 05.08.2009 – 919 C 101/09[]
  2. LG Hamburg, Urteil vom 10.06.2010 – 334 S 46/09 []