Der Anspruch auf Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens nach einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot kann abgetreten und gepfändet werden. Er fällt daher in die Insolvenzmasse.

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in einem Nachtragsverteilungsverfahren, auf das noch die Vorschriften der Insolvenzordnung in der bis zum 30.06.2014 geltenden Fassung anzuwenden waren (Art. 103h EGInsO). Insolvenzgericht und Beschwerdegericht1 haben, befand der Bundesgerichtshof, mit Recht hinsichtlich der im Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt titulierten Ansprüche des Schuldners gegen das Land Hessen die Nachtragsverteilung nach § 203 InsO angeordnet. Eine solche kann nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO nur angeordnet werden, wenn der Gegenstand zur Insolvenzmasse gehörte. Dies ist der Fall sowohl für die Ansprüche des Schuldners aus § 15 Abs. 2 AGG als auch für seine unionsrechtlichen Staatshaftungsansprüche.
Sowohl die titulierten Ansprüche aus § 15 Abs. 2 AGG für die Zeit vom 18.08.2006 bis zum 7.09.2011 als auch die titulierten unionsrechtlichen Haftungsansprüche für die Zeit vom 08.09.2011 bis zum 28.02.2014 sind grundsätzlich pfändbar. Sie sind in die Insolvenzmasse gefallen und waren deswegen nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO der Nachtragsverteilung zugänglich, auch wenn die Zahlungsansprüche des Schuldners durch das Verwaltungsgericht erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ausgeurteilt worden sind. In die Insolvenzmasse fällt nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er im Laufe des Verfahrens erlangt. Von der Begründung einer Insolvenzforderung im Sinne des Insolvenzrechts ist schon dann auszugehen, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Entsprechend kommt es im Rahmen der Beurteilung, ob hinsichtlich einer realisierten Forderung des Schuldners eine Nachtragsverteilung anzuordnen ist, nicht darauf an, ob der (Entschädigungs-)Anspruch schon vor oder während des Insolvenzverfahrens festgesetzt oder anerkannt worden ist. Vielmehr ist entscheidend, ob der Schuldner diesen Anspruch bereits vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens hätte geltend machen können. Die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. Ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist, ist dagegen unerheblich2.
Grundlage der dem Schuldner zugesprochenen Entschädigung sind § 15 Abs. 2 AGG, eine Vorschrift, welche am 18.08.2006 in Kraft getreten ist, und der unionsrechtliche Haftungsanspruch, dessen Voraussetzungen seit dem 8.09.2011 vorliegen3. Für Benachteiligungen wegen des Alters, die zeitlich nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes liegen, gelten die § 1 bis § 18 AGG ohne Einschränkung (§ 33 AGG; vgl. BAGE 129, 181 Rn. 25). Entsprechendes gilt für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch seit dem 8.09.2011. Die dem Schuldner gewährte Besoldung benachteiligte ihn wegen seines Alters von InKraft-Treten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes an bis zur Änderung der Besoldung durch den Hessischen Gesetzgeber ab März 2014. Für den gesamten Zeitraum konnte der Schuldner deswegen zunächst Entschädigung und sodann Schadensersatz verlangen. Die Ansprüche des Schuldners sind mithin vor und während des laufenden Insolvenzverfahrens entstanden, waren also mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, soweit schon entstanden, von dem Insolvenzbeschlag erfasst, und fielen, soweit erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, als Neuerwerb in die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 InsO).
Der Anspruch auf Entschädigung des Schuldners auf Ersatz des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 15 Abs. 2 AGG war pfändbar und ist deswegen Teil der Insolvenzmasse geworden4.
Ansprüche wegen immaterieller Schäden sind seit 1.07.1990 uneingeschränkt übertragbar und pfändbar, nachdem durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14.03.19905 § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF mit Wirkung ab 1.07.1990 gestrichen worden war. Es ist deshalb allgemein anerkannt, dass Schmerzensgeldansprüche pfändbar sind und gegebenenfalls in die Insolvenzmasse fallen6. Darum sind Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld, auch wenn sie auf einer Freiheitsentziehung beruhen, infolge ihrer Übertragbarkeit als pfändbar und damit als Bestandteil der Insolvenzmasse anzusehen7. Gleiches gilt für Staatshaftungsansprüche, soweit diese auf den Ersatz immaterieller Schäden gerichtet sind8. Der Anspruch auf eine besondere Zuwendung für Haftopfer aus § 17a Abs. 1 StrRehaG ist gemäß § 17a Abs. 5 StrRehaG unpfändbar. Die dem Schuldner auf der Grundlage des § 17 StrRehaG gewährte Kapitalentschädigung genießt hingegen keinen Pfändungsschutz und ist folglich Bestandteil der Insolvenzmasse9. Ebenso ist der aus Art. 5 Abs. 5 EMRK folgende verschuldensunabhängige Anspruch aufgrund Gefährdungshaftung für konventionswidriges Verhalten10 abtretbar und pfändbar11.
Ob Ansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach Aufhebung des § 847 BGB übertragen und gepfändet werden können12, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bislang unbeantwortet gelassen13. Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung grundsätzlich nicht vererblich ist14. Zur Begründung hat er ausgeführt: Entscheidend gegen die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs spreche seine Funktion15. Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung stehe regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund. Da einem Verstorbenen Genugtuung für die Verletzung seiner Persönlichkeit nicht mehr verschafft werden könne, scheide danach die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes aus. Erfolge die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Verletzten, sterbe dieser aber, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden sei, verliere die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Gründe; vom Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs über den Tod des Verletzten hinaus auszugehen, bestünden unter diesem Gesichtspunkt im Allgemeinen mithin nicht16.
Demgegenüber ist entschieden, dass der Pfändbarkeit des nach Art. 41 EMRK zuerkannten Anspruchs wegen immaterieller Schäden § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB entgegenstehen17. Auch sind Zahlungen kirchlicher Körperschaften auf der Grundlage des Beschlusses der Deutschen Bischofskonferenz vom 02.03.2011 über „Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde“, nicht pfändbar und fallen im Falle des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leistungsempfängers nicht in die Masse18. Denn sowohl die Zahlung auf einen nach Art. 41 EMRK zuerkannten Anspruch als auch die Leistung des Bischöflichen Ordinariats an einen Dritten können nicht ohne Veränderung des Inhalts erfolgen (§ 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB). Die geschuldete Leistung ist mit der Person des Leistungsempfängers derart verknüpft, dass die Leistung an den Insolvenzverwalter sie als eine andere Leistung erscheinen ließe19. Darüber hinaus ist das Interesse des Bischöflichen Ordinariats an der Beibehaltung des Empfängers der freiwilligen Leistung besonders schutzwürdig20.
In der Literatur wird der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG, soweit die Frage überhaupt thematisiert wird, im Allgemeinen als übertragbar und somit als pfändbar angesehen21. Auch in der Rechtsprechung wird dies vertreten22.
Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist übertragbar und pfändbar, er fiel demnach in die Insolvenzmasse.
Ein Ausschluss der Pfändbarkeit von Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG ist gesetzlich nicht normiert. Der Entschädigungsanspruch als Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens stellt eine gemeinschaftsrechtlich gebotene gesetzliche Ausnahme zur Grundregel des § 253 Abs. 1 BGB dar, wonach immaterielle Schäden außer in den Fällen des § 253 Abs. 2 BGB nicht zu ersetzen sind23. Immaterielle Schäden sind aber auch im Übrigen seit dem Wegfall des § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF ab 1.07.1990 in der Pfändbarkeit nicht mehr beschränkt. Dies gilt auch für den Entschädigungsanspruch.
Vorliegend stehen der Pfändbarkeit § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB nicht entgegen, weil die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG durch das Land Hessen an einen Dritten, hier den Insolvenzverwalter zur Masse, ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Nach § 399 BGB ist eine Forderung nicht übertragbar, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Leistung auf höchstpersönlichen Ansprüchen des Berechtigten beruht, die er nur selbst erheben kann, oder wenn ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des leistenden Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerperson aber besonders schutzwürdig ist, oder wenn ohne Veränderung des Leistungsinhalts die dem Gläubiger gebührende Leistung mit seiner Person derart verknüpft ist, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erschiene. In allen diesen drei Fallgruppen ist die Abtretbarkeit ausgeschlossen, weil andernfalls die Identität der abgetretenen Forderung nicht gewahrt bliebe24. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG unterfällt keiner der drei genannten Fallgruppen.
Bei dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG handelt es sich nicht um einen höchstpersönlichen Anspruch. Die persönliche Betroffenheit des Benachteiligten spielt nur bei der Entstehung des Anspruchs eine Rolle. Ist der Anspruch einmal entstanden, ist er ein Gegenstand des Rechtsverkehrs wie jeder andere Anspruch auch25. Anders als der – jedenfalls nicht vererbliche – Anspruch wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht bei dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG der Genugtuungsgedanke nicht im Vordergrund.
Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des § 15 Abs. 2 AGG mehrere europäischen Richtlinien26 umsetzen sowie die Forderungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes erfüllen27. Die Richtlinien sehen vor, dass die Mitgliedstaaten bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Regelungen zur Anwendung dieser Richtlinien Sanktionen festlegen und dass diese Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen28. Diese Sanktionen können, aber müssen nach den umgesetzten Richtlinien grundsätzlich nicht in Schadensersatzleistungen an die Opfer bestehen. Möglich und in etlichen Mitgliedsstaaten praktiziert ist eine Umsetzung im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Der deutsche Gesetzgeber hat sich im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes für ein rein individualistisches Haftungssystem entschieden, was dazu führt, dass die Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung den europarechtlichen Anforderungen an die Sanktionierung von Diskriminierungen genügen müssen29. Aus Art. 17 der RL 2000/78/EG folgt unmittelbar kein Anspruch des Schuldners auf Zahlung einer Entschädigung oder eines Geldbetrages in Höhe des Unterschieds zwischen seiner tatsächlichen Besoldung und der Besoldung nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe30.
§ 15 AGG hat danach einen doppelten Normzweck. Neben dem gängigen zivilrechtlichen Gesichtspunkt des Schadensausgleichs tritt eine spezialund auch generalpräventive Aufgabe, dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung durch geeignete Sanktionen zum Durchbruch zu verhelfen31. In der Literatur wird als weiterer – wenn auch nicht ausschlaggebender – Normzweck der Genugtuungsgedanke angeführt32. Sowohl der Sanktions- als auch der Ausgleichszweck sprechen nicht gegen eine Übertragbarkeit und Pfändbarkeit des Entschädigungsanspruchs. Diese beiden Zwecke werden genauso gut erreicht, wenn ein Dritter die Forderung durchsetzt. Mit einer Annahme der fehlenden Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs im Hinblick auf eine Höchstpersönlichkeit des Anspruchs würde der Sanktionszweck bei alten oder kranken Beschäftigten sogar unterlaufen, weil der Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bei Versterben des Beschäftigten vor Klageerhebung oder Rechtskraft des Urteils nicht mehr geahndet würde. Soweit § 15 Abs. 2 AGG daneben auch den untergeordneten Zweck hat, dem Geschädigten Genugtuung zu verschaffen, führt dies wegen des weit wichtigeren Zwecks der Sanktionierung des verbotswidrigen Verhaltens nicht dazu, dass der Anspruch nicht verkehrsfähig wäre.
Im Unterschied zur gerechten Entschädigung nach Art. 41 EMRK33 und zu den freiwilligen Zahlungen der kirchlichen Körperschaften auf der Grundlage des Beschlusses der Deutschen Bischofskonferenz vom 02.03.2011 über „Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde“34 besteht der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG von Gesetzes wegen. Der Beschäftigte hat gegen den Arbeitgeber einen Entschädigungsanspruch, wenn dieser gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen hat35. Soweit die Rechtsbeschwerde darauf verweist, ein Anspruch bestehe nicht, weil dem Gericht ein Ermessen hinsichtlich der Entschädigung eingeräumt sei, verkennt sie, dass das Ermessen – wie bei jedem Schmerzensgeldanspruch – sich nicht auf das Ob des Anspruchs, sondern allein auf die Angemessenheit der Entschädigung und damit auf die Höhe der Forderung bezieht36.
Auch setzt § 15 Abs. 2 AGG keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Weise einer „Herabwürdigung“ des Beschäftigten voraus37. Die Regelung enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch, so dass nicht die Grundsätze, die für den Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, anzuwenden sind. Es ist deswegen nicht erforderlich, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann38; im Grundsatz begründet jeder Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot einen Entschädigungsanspruch39. § 15 AGG stellt mithin keine Sonderregel der Persönlichkeitsrechtsverletzung, sondern ein gesetzliches Differenzierungsverbot dar40. Daraus folgt, dass die Entschädigung dem Beschäftigten nicht persönlich zugutekommen muss41.
Auch bedarf der Arbeitgeber, vorliegend das Land Hessen, auch keines besonderen Schutzes, die Entschädigungsleistung nur an den Beschäftigten, also vorliegend den Schuldner, nicht aber an einen Dritten, vorliegend den Insolvenzverwalter, zu erbringen. Denn es handelt sich bei der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG um keine freiwillige Leistung und es soll nicht irgendein Leid oder eine erlittene Menschenrechts- oder schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung ausgeglichen werden. Der Arbeitgeber wird nicht nur entlastet, wenn er an den Schuldner persönlich leistet, sondern auch an den Zessionar oder den Pfändungsgläubiger oder den Insolvenzverwalter.
Mit Recht hat das Beschwerdegericht darauf verwiesen, dass die Insolvenz- und Massegläubiger durch die Benachteiligung des Schuldners bei der Besoldung möglicherweise selbst wirtschaftliche Einbußen erlitten haben. Wäre der Schuldner von vornherein ohne Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot besoldet worden, wäre möglicherweise ein höherer Geldbetrag in die Insolvenzmasse geflossen42.
Ebenso ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch pfändbar und fällt daher in die Insolvenzmasse. Ein Geschädigter hat einen Anspruch auf Ersatz seiner materiellen und gegebenenfalls auch immateriellen Schäden aufgrund des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs, wenn ein mitgliedstaatliches Organ gegen eine unionsrechtliche Norm des Primär- oder Sekundärrechts, welche nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit gewidmet ist, sondern zumindest auch die Verleihung individueller Rechte bezweckt, verstoßen hat, sofern der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht43. Dass ein solcher Anspruch nicht verkehrsfähig, und damit nicht übertragbar und pfändbar, wäre, zumindest in Bezug auf Dritte44, wurde weder vom Schuldner in den Tatsacheninstanzen noch von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht. Nach deutschem Recht sind Staatshaftungsansprüche, selbst wenn sie auf den Ersatz immaterieller Schäden gerichtet sind, übertragbar und pfändbar45. Für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch gilt nichts Anderes.
Die weiteren Voraussetzungen für die Anordnung der Nachtragsverteilung, welche auch im Verbraucherinsolvenzverfahren zulässig ist46, liegen unzweifelhaft vor, was von der Rechtsbeschwerde nicht in Abrede gestellt wird. Zur Masse gehörende, vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch den Treuhänder (vgl. § 313 Abs. 1 Satz 1 InsO aF) nicht verwertete Gegenstände sind – auch auf Antrag eines Treuhänders – gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO der Nachtragsverteilung zuzuführen47. Hierbei geht es insbesondere um Gegenstände, deren Existenz oder Aufenthaltsort dem Verwalter unbekannt geblieben ist, etwa weil sie ihm verheimlicht wurden. Die Vorschrift erfasst aber auch Gegenstände, die der Verwalter zunächst nicht für verwertbar hielt und deswegen nicht zur Masse gezogen hat. Deswegen ist unerheblich, ob der Schuldner den weiteren Beteiligten über das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht informiert hat. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens steht der Anordnung der Nachtragsverteilung nicht entgegen (§ 203 Abs. 2 InsO).
Die Frage, ob die dem Schuldner zugesprochenen Geldbeträge zum insolvenzfreien Vermögen des Schuldners gehören oder in die Masse fallen, ergibt sich nicht aus den europäischen Richtlinien, welche der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 15 AGG umsetzen wollte, sondern richtet sich nach dem nationalen deutschen Recht48. Dies folgt bereits daraus, dass die umgesetzten Richtlinien wenigstens nicht in erster Linie Schadensersatzansprüche regeln, sondern das Ziel haben, die Mitgliedstaaten zu veranlassen, durch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen Diskriminierungsverbote durchzusetzen. Diese Sanktionen können, aber müssen nach den Richtlinien nicht in Schadensersatzleistungen an die Opfer bestehen. Wenn ein Mitgliedstaat die Diskriminierungsverbote durch zivilrechtliche Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche durchzusetzen versucht, müssen diese Ansprüche sich zwar an den europarechtlichen Vorgaben ausrichten und unterliegen insoweit dem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Durch die Übertragbarkeit und Pfändbarkeit der Ansprüche wird aber der durch die Richtlinien und § 15 AGG verfolgte Zweck, dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung durch geeignete Sanktionen zum Durchbruch zu verhelfen, nicht berührt. Nichts Anderes gilt im Ergebnis für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. Juni 2020 – IX ZB 11/19
- AG Offenbach am Main, Beschluss vom 08.05.2017 – 8 IK 663/11; LG Darmstadt, Beschluss vom 07.02.2019 – 5 T 345/17[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.05.2014 – IX ZB 72/12, NZI 2014, 656 Rn. 11 mwN[↩]
- vgl. BVerwGE 150, 234 Rn. 25[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 21[↩]
- BGBl. I S. 478[↩]
- BGH, Urteil vom 24.03.2011, aaO Rn. 33 ff; Beschluss vom 22.05.2014 – IX ZB 72/12, NZI 2014, 656 Rn. 15; Staudinger/Schiemann, BGB, 2017, § 253 Rn. 48[↩]
- BGH, Beschluss vom 10.11.2011 – IX ZA 99/11, NZI 2011, 979 Rn. 5[↩]
- BGH, Urteil vom 24.03.2011, aaO Rn. 33[↩]
- BGH, Beschluss vom 10.11.2011, aaO Rn. 4; vom 18.10.2012 – IX ZB 263/10, ZOV 2012, 336 Rn. 4[↩]
- BGH, Urteil vom 12.11.2015 – III ZR 204/15, BGHZ 207, 365 Rn. 15 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 12.11.2015, aaO Rn.20, 24 ff[↩]
- vor Aufhebung des § 847 BGB vgl. BGH, Entscheidung vom 25.02.1969 – VI ZR 241/67, NJW 1969, 1110, 1111[↩]
- BGH, Urteil vom 24.03.2011, aaO Rn. 36; Beschluss vom 22.05.2014, aaO Rn. 16; vgl. Beuthien, GRUR 2014, 957, 959[↩]
- BGH, Urteil vom 29.04.2014 – VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn. 8; vom 23.05.2017 – VI ZR 261/16, BGHZ 215, 117 Rn. 12; vgl. MünchKomm-BGB/Roth/Kieninger, 8. Aufl., § 399 Rn. 10[↩]
- BGH, Urteil vom 29.04.2014, aaO Rn. 17[↩]
- BGH, Urteil vom 29.04.2014, aaO Rn. 18[↩]
- BGH, Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 41[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.05.2014 – IX ZB 72/12, NZI 2014, 656 Rn. 14[↩]
- BGH, Urteil vom 24.03.2011, aaO Rn. 42 ff; Beschluss vom 22.05.2014 Rn.19 ff[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.05.2014, aaO Rn. 21[↩]
- Rupp in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl., § 15 AGG Rn. 8; Hey/Forst, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 28; v. Roetteken, AGG, 2020, § 15 Rn. 338; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Schlachter, 20. Aufl., § 15 AGG Rn. 7; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, 4. Aufl., § 15 Rn. 59, 99; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 829 Rn. 33.42; Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Oetker, Band 1, 4. Aufl., § 17 Rn. 106; aA Oberhofer, jurisPR-ArbR 12/2012 Anm. 3 unter C[↩]
- LArbG Baden-Württemberg, NZI 2012, 333, 335[↩]
- BAGE 129, 181 Rn. 75; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, 4. Aufl., § 15 Rn. 58; Staudinger/Serr, BGB, 2018, § 15 AGG Rn. 35; BeckOK-BGB/Horcher, 2020, § 15 AGG Rn. 26; Erman/Belling/Riesenhuber, BGB, 15. Aufl., § 15 AGG Rn. 11[↩]
- BGH, Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 42; Beschluss vom 22.05.2014 – IX ZB 72/12, NZI 2014, 656 Rn. 18[↩]
- vgl. Hey/Forst, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 28[↩]
- vgl. dazu Staudinger/Serr, BGB, 2018, Einleitung AGG Rn. 1 ff[↩]
- so BT-Drs. 16/1780 S. 38; BAGE 129, 181 Rn. 75; BVerwGE 150, 234 Rn. 33 f[↩]
- EuGH, Urteil vom 22.04.1997 – Rs – C-180/95, ZIP 1997, 798 Rn. 24 zur RL 76/207/EWG und zu § 611a BGB aF; BVerwGE aaO; Staudinger/Serr, aaO, § 15 AGG Rn. 3; BeckOGK-AGG/Benecke, 2020, § 15 Rn. 2; BeckOK-BGB/Horcher, 2020, § 15 AGG Rn. 1; Euler/Schneider in Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Aufl., § 15 AGG Rn. 1; Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG, 4. Aufl., § 15 Rn. 3; Hey/Forst, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 7[↩]
- EuGH, Urteil vom 22.04.1997, aaO Rn. 25; BVerwG, aaO; Staudinger/Serr, aaO; BeckOGKAGG/Benecke, aaO Rn. 3; BeckOK-BGB/Horcher, aaO; Euler/Schneider, aaO; Däubler/Bertzbach/Deinert, aaO, Rn. 3 f; Hey/Forst, aaO Rn. 9[↩]
- BVerwGE 150, 234 Rn. 24[↩]
- vgl. BAG, ZIP 2015, 1508 Rn. 23; BVerwGE aaO Rn. 33; Däubler/Bertzbach/Deinert, aaO, § 15 Rn. 13; Rupp in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl., § 15 AGG Rn. 8[↩]
- Däubler/Bertzbach/Deinert, aaO; Rupp, aaO; vgl. auch BAGE 129, 181 Rn. 82[↩]
- BGH, Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 43[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.05.2014 – IX ZB 72/12, NZI 2014, 656 Rn.20; vgl. zu dem Merkmal des fehlenden Anspruchs Madaus, NZI 2014, 658, 659[↩]
- BAGE 129, 181 Rn. 72 f[↩]
- BAGE 129, 181 Rn. 80; vgl. auch BGH, Urteil vom 23.04.2012 – II ZR 163/10, BGHZ 193, 110 Rn. 68; Hey/Forst, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 90, 99[↩]
- BAGE 129, 181 Rn. 70[↩]
- so die Voraussetzungen des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts: BGH, Urteil vom 14.11.2017 – VI ZR 534/1519[↩]
- BAGE 129, 181 Rn. 72 f; Erman/Belling/Riesenhuber, BGB, 15. Aufl., § 15 AGG Rn. 13[↩]
- BeckOGK-AGG/Benecke, 2020, § 15 Rn. 45 f[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 44; BGH, Urteil vom 22.05.2014 – IX ZB 72/12, NZI 2014, 656 Rn. 21[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 44; BGH, Beschluss vom 22.05.2014 – IX ZB 72/12, NZI 2014, 656 Rn. 22[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2000 – III ZR 151/99, BGHZ 146, 153, 158 f; BVerwGE 150, 234 Rn. 26; MünchKomm-BGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl., § 839 Rn. 100a ff; Staudinger/Wöstmann, BGB, 2013, § 839 Rn. 530 ff[↩]
- vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 05.05.2011 – VII ZB 17/10, WM 2011, 1141 Rn. 8 ff; BGH, Beschluss vom 18.10.2012 – IX ZB 263/10, ZOV 2012, 336 Rn. 4; Urteil vom 07.11.2019 – III ZR 17/19, NJW 2020, 1364 Rn. 15 ff mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 24.03.2011 – IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 33[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.05.2014 – IX ZB 72/12, NZI 2014, 656 Rn. 9[↩]
- BGH, Beschluss vom 20.12.2018 – IX ZB 8/17, NJW 2019, 999 Rn. 26[↩]
- vgl. EGMR, NJW 2001, 56 Rn. 133 für den Anspruch aus Art. 41 EMRK[↩]