Bei der Corona-Soforthilfe (Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ und ergänzendes Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“) handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung. Im Hinblick auf die Verwirklichung der mit dieser Soforthilfe verbundenen Zweckbindung ist in Höhe des bewilligten und auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gutgeschriebenen Betrags der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO zu erhöhen.

Bei der Corona-Soforthilfe handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung. Im Hinblick auf die Verwirklichung der mit der Corona-Soforthilfe verbundenen Zweckbindung ist hinsichtlich des auf dem Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin gutgeschriebenen Betrags der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO zu erhöhen
Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfe
Nach § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung nur pfändbar, wenn sie übertragbar ist. Damit verweist § 851 Abs. 1 ZPO unter anderem auf die Regelung des § 399 1. Fall BGB. Danach kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. § 399 1. Fall BGB erfasst Forderungen, die aufgrund ihres Leistungsinhalts eine so enge Verknüpfung zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses herbeiführen, dass ein Wechsel in der Gläubigerperson als unzumutbar anzusehen ist beziehungsweise die Identität der Forderung nicht gewahrt bleibt1. Hierzu gehören zweckgebundene Forderungen, soweit der Zweckbindung ein schutzwürdiges Interesse zugrunde liegt2.
Nach diesen Grundsätzen ist die Corona-Soforthilfe ausweislich der ihr zugrundeliegenden Bestimmungen als zweckgebunden einzustufen3. Zur Beurteilung der Zweckbindung der Corona-Soforthilfe sind der Bewilligungsbescheid und die Programme des Bundes und der Länder heranzuziehen. Ausweislich dieser Programme und des diese umsetzenden Bescheids dient die Corona-Soforthilfe, bei der es sich um eine Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung ohne Rechtsanspruch handelt4, der Abmilderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens beziehungsweise des Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Sie soll nicht laufenden Lebensunterhalt abdecken, sondern insbesondere Liquiditätsengpässe, die seit dem 1.03.2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind, überbrücken. Ausdrücklich nicht umfasst sind nach dem Bescheid vor dem 1.03.2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten beziehungsweise Liquiditätsengpässe. Aus den Bestimmungen zur Beihilfegewährung geht hervor, dass die Corona-Soforthilfe nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen dient, die – wie im Streitfall – vor dem 1.03.2020, sondern nur solchen, die seit dem 1.03.2020 entstanden sind. Die Mittel sind zur Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben vorgesehen, wobei die Entscheidung darüber, welche Ausgaben damit getätigt werden und in welcher Reihenfolge damit Forderungen erfüllt werden, nach den Förderbestimmungen allein dem Empfänger der Soforthilfe obliegt, der eine zweckentsprechende Verwendung später auch zu verantworten hat.
Erhöhung des Pfändungsfreibetrags auf dem Pfändungsschutzkonto
Es kann für den Bundesgerichtshof offenbleiben, ob – wie das Landgericht Bonn meint5 – zugleich die Voraussetzungen des § 765a ZPO im vorliegenden Fall erfüllt sind, wogegen angesichts der getroffenen Feststellungen Bedenken bestehen. Eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrags hinsichtlich des auf dem Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin gut geschriebenen Betrags von 9.000 € ist in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO auszusprechen.
Nach dieser Vorschrift kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag einen von § 850k Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend ausführt, sind die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Weder handelt es sich bei der Corona-Soforthilfe um eine als Arbeitseinkommen zu qualifizierende Zuwendung im Sinne der §§ 850a ff. ZPO noch um eine der Schuldnerin gewährte Sozialleistung auf Grund des Sozialgesetzbuches. Vielmehr stellt diese eine freiwillig gewährte Subvention zugunsten von Kleingewerbetreibenden dar, die dazu dienen soll, eine durch die Corona-Pandemie begründete wirtschaftliche Notlage der Schuldnerin auszugleichen6.
Hinsichtlich solcher aufgrund landes- oder bundesrechtlicher Vorschriften gewährter öffentlich-rechtlicher Subventionen enthält das Gesetz eine planwidrige Lücke, die im Hinblick auf den mit der Gewährung der CoronaSoforthilfe verfolgten Zweck dahin zu schließen ist, dass in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO der pfändungsfreie Betrag um den Betrag der gewährten Zuwendung zu erhöhen ist7.
Die entsprechende Anwendung einer Vorschrift setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes und eine vergleichbare Interessenlage voraus8. Beides ist hier der Fall.
Die Pfändungsschutzvorschrift in § 850k Abs. 4 ZPO enthält keine Regelung zu der Frage, ob öffentlich-rechtliche Subventionen, die zu bestimmten Zwecken aufgrund landes- oder bundesrechtlicher Vorschriften gewährt werden, zu einer Erhöhung des Pfändungsfreibetrags zugunsten des Schuldners führen können, der ein Pfändungsschutzkonto unterhält. Der Gesetzgeber hat diesen Fall erkennbar nicht bedacht. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass die geplante gesetzliche Neuregelung der die Führung eines Pfändungsschutzkontos betreffenden Vorschriften zukünftig eine Regelung für staatliche Beihilfeleistungen enthalten soll9.
Die Interessenlage des Schuldners, dem eine Corona-Soforthilfe gewährt und auf seinem als Pfändungsschutzkonto geführten Konto gutgeschrieben wird, ist mit derjenigen eines Schuldners vergleichbar, der eine Leistung nach dem Sozialgesetzbuch zur Sicherung seines Lebensunterhalts erhält. Mit der Corona-Soforthilfe wird ebenfalls die Sicherung der Existenz des Unternehmens oder des Selbständigen bezweckt. Dieses Ziel würde nicht erreicht, wenn der Empfänger auf die gewährte Beihilfe nach Gutschrift auf seinem Pfändungsschutzkonto nicht mehr im Rahmen der Zweckbindung zugreifen könnte. Diese besondere Zweckbindung rechtfertigt es daher, die Gewährung der CoronaSoforthilfe der Auszahlung einer der Sicherung des Lebensunterhalts dienenden Sozialleistung gleichzustellen mit der Folge, dass auf Antrag des Schuldners in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO der pfändungsfreie Betrag um den Betrag der gewährten Soforthilfe zu erhöhen ist.
Der Bundesgerichtshof hat diesen Rechtsgedanken, wonach die Zweckbindung einer Zuwendung, soweit ihr ein schutzwürdiges Bedürfnis zugrunde liegt, nach ihrer Auszahlung nicht vollständig entfällt, sondern dem Schuldner der Zugriff auf die Vermögenszuwendung durch Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften erhalten bleibt, in verschiedenen Fällen herangezogen10, um die Zweckbindung effektiv zum Tragen kommen zu lassen. Zur Umsetzung des mit der Gewährung der Corona-Soforthilfe verfolgten gesetzlichen Zwecks ist im Interesse des Schuldners auch nach Auszahlung der Beihilfe auf ein bestehendes Pfändungsschutzkonto der Zugriff durch entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 850k Abs. 4 ZPO zu gewährleisten.
Es ist unerheblich, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Corona-Soforthilfe in der Person der Schuldnerin vorlagen oder nicht. Dies ist im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht zu prüfen. Die Frage betrifft vielmehr das Rechtsverhältnis der Schuldnerin zu der die Beihilfe bewilligenden Stelle. Die Schuldnerin ist, sofern die Voraussetzungen für die Gewährung der Corona-Soforthilfe nicht vorgelegen haben sollten, zur Rückerstattung der Beihilfe verpflichtet. Ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers, auf eine dem Schuldner unberechtigt gewährte Beihilfeleistung im Wege der Pfändung zugreifen zu können, besteht dagegen nicht. Denn auch eine unberechtigte Beihilfegewährung lässt die mit dieser verbundene Zweckbindung nicht entfallen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. März 2021 – VII ZB 24/20
- BGH, Beschluss vom 30.04.2020 – VII ZB 82/17 Rn. 17, NJW-RR 2020, 820; Beschluss vom 08.11.2017 – VII ZB 9/15 Rn. 13, MDR 2018, 553[↩]
- BGH, Beschluss vom 30.04.2020 – VII ZB 82/17 Rn. 17, NJW-RR 2020, 820; Urteil vom 30.03.1978 – VII ZR 331/75, MDR 1978, 747 17[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 09.07.2020 – VII S 23/20, NJW 2020, 2749 26; LG Köln, Beschluss vom 23.04.2020 – 39 T 57/20, ZinsO 2020, 1028 18; AG Zeitz, Beschluss vom 02.09.2020 – 14 M 222/20, Rpfleger 2020, 751 7; AG Passau, Beschluss vom 07.05.2020 – 4 M 1551/20, JurBüro 2020, 330 6; Ahrens, NZI 2020, 495; Jungmann, WuB 2020, 457[↩]
- Ziff. 1.2 und 1.3 NRW-Soforthilfe 2020, Ministerialblatt MinBl – Nordrhein-Westfalen 2020, S. 360[↩]
- LG Bonn, Beschluss vom 06.08.2020 – 4 T 196/20[↩]
- vgl. Saager, ZVI 2020, 288[↩]
- vgl. Meller-Hannich, MDR 2020, 1025; Ahrens, NZI 2020, 495, 496; Jungmann, WuB 2020, 459, 460; kritisch Meier, BKR 2020, 363[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.01.2019 – VII ZR 6/18 Rn.20, NJW 2019, 1145; Urteil vom 13.03.2018 – II ZR 158/16 Rn. 31 m.w.N., NJW-RR 2018, 738[↩]
- vgl. BT-Drs.19/19850 S. 12 f., 38 zu § 902 Satz 1 Nr. 7 ZPO-E[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 30.04.2020 – VII ZB 82/17, NJW-RR 2020, 820; Beschluss vom 29.03.2006 – VII ZB 31/05, NJW 2006, 2040; Urteil vom 29.10.1969 – I ZR 72/67, MDR 1970, 210 zur Abtretbarkeit; Urteil vom 19.09.1957 – VII ZR 423/56, BGHZ 25, 211 zur Aufrechenbarkeit[↩]
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