Der Insolvenzverwalter kann ein übertragbares Angebot auf Abschluss eines Abtretungsvertrages annehmen, welches dem Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unterbreitet worden ist.

Dem Schuldner sind in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wirksame Angebote auf Abtretung der Gesellschaftsanteile unterbreitet worden.
Ein Schuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, bleibt rechts- und geschäftsfähig1. Die Insolvenzordnung verbietet ihm nicht, nach Verfahrenseröffnung Verträge mit Dritten zu schließen. Der Fall, dass ein Schuldner persönlich rechtsgeschäftlich tätig wird, ist in der Insolvenzordnung – von der hier nicht einschlägigen und im Hinblick auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 27.03.2003 auch nicht anwendbaren Vorschrift des § 35 Abs. 2 InsO abgesehen – nicht ausdrücklich geregelt und wurde vom Gesetzgeber offensichtlich nicht bedacht. Die Anwendung der vorhandenen Bestimmungen führt zu wenig sinnvollen Ergebnissen. Einerseits wird nämlich der Schuldner persönlich aus den von ihm geschlossenen Verträgen verpflichtet. Aus § 80 Abs. 1 InsO und § 55 InsO folgt hinreichend deutlich, dass die vom Schuldner geschlossenen Verträge nicht das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen betreffen können; Masseverbindlichkeiten kann der Schuldner ohne Zustimmung des Verwalters nicht begründen. Andererseits fallen die aus dem Vertrag folgenden Rechte der Insolvenzmasse zu2. Gemäß § 35 Abs. 1 InsO (§ 35 InsO aF) erfasst das Insolvenzverfahren auch dasjenige Vermögen, welches der Schuldner während des Verfahrens erlangt. Dieses eigenartige, mit §§ 320 ff BGB kaum im Einklang stehende Ergebnis3 ändert jedoch nichts daran, dass der Schuldner persönlich Verträge schließen kann. Dann kann er auch Empfänger eines auf Abschluss eines Abtretungsvertrages gerichteten Antrags sein.
Das Angebot war hinreichend bestimmt4. Es richtete sich an den Schuldner, dem das Recht eingeräumt worden war, einen Dritten zu benennen.
Die Angebote der Anbietenden sind dem Schuldner auch insoweit zugegangen, als sie auf Abtretung von GmbH-Anteilen gerichtet waren und deshalb gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG notariell beurkundet werden mussten.
Eine formbedürftige Willenserklärung muss nicht nur in der vorgeschriebenen Form abgegeben, sondern dem Empfänger auch in dieser Form zugehen. Eine schriftliche Erklärung geht erst mit Übergabe an den anwesenden oder Eingang im Herrschaftsbereich des abwesenden Empfänger zu5. Ist die notarielle Beurkundung vorgeschrieben, muss der Empfänger eine Ausfertigung erhalten, die gemäß § 47 BeurkG die notarielle Urkunde im Rechtsverkehr vertritt6. Der Schuldner hat selbst keine Ausfertigung der notariell beurkundeten Angebote erhalten.
Das Erfordernis des Zugangs einer Willenserklärung in der nach § 15 Abs. 4 GmbHG vorgeschriebenen Form ist jedoch, anders als die gesetzliche Formvorschrift selbst, dispositiv. Abweichend von den gesetzlichen Vorschriften können Zugangserleichterungen vereinbart werden7. Das Berufungsgericht hat eine entsprechende, konkludent getroffene Vereinbarung aus der gleichzeitigen Anwesenheit aller Beteiligten im Notartermin geschlossen.
Die hiergegen gerichteten Einwände der Revision greifen im Ergebnis nicht durch. Die Anbietenden haben den Abschluss einer Verzichtsvereinbarung zwar ausdrücklich bestritten. Der in beiden Instanzen zeugenschaftlich vernommene Urkundsnotar hat zudem erklärt, dass der Schuldner gegebenenfalls die bei ihm, dem Notar, verwahrten Ausfertigungen der Urkunden über die Angebote hätte anfordern können; der Schuldner habe ihn angewiesen, die Ausfertigungen in der Handakte zu verwahren. Der so beschriebene Ablauf, mit welchem die Anbietenden offensichtlich einverstanden waren, schließt einen beiderseitigen Verzicht auf den Zugang der Erklärungen in der Form des § 15 Abs. 4 GmbHG jedoch nicht aus. Nach der weiteren Aussage des Notars, welche die Anbietenden sich ausdrücklich zu Eigen gemacht haben, sollte der Schuldner allein entscheiden können, ob und wann er die Angebote annahm oder durch einen Dritten annehmen ließ. Die Urkundsbeteiligten, also die Anbietenden, sollten nichts mehr unternehmen müssen, um die Angebote „wirksam zu machen“. Dieses Ziel konnte nur durch rechtswirksame Angebote erreicht werden. Nur dann waren die Angebote nämlich für die Anbietenden überhaupt bindend (§ 145 BGB). Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird erst mit ihrem Zugang wirksam (vgl. § 130 Abs. 1 BGB). Das gilt unabhängig davon, ob sie unter Anwesenden oder unter Abwesenden abgegeben wird. Wären die Angebote dem Schuldner nicht zugegangen, hätten die Anbietenden sie jederzeit widerrufen können, ohne dass der Schuldner dies hätte verhindern können. Das war offensichtlich nicht gewollt.
Nicht geprüft hat das Berufungsgericht, ob darin, dass der Notar die Ausfertigungen (§ 47 BeurkG) der Angebote auf Weisung des Schuldners bei sich verwahrte, um sie ihm auf Anforderung zu übersenden, ein Zugang der formgerechten Erklärungen beim Schuldner gesehen werden kann. War der Notar insoweit als Beauftragter des Schuldners tätig, hätte es einer Verzichtsvereinbarung nicht bedurft. Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch auch nicht an. Die Angebote sind dem Schuldner jedenfalls wirksam zugegangen.
Der Insolvenzverwalter hat die Angebote in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners wirksam angenommen.
Gemäß § 80 Abs. 1 InsO ist der Verwalter von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an berechtigt, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners zu verwalten und über es zu verfügen. Soweit die Befugnisse des Verwalters reichen, werden diejenigen des Schuldners verdrängt.Ob der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen ein ihm persönlich unterbreitetes Vertragsangebot annehmen kann oder ob die Annahme des Angebots dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist, hängt davon ab, ob die durch das Angebot vermittelte Rechtsposition zur Masse gehört und damit Neuerwerb im Sinne von § 35 Abs. 1 InsO (§ 35 InsO aF) darstellt.
Ein Vertragsangebot verschafft dem Empfänger eine rechtlich geschützte Position. Gemäß § 145 BGB ist der Antragende an den Antrag gebunden, wenn er die Bindung nicht ausgeschlossen hat. Gemäß § 146 BGB erlischt der Antrag erst, wenn er abgelehnt oder nicht nach den §§ 147 bis 149 BGB rechtzeitig angenommen wird.
Zur Masse gehört die Rechtsposition des Angebotsempfängers nach den allgemeinen Regeln (§§ 35, 36 InsO) dann, wenn sie abtretbar (§§ 398 ff BGB) und damit pfändbar (§§ 851, 857 ZPO) ist. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht generell, sondern nur für den jeweiligen Einzelfall durch Auslegung der Parteierklärungen entscheiden8. Sehr oft wird ein Vertragsangebot, das sich an einen bestimmten Angebotsempfänger richtet, ausschließlich für diesen bestimmt sein. Eine Abtretung kommt dann nicht in Betracht. Dem Anbieter kann nicht ohne oder sogar gegen seinen Willen ein anderer als der gewollte Vertragspartner aufgedrängt werden9. Es gibt jedoch Ausnahmen. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts kann das aus der Gebundenheit des Antragenden folgende Recht des Angebotsempfängers jeden-falls dann abgetreten werden, wenn letzterem die entsprechende Befugnis vertraglich eingeräumt worden ist10. Hat der Antragende sich ausdrücklich oder den Umständen nach damit einverstanden erklärt, dass der Angebotsempfänger an einen beliebigen Dritten weiterleiten kann, wird ihm dieser Dritte nicht ohne oder gegen seinen Willen aufgedrängt. Der Bundesgerichtshof hat unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung angenommen, dass das Recht aus einem Vertragsangebot unter der genannten Voraussetzung pfändbar ist11. Im Einverständnis aller Beteiligten können im Wege der Vertragsübernahme sogar die gesamten Rechte und Pflichten aus einem Schuldverhältnis übertragen werden12. Für die aus einem Vertragsangebot folgenden Rechte kann nichts anderes gelten. Sind sie abtretbar und pfändbar, gehören sie auch zur Masse13.
Die notariellen Angebote, um deren Annahme es hier geht, richteten sich jeweils an den Schuldner oder eine von diesem zu benennende Person. Die Anbietenden waren von vornherein mit einem anderen Vertragspartner als dem Schuldner einverstanden. Die Rechtsposition, welche der Schuldner nach Zugang der Angebote innehatte, war abtretbar, damit pfändbar und fiel als Neuerwerb in die Insolvenzmasse. Gemäß § 80 Abs. 1 InsO war es Sache des Insolvenzverwalters, über die Annahme oder Ablehnung des Angebots zu entscheiden.
Dieses Ergebnis läuft der vielfach vertretenen Ansicht zuwider, der Schuldner entscheide allein über den Neuerwerb, während dem Verwalter allenfalls ein Zurückweisungsrecht entsprechend § 333 BGB zustehe14. Es ist gleichwohl richtig. Die Befugnisse des Schuldners sind dann, wenn er an ihn persönlich gerichtete Vertragsangebote nicht annehmen oder ablehnen kann, zwar beträchtlich eingeschränkt. Die Einschränkung betrifft jedoch nur solche Angebote, die abtretbar und pfändbar sind und deshalb in die Masse fallen. Für ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages wird dies regelmäßig nicht der Fall sein. Soweit der Schuldner selbständig tätig ist und durch § 35 Abs. 1 (§ 35 aF) teilweise vom Geschäftsleben ausgeschlossen wird15, hat er diese Wertentscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen. Nach § 35 InsO wird der Schuldner entweder mit Zustimmung des Verwalters selbständig tätig, steht dann aber unter dessen Aufsicht und handelt für Rechnung der Masse, oder die selbständige Tätigkeit wird freigegeben (§ 35 Abs. 2 InsO). Dass der Schuldner unabhängig vom Verwalter eigennützig selbständig tätig ist, sieht die Insolvenzordnung während des laufenden Insolvenzverfahrens nicht vor.
Der Verwalter konnte auch das auf Abtretung des Kommanditanteils gerichtete Angebot annehmen. Die Revision verweist dazu auf § 16 des Gesellschaftsvertrages dieser Gesellschaft, in welchem es unter der Überschrift „Vermögensverfall“ heißt: „Wird über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet oder Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt, scheidet der betroffene Gesellschafter rückwirkend auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung oder ablehnung aus der Gesellschaft aus“. Daraus, dass sämtliche Beteiligte bei Abgabe des Angebots von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wussten, hat das Berufungsgericht geschlossen, dass der Schuldner das Angebot auch während des Insolvenzverfahrens sollte annehmen können. Das bindende, unwiderrufliche Angebot in Kenntnis des eröffneten Insolvenzverfahrens, welches der Schuldner ohne weitere Mitwirkung der Anbietenden sollte annehmen können, stand außer Streit. Dass der Schuldner gleichwohl erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens berechtigt sein sollte, die Annahme zu erklären, haben die Anbietenden selbst nicht behauptet.
Der Verzicht, welchen der Schuldner am 7.07.2009 erklärt hat, war wirkungslos. Der Schuldner konnte nicht über ein zur Masse gehörendes Recht verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO).
Die Annahmeerklärungen des Insolvenzverwalters brauchten dem jeweiligen Anbieter nicht zuzugehen. Die Angebote sahen jeweils vor, dass für die Wirksamkeit der Annahme deren notarielle Beurkundung durch einen Notar genügen sollte. Damit haben die Anbietenden auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet (§ 151 BGB).
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Februar 2015 – IX ZR 174/13
- HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 80 Rn.19; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 80 Rn. 7; Piekenbrock in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 80 Rn. 9; Schmidt/Sternal, InsO, 18. Aufl., § 80 Rn. 8 f; Windel, KTS 1995, 367, 398[↩]
- Jaeger/Henckel, InsO, § 35 Rn. 126; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20.03.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 173 unter – V 2 b[↩]
- vgl. hierzu und zu möglichen Lösungen Windel, KTS 1995, 367, 397 ff[↩]
- vgl. zur Geltung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., § 15 Rn. 22; vgl. auch RG JW 1932, 1008, 1009; BGH, Beschluss vom 19.04.2010 – II ZR 150/09, WM 2010, 1414 Rn. 4 jeweils zur Frage der Bestimmtheit des Gesellschaftsanteils[↩]
- RGZ 61, 414, 415 zu § 766 BGB; BGH, Urteil vom 15.06.1998 – II ZR 40/97, ZIP 1998, 1392, 1393; RGRK/Krüger-Nieland, BGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 18, 32; MünchKomm-BGB/Einsele, 6. Aufl., § 130 Rn. 27, 33; Bamberger/Roth/Wendtland, BGB, 3. Aufl., § 130 Rn. 11, 27; Erman/Arnold, BGB, 14. Aufl., § 130 Rn.19, 22; Ahrens in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., § 130 Rn. 8, 24[↩]
- BGH, Urteil vom 07.06.1995 – VIII ZR 125/94, BGHZ 130, 71, 73; vom 10.07.2013 – IV ZR 224/12, BGHZ 198, 32 Rn. 25; RGRK/Krüger-Nieland, aaO; MünchKomm-BGB/Einsele, aaO Rn. 21; Erman/Arnold, aaO Rn.19; krit. Kanzleiter, DNotZ 1996, 931[↩]
- BGH, Urteil vom 07.06.1995, aaO S. 75[↩]
- Staudinger/Bork, BGB, 2010, § 145 Rn. 35; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 145 Rn.19; RGRK/Piper, BGB, 12. Aufl., § 145 Rn.20; Bamberger/Roth/Eckert, BGB, 3. Aufl., § 145 Rn. 48; Brinkmann in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., § 145 Rn. 13; Windel, KTS 1995, 367, 371[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Busche, 6. Aufl., § 145 Rn. 22[↩]
- RGZ 111, 46, 47; RG JW 1914, 350[↩]
- BGH, Urteil vom 20.02.2003 – IX ZR 102/02, BGHZ 154, 64, 69[↩]
- vgl. etwa BGH, Urteil vom 20.06.1985 – IX ZR 173/84, BGHZ 95, 88, 93 ff; vom 15.08.2002 – IX ZR 217/99, WM 2002, 1968, 1970; vom 11.05.2012 – V ZR 237/11, WM 2012, 1331 Rn. 7[↩]
- vgl. Jaeger/Windel, InsO, § 81 Rn. 37; Staudinger/Bork, aaO[↩]
- vgl. etwaMünchKomm-InsO/Peters, 3. Aufl., § 35 Rn. 53; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn.09.26; Windel, KTS 1994, 367, 400[↩]
- vgl. Windel, aaO[↩]
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