Voraussetzung für das Vorliegen einer Entgeltforderung gemäß § 288 Abs. 2 BGB ist, dass die Geldforderung die Gegenleistung für eine von dem Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung ist.

Nach § 288 Abs. 2 BGB beträgt bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, der Zinssatz für Entgeltforderungen acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Bei der Auslegung des Begriffs Entgeltforderung ist ausgehend vom Wortlaut auch der Zweck des § 288 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen.
§ 288 Abs. 2 BGB ist durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 zur Umsetzung der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr eingeführt worden1. Die in § 288 Abs. 2 BGB enthaltene Beschränkung auf Entgeltforderungen war im Gesetzesentwurf noch nicht vorgesehen2. Sie wurde auf Antrag des Bundesrats eingefügt, der zur Begründung ausführte, die Richtlinie 2000/35/EG, deren Art. 1 den höheren Zinssatz nur für Entgeltzahlungen vorschreibe, solle nicht über deren Geltungsbereich hinaus umgesetzt werden3. Dem schloss sich die Bundesregierung an und schlug mit dem Hinweis, der Anwendungsbereich des § 288 Abs. 2 BGB-RE solle auf Entgeltforderungen aus Verträgen beschränkt werden, die Gesetz gewordene Fassung vor4. Bei der Auslegung des Begriffs der Entgeltforderung in § 288 Abs. 2 BGB sind somit das Ziel der Richtlinie 2000/35/EG und deren Inhalt zu berücksichtigen.
Ziel der Richtlinie 2000/35/EG ist die Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, der als einer der Hauptgründe für die Insolvenzen von Unternehmen angesehen wird5. Die Richtlinie ist demgemäß auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte geleisteten Zahlungen beschränkt und umfasst weder Geschäfte mit Verbrauchern noch die Zahlung von Zinsen im Zusammenhang mit anderen Zahlungen, z.B. unter das Scheck- und Wechselrecht fallenden Zahlungen oder Schadensersatzzahlungen einschließlich Zahlungen von Versicherungsgesellschaften6.
Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/35/EG ist sie auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden. Dabei bezeichnet der Ausdruck Geschäftsverkehr gemäß Art. 2 der Richtlinie 2000/35/EG Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen. Der Begriff „Dienstleistung“ bestimmt sich allerdings nicht nach § 611 BGB7. Er ist weiter gefasst. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stellt z.B. auch die Gewährung eines Kredits eine Dienstleistung dar8.
Hier folgt freilich aus der Beschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2000/35/EG auf Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, und aus dem ausdrücklichen Ausschluss der Anwendung auf andere Zahlungen6, dass die Richtlinie 2000/35/EG nicht für alle Geldforderungen gilt, sondern nur für solche, die Gegenleistungen aus zwischen Unternehmen geschlossenen Verträgen darstellen.
Der Gesetzgeber hat unter Berücksichtigung dieser Vorgaben in § 288 Abs. 2 BGB den nach Art. 3 Abs. 1 d der Richtlinie 2000/35/EG vorgeschriebenen höheren Zinssatz für alle Entgeltforderungen aus Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, angeordnet. Voraussetzung für das Vorliegen einer Entgeltforderung ist somit, dass die Geldforderung die Gegenleistung für eine von dem Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung ist9.
In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte sind als Entgeltforderungen gemäß § 288 Abs. 2 BGB angesehen worden:
- Mietzinsansprüche10,
- Ansprüche auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB11 und
- der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89 b HGB12.
Demgegenüber werden nicht als Entgeltforderungen eingeordnet
- Ansprüche aus einem Vertragsstrafeversprechen13,
- auf Erstattung von Abmahnkosten14,
- aus § 765 BGB15
- und der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters16.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. April 2010 – XII ZR 10/08
- BGBl. I S. 3138; BT-Drucks. 14/6857 S. 1; ABl.EG vom 8. August 2000, L 2000/35 = NJW 2001, 132 – im Folgenden: Richtlinie 2000/35/EG[↩]
- Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/6040, S. 8[↩]
- BT-Drs. 14/6857, S. 14[↩]
- BT-Drs. 14/6857, S. 51[↩]
- Richtlinie 2000/35/EG, Erwägungsgrund 7[↩]
- Richtlinie 2000/35/EG, Erwägungsgrund 13[↩][↩]
- vgl. Ahlt Europarecht 3. Aufl. S. 47[↩]
- EuGHE C-45/96, 1998 I -1199 = NJW 1998, 1295 – Dietzinger[↩]
- MünchKomm/Ernst 5. Aufl. § 288 BGB Rdn. 19, § 286 BGB Rdn. 75; Staudinger/Löwisch/Feldmann [Neubearbeitung 2009] BGB § 288 Rdn. 17, § 286 Rdn. 90 ff.; Jauernig/Stadler 13. Aufl. § 288 BGB Rdn. 32[↩]
- OLG Rostock MDR 2005, 139[↩]
- OLG Köln ZMR 2006, 772, 773[↩]
- OLG München MDR 2009, 339; a.A. KG Urteil vom 27.08.2009 – 23 U 52/09[↩]
- OLG Hamburg OLGR 2004, 432[↩]
- OLG Celle NJW-RR 2007, 393[↩]
- OLG Düsseldorf WM 2009, 449[↩]
- OLG Karlsruhe MDR 2006, 101[↩]