Die vom Zentralen Mahngericht erteilte Rechtsnachfolgeklausel

Mit dem Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO, wonach bei maschineller Bearbeitung u.a. Vollstreckungsklauseln mit dem Gerichtssiegel versehen werden, hatte sich aktuell der Bundesgerichts für den Fall der Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel zu befassen:

Die vom Zentralen Mahngericht erteilte Rechtsnachfolgeklausel

Im hier entschiedenen Fall begehrt der Gläubiger den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids gegen die Schuldnerin als Rechtsnachfolgerin des Titelschuldners. Der Gläubiger ht beim Amtsgericht Regensburg – Vollstreckungsgericht – den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg – Zentrales Mahngericht – vom 29.06.2009 in Verbindung mit der Rechtsnachfolgeklausel vom 01.03.2017 beantragt. Diese Rechtsnachfolgeklausel, beruhend auf Erbfolge auf Schuldnerseite, ist bei Erteilung mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen und von dem Rechtspfleger unterschrieben worden; nachträglich ist auf dieser Rechtsnachfolgeklausel außerdem händisch ein weiteres Siegel angebracht worden.

Mit vom 10.12.2019 datierender Verfügung ist der Gläubiger vom Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – auf verschiedene Hindernisse, die dem Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entgegenstehen, hingewiesen worden. Insbesondere heißt es in dieser Verfügung wie folgt:

„2.
Die erteilte Vollstreckungsklausel entspricht nicht der Maßgabe des § 725 ZPO. Nach dem Beschluss des BGH vom 14.12.2016, – V ZB 88/16, genügt ein drucktechnisch erzeugter Ausdruck des Gerichtssiegels nicht den strengen Anforderungen des § 725 ZPO. Demnach ist die Vollstreckungsklausel zu unterschreiben und mit einem Prägesiegel oder Farbdruckstempel zu versehen. Im vorliegenden Fall wurde das Siegel lediglich drucktechnisch angebracht.

Nachdem die Erteilung der Vollstreckungsklausel (Unterschrift und Siegelung) einen einheitlichen Vorgang darstellt, und der Ersteller der Vollstreckungsklausel auch das Siegel anbringen muss, wird die Erteilung einer neuen Vollstreckungsklausel notwendig. Eine bloß nachträgliche Anbringung des Siegels reicht nicht aus.

Es wird daher angeregt; vom Prozessgericht eine neue Vollstreckungsklausel erteilen zu lassen, welche den Anforderungen des § 725 ZPO genügt. …“

Nach Korrektur verschiedener Punkte hat der Gläubiger erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg vom 29.06.2009 in Verbindung mit der Rechtsnachfolgeklausel vom 01.03.2017 beim Amtsgericht Regensburg – Vollstreckungsgericht – beantragt.

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Hierzu ist der Gläubiger vom Vollstreckungsgericht mit vom 19.03.2020 datierender Verfügung insbesondere auf Folgendes hingewiesen worden:

„3.
Die vorgelegt[e] Vollstreckungsklausel ist ungenügend: Das händische Dienstsiegel wurde nachträglich angebracht. Diese Nachsiegelung wird vom Vollstreckungsgericht Regensburg nicht akzeptiert. Die Vollstreckungsklausel muss mit Unterschrift und Siegel versehen werden. Dies stellt einen einheitlichen Vorgang dar. Es kann nicht 3 Jahre später erst ein wirksames Siegel angebracht werden. Das Mahngericht hat eine neue Klausel zu erteilen, welche erneut zugestellt werden muss.“

Der Gläubiger hat sodann das Amtsgericht Coburg um Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel ersucht. Mit Schreiben vom 27.04.2020 ist der Gläubiger vom Amtsgericht Coburg darauf hingewiesen worden, dass dem Antrag auf Erteilung einer neuen Rechtsnachfolgeklausel nicht entsprochen werden könne, da für einen derartigen Antrag keine Rechtsgrundlage existiere. Die erteilte qualifizierte Rechtsnachfolgeklausel sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Es erscheine bereits fraglich, ob § 703b Abs. 1 ZPO auf die am 1.03.2017 erteilte Rechtsnachfolgeklausel – gegebenenfalls analog – Anwendung finde, so dass es der Anbringung eines Prägesiegels möglicherweise schon deshalb nicht bedürfe. Spätestens mit der Anbringung des Prägesiegels dürften nun allerdings die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen.

Am 23.04.2020 hat der Gläubiger erneut den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Coburg vom 29.06.2009 in Verbindung mit der am 1.03.2017 erteilten RechtsnachfolgeklauseI beim Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – beantragt.

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Das Amtsgericht Regensburg – Vollstreckungsgericht – hat den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in vollem Umfang zurückgewiesen1. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen diesen Beschluss hat das Landgericht Regensburg zurückgewiesen2. Auf die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof nun die Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts Regensburg aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Regensburg zurückverwiesen:

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht Regensburg geprüft, ob eine Rechtsnachfolgeklausel vorliegt. Es unterliegt der Nachprüfung seitens des Vollstreckungsorgans, ob eine Vollstreckungsklausel erteilt wurde3.

Der rechtlichen Nachprüfung hält die Begründung des Landgerichts Regensburg indes nicht stand, mit der es die Rechtsnachfolgeklausel für nicht wirksam erteilt erachtet hat.

Nach § 703b Abs. 1 ZPO werden im Mahnverfahren bei maschineller Bearbeitung Beschlüsse, Verfügungen, Ausfertigungen und Vollstreckungsklauseln mit dem Gerichtssiegel versehen; einer Unterschrift bedarf es nicht. Diese Vorschrift enthält Sonderregelungen für die maschinelle Bearbeitung. Maschinelle Bearbeitung bedeutet grundsätzlich die Bearbeitung durch automatische Datenverarbeitungsanlagen4. Ausreichend kann sein, wenn eine teilweise maschinelle Bearbeitung stattfindet5. Durch Gesetz vom 05.12.20126, das insoweit am 1.01.2013 in Kraft getreten ist (Art. 21 Satz 2 des Gesetzes vom 05.12.2012), sind in § 703b Abs. 1 ZPO die Vollstreckungsklauseln aufgenommen worden, um derartige Klauseln, soweit Vollstreckungsbescheide ihrer bedürfen (vgl. § 796 Abs. 1 ZPO), im maschinellen Verfahren zu ermöglichen7. Danach wird im Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei Rechtsnachfolgeklauseln auf eine Unterschrift verzichtet8.

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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze genügt die Rechtsnachfolgeklausel vom 01.03.2017 den Anforderungen des § 703b Abs. 1 ZPO. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet, weil die Klausel nach den vom Landgericht Regensburg getroffenen Feststellungen mit einem maschinell erzeugten Gerichtssiegel versehen ist, das einen teilweise automatisierten, für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 703b Abs. 1 ZPO genügenden Verfahrensablauf bei dem Mahngericht belegt. Der Umstand, dass die Prüfung des Eintritts der Rechtsnachfolge selbst nicht maschinell erfolgt9, steht der Anwendung von § 703b Abs. 1 ZPO nicht entgegen10. Entsprechendes gilt für die Unterschrift, mit der der Rechtspfleger im Streitfall die Rechtsnachfolgeklausel versehen hat; es handelt sich bei dieser Unterschrift um einen für Zwecke des § 703b Abs. 1 ZPO unschädlichen, nicht notwendigen Zusatz. Für die nachträgliche Anbringung des händisch angebrachten weiteren Siegels gilt Entsprechendes.

Nach alledem kann der angefochtene Beschluss des Landgerichts Regensburg nicht bestehen bleiben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Bundesgerichtshof kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da diese nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht zur Endentscheidung reif ist.

Der Bundesgerichtshof macht entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO von der Möglichkeit Gebrauch, zugleich auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers den erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts – Vollstreckungsgericht – aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Regensburg – Vollstreckungsgericht – zurückzuverweisen, das über den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden haben wird.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. Juli 2021 – VII ZB 34/20

  1. AG Regensburg, Beschluss vom 24.06.2020 – 1 M 6566/19[]
  2. LG Regensburg, Beschluss vom 06.10.2020 – 64 T 216/20[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2017 – VII ZB 22/16 Rn. 15, NJW-RR 2017, 510[]
  4. vgl. BT-Drs. 7/2729, S. 96, 104[]
  5. vgl. Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 703b Rn. 1; vgl. ferner Prütting/Gehrlein/Sommer, ZPO, 13. Aufl., § 703b Rn. 2[]
  6. BGBl. I 2012 S. 2418[]
  7. vgl. BT-Drs. 17/10490, S. 31 in Verbindung mit BR-Drs. 308/12 (B), S. 4; Wieczorek/Schütze/Olzen, ZPO, 4. Aufl., § 703b Rn. 2[]
  8. vgl. Musielak/Voit/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 703b Rn. 2[]
  9. vgl. BR-Drs. 308/12 (B), S. 4[]
  10. vgl. BT-Drs. 17/10490, S. 31 in Verbindung mit BR-Drs. 308/12 (B), S. 4[]

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