Es obliegt dem Bestreitenden, seinen Widerspruch zu verfolgen, wenn ein Gläubiger neben einem auf Zahlung Zug um Zug lautenden Titel auch über einen weiteren Titel verfügt, mit dem die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung aus dem Zugum-Zug-Titel nachgewiesen werden.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat die von der Gläubigerin erhobene Feststellungsklage den Zweck, mittels öffentlicher Urkunde den Nachweis führen zu können, dass der Schuldner befriedigt ist, um so die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO aus der Zugum-Zug-Verurteilung herzustellen1. Sie dient damit der Durchsetzung des durch Urteil des Vorprozesses titulierten Zahlungsanspruchs. Bei diesem Zahlungsanspruch handelt es sich um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 87 InsO, so dass eine Fortsetzung des Berufungsverfahrens zur Abwehr dieser Forderung ausschließlich unter den Voraussetzungen der §§ 174 ff, 179, 180 Abs. 2 InsO in Betracht kommt2.
Gemäß § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Diese Regelung verweist die Insolvenzgläubiger auf das Anmeldeverfahren nach §§ 174 ff InsO. Aus § 179 InsO folgt, dass eine bestrittene Forderung im Klageverfahren festzustellen ist3. Liegt für die bestrittene Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es gemäß § 179 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen. Ist über die Forderung bereits ein Rechtsstreit anhängig, kann der Widerspruch gemäß § 180 Abs. 2 InsO grundsätzlich nur durch Aufnahme dieses Rechtsstreits verfolgt werden4.
Die Verteilung der Betreibungslast für die gerichtliche Feststellung bestrittener Forderungen ergibt sich aus § 179 InsO5.
Gemäß § 179 Abs. 1 InsO liegt die Betreibungslast für die Feststellung nicht titulierter Forderungen bei dem anmeldenden Gläubiger. Diesem ist es überlassen, gegen den oder die Bestreitenden Klage auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle zu erheben. Grund hierfür ist einerseits, dass der Gläubiger es sich nicht gefallen lassen muss, gegen seinen Willen in einen Rechtsstreit verwickelt zu werden, und andererseits, dass Verwalter und widersprechende Gläubiger kein Interesse daran haben, ihrerseits die Feststellung des Nichtbestehens der Forderung zu betreiben, weil nach § 189 Abs. 1 InsO die bestrittene Forderung nicht berücksichtigt wird, wenn nicht der Gläubiger binnen der dort bestimmten Ausschlussfrist die Klageerhebung nachweist6.
Liegt hingegen für die angemeldete Forderung bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, wird die Betreibungslast gemäß § 179 Abs. 2 InsO dem Widersprechenden unabhängig davon auferlegt, ob der Titel rechtskräftig ist oder nicht7. Zwar verhindert in diesem Fall der Widerspruch des Insolvenzverwalters zunächst die Feststellung in gleicher Weise wie bei nicht titulierten Forderungen8. Wenn aber der Insolvenzverwalter den Widerspruch gegen die Forderung nicht spätestens bis zum Tag der Verteilung verfolgt, ist die Forderung bei der Abschlags- und Schlussverteilung durch Auszahlung der Quote zu berücksichtigen (arg. § 189 InsO)9. Der Grund für diese Privilegierung des Gläubigers nach § 179 Abs. 2 InsO liegt zum einen in der mit der Titulierung verbundenen Rechtsschein- oder Vermutungswirkung für das Bestehen der Forderung. Zum anderen soll dem Gläubiger der titulierten Forderung die Rechtsposition, die er vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Verhältnis zu dem Schuldner erlangt hat, auch im Verhältnis zu dem Widersprechenden erhalten bleiben10.
Die Gläubigerin verfügte vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem im Vorprozess erwirkten Urteil vom 06.02.2012 über einen (rechtskräftigen) Zahlungstitel. Insoweit kann dahinstehen, ob den Bestreitenden die Betreibungslast gemäß § 179 Abs. 2 InsO bereits dann trifft, wenn der Gläubiger lediglich über einen Titel verfügt, der – wie hier das von der Gläubigerin im Vorprozess erwirkte Urteil – auf Zahlung Zug um Zug lautet. Eine solchermaßen eingeschränkte Forderung ist jedenfalls dann im Sinne des § 179 Abs. 2 InsO tituliert, wenn der Gläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen weiteren Titel erwirkt hat, mit dem – wie im Streitfall durch das erstinstanzliche Urteil – die Vollstreckungsvoraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO nachgewiesen sind.
In einem solchen Fall hat der Gläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens alles getan, um die Vollstreckung gegen den Schuldner betreiben zu können. Dies rechtfertigt es, ihm nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die gegenüber dem Schuldner bereits erlangte Rechtsposition in der Weise zu erhalten, dass seine Forderung bei der Verteilung berücksichtigt wird, wenn nicht der Bestreitende seinerseits die gerichtliche Feststellung betreibt.
Unter diesen Umständen erscheint die Befreiung des Gläubigers von der Betreibungslast auch deshalb gerechtfertigt, weil – umgekehrt – ein Titel über die seinen Anspruch einschränkende Gegenleistung nicht existiert. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass eine Feststellungsklage gemäß § 756 Abs. 1 ZPO, wie sie hier von der Gläubigerin erhoben worden ist, die Gegenleistung nicht zum Streitgegenstand erhebt11. Schon das auf Erfüllung Zug um Zug lautende Urteil ist nur insoweit der Rechtskraft fähig, als es über den mit der Klage erhobenen Anspruch – hier: den Zahlungsanspruch der Gläubigerin in Höhe von 21, 25 Mio. € – entscheidet, nicht aber auch insoweit, als es der beklagten Partei das Recht vorbehält, die Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern. Die Feststellung der Verpflichtung der Gläubigerin zur Gegenleistung nimmt an der Rechtskraft nicht teil12. Erst recht kann dann der zusätzliche – und ohnehin nur aus prozessökonomischen Gründen im Hinblick auf §§ 756, 765 ZPO ausnahmsweise zulässige13 – Antrag, die Befriedigung oder den Annahmeverzug des Schuldners festzustellen, nicht dazu führen, dass nunmehr auch die Gegenforderung Streitgegenstand wird14.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. August 2022 – IX ZR 78/21
- vgl. bereits BGH, Beschluss vom 18.09.2018 – XI ZR 74/17, MDR 2019, 692 Rn. 24[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2021 – V ZR 181/19, NZI 2021, 669 Rn. 13[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 315/14, BGHZ 213, 362 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2021, aaO[↩]
- vgl. Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 179 Rn. 1; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 179 Rn. 1[↩]
- vgl. Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 179 Rn. 7; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2015, § 179 Rn. 10[↩]
- vgl. FK-InsO/Kießner, 9. Aufl., § 179 Rn. 18, 21; Jaeger/Gerhardt, InsO, 5. Aufl., § 179 Rn. 5[↩]
- vgl. FK-InsO/Kießner, aaO Rn.19[↩]
- vgl. HmbKomm-InsO/Gerichhausen, 9. Aufl., § 189 Rn. 2; Jung in Henning/Lackmann/Rein, Privatinsolvenz, § 189 InsO Rn. 1; siehe auch Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 189 Rn.20[↩]
- vgl. MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 179 Rn. 29; Jaeger/Gerhardt, aaO Rn. 25 f mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280, 2281 unter 1.b[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2000, aaO mwN; siehe auch Staudinger/Schwarze, BGB, 2020, § 322 Rn. 18, 20; Münch-Komm-BGB/Emmerich, 9. Aufl., § 322 Rn. 7[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2000 – XII ZR 41/98, NJW 2000, 2663 unter 5.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2000, aaO[↩]