Der isolierte Restschuldbefreiungsantrag – und die Hinweise des Insolvenzgerichts

Grundsätzlich ergibt sich für das Verbraucherinsolvenzverfahren bereits aus der gesetzlichen Regelung der § 305 Abs. 1, § 306 Abs. 3 InsO, dass ein Eigenantrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Voraussetzung für die Gewährung der Restschuldbefreiung ist.

Der isolierte Restschuldbefreiungsantrag – und die Hinweise des Insolvenzgerichts

Durch diese Verpflichtung des Schuldners, einen Eigenantrag zu stellen, soll nach dem gesetzgeberischen Willen die Durchführung des außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens gewährleistet werden1.

Dieses Ziel einer Entlastung der Gerichte durch das vorgeschaltete Schuldenbereinigungsverfahren kann regelmäßig nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf einen Gläubigerantrag nicht mehr erreicht werden, weil dem Schuldner zu diesem Zeitpunkt gemäß § 81 InsO die Rechtsmacht fehlt, seinen Gläubigern eine teilweise Befriedigung ihrer Forderungen anzubieten2.

Um dem Schuldner sofern es sich um eine natürliche Person handelt die Wahrung seiner Rechte zu ermöglichen, ist er umfassend auf die Erfordernisse zur Erlangung der Restschuldbefreiung hinzuweisen3. Ein fehlerhafter, unvollständiger oder verspäteter Hinweis des Insolvenzgerichts verletzt regelmäßig das Recht des Schuldners auf rechtliches Gehör und darf nicht dazu führen, dass der Schuldner aus Rechtsunkenntnis die Möglichkeit der Restschuldbefreiung verliert4. Daher ist in diesen Ausnahmefällen die Stellung eines isolierten Restschuldbefreiungsantrages zulässig5.

Im vorliegenden Fall beurteilte der Bundesgerichtshof die durch das Insolvenzgericht erteilten Hinweise als hinreichend klar und vollständig, weshalb sie den Schuldner nicht in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzten. Der nach Eintritt der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO gestellte Antrag auf Restschuldbefreiung war danach unzulässig.

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Bereits mit seiner ersten Verfügung hat das Insolvenzgericht den Schuldner in einer den Anforderungen des § 20 Abs. 2 InsO genügenden Weise auf die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, das Erfordernis der eigenen Antragsstellung binnen einer Frist von vier Wochen und die Folgen eines unterbliebenen Eigenantrags hingewiesen. Den Inhalt dieses klar und für einen juristischen Laien verständlich formulierten Hinweises hat der Schuldner in zutreffender Weise erfasst und befolgt, was sich in der Stellung des Eigenantrags und des Antrags auf Restschuldbefreiung am 16.01.2011 widerspiegelt. Dass das Insolvenzgericht hierbei seine Hinweise zunächst vorwiegend an der Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens ausrichtete, ist mangels eines ausdrücklich auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zielenden Gläubigerantrags nicht zu beanstanden6.

Auch der nach Überleitung in ein Verbraucherinsolvenzverfahren erteilte Hinweis zeigt einem rechtsunkundigen Schuldner in hinreichender Deutlichkeit die Notwendigkeit der Durchführung des Schuldenbereinigungsverfahrens binnen einer Frist von drei Monaten auf. Auf die drohende Folge des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO nimmt der Hinweis insoweit ausdrücklich Bezug. Allein die Verwendung des Rechtsbegriffs der Rücknahmefiktion lässt den Hinweis für sich betrachtet nicht als für den juristischen Laien unverständlich erscheinen. Vielmehr musste es sich dem Schuldner aufdrängen, dass er – sofern er sich entgegen dem klar formulierten gerichtlichen Hinweis zur Nichtdurchführung des Schuldenbereinigungsverfahrens entschließt – Rechtsnachteile in Kauf nimmt. Erscheint einem der Verfahrensbeteiligten ein Rechtsbegriff nicht verständlich, ist es ihm unbenommen und regelmäßig auch zumutbar, sich binnen der dreimonatigen Frist des § 305 Abs. 3 Satz 3 InsO kundigen Rechtsrat zu suchen oder das Insolvenzgericht um Erläuterung zu bitten. Die insofern großzügig bemessene Frist dient gerade dem Schutz des Schuldners vor übereilten Entscheidungen7.

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Dass dieser zweite erteilte Hinweis nicht ausdrücklich die aufgrund einer Nichtdurchführung des Schuldenbereinigungsverfahrens drohende Rücknahmefiktion mit dem Verlust der Möglichkeit auf Erteilung der Restschuldbefreiung verknüpft, steht der Wirksamkeit der dem Schuldner erteilten Belehrung nicht entgegen. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zu dem ersten erteilten Hinweis nach § 20 Abs. 2 InsO ist regelmäßig davon auszugehen, dass einem verständigen und gewissenhaften Schuldner der Beweggrund für die überdies erst nach dem ersten gerichtlichen Hinweis erfolgte Stellung des Eigenantrags, nämlich die erstrebte Restschuldbefreiung, bewusst ist. Dem Schuldner ist hierbei zuzumuten, auch vorangegangene gerichtliche Hinweise (erneut) heranzuziehen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. April 2015 – IX ZB 93/12

  1. vgl. Münch-Komm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl., § 306 Rn. 1; Schmidt/Stephan, InsO, 18. Aufl., § 306 Rn. 1[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 17.02.2005 – IX ZB 176/03, BGHZ 162, 181, 187[]
  3. BGH, Beschluss vom 17.02.2005, aaO S. 183 f[]
  4. BGH, Beschluss vom 17.02.2005, aaO S. 186; BGH, Beschluss vom 03.07.2008 – IX ZB 182/07, NJW 2008, 3494 Rn.20 f[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 17.02.2005, aaO; BGH, Beschluss vom 03.07.2008, aaO[]
  6. vgl. Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 306 Rn. 64; HmbKomm-InsO/Streck/Ritter, 5. Aufl., § 306 Rn. 12[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2008 – IX ZB 112/08, NZI 2009, 120 Rn. 9[]
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