D&O-Versicherung für die Geschäftsführer – in der Insolvenz der GmbH

Kann der Anspruch auf Versicherungsschutz in der D&OVersicherung aufgrund der vereinbarten Bedingungen nur durch die versicherte Person geltend gemacht werden (hier: Ziff. 9.1 ULLA), kommt es für die Verfügungsbefugnis allein auf die Person des Versicherten an. Eine etwaige Insolvenz des Versicherungsnehmers ist insoweit ohne Belang.

D&O-Versicherung für die Geschäftsführer – in der Insolvenz der GmbH

Gemäß Ziffer 1.1 ULLA gewährt der Versicherer Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Versicherungsfall ist gemäß Ziffer 2 ULLA die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen eine versicherte Person. Nach Ziffer 3.2 ULLA sind, soweit keine anderweitige Vereinbarung getroffen wird, Schadensersatzansprüche versichert, die nicht später als fünf Jahre nach Vertragsende geltend gemacht und dem Versicherer gegenüber angezeigt werden für Pflichtverletzungen, die vor Vertragsende begangen wurden. Ansprüche auf Versicherungsschutz können gemäß Ziffer 9.1 ULLA nur die versicherten Personen geltend machen. Nach Ziffer 10.2 ULLA gerät der Versicherungsnehmer in Verzug, wenn er den Folgebeitrag nicht rechtzeitig zahlt. Dem Versicherungsnehmer steht nach Ablauf einer vom Versicherer gesetzten mindestens zweiwöchigen Zahlungsfrist im Falle der Nichtzahlung kein Versicherungsschutz zu. Ferner ist der Versicherer berechtigt, den Vertrag in einem solchen Fall zu kündigen.

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Ein etwaiger Anspruch des versicherten Geschäftsführers auf Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes ist trotz des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Versicherungsnehmerin durchsetzbar.

Bei einer Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG dem Versicherten zu. Verfügungsbefugt ist demgegenüber gemäß § 44 Abs. 2, § 45 Abs. 1 VVG grundsätzlich der Versicherungsnehmer. Hierzu gehört auch die Geltendmachung der Rechte der versicherten Person aus dem Versicherungsvertrag. Es handelt sich um einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft. Eine D&OVersicherung wie die hier zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Versicherungsgesellschaft geschlossene Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ist eine derartige Versicherung für fremde Rechnung im Sinne der §§ 43 ff. VVG1.

Im Falle einer Insolvenz des Versicherungsnehmers geht das Recht, über diese Ansprüche zu verfügen, gemäß § 80 Abs. 1 InsO grundsätzlich auf den Insolvenzverwalter des Versicherungsnehmers über2. Allerdings steht der Versicherungsanspruch materiellrechtlich dem Versicherten und nicht dem Versicherungsnehmer zu; er gehört nicht zur Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers, sondern zu der des Versicherten3. Der Versicherte hat daher ein Recht auf Aussonderung bzw. Ersatzaussonderung gemäß §§ 47, 48 InsO4. Dieses Recht ändert aber nichts an der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters5. Läge ein derartiger Fall einer Versicherung für fremde Rechnung entsprechend dem gesetzlichen Leitbild der §§ 44, 45 VVG vor, stünde die Verfügungsbefugnis der Insolvenzverwalterin zu und es käme, wenn die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift vorlägen, darauf an, ob die Streith elferin von ihrem Wahlrecht gemäß § 103 InsO Gebrauch gemacht und Erfüllung gewählt hat.

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Das ist hier indessen nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft verkannt, dass hier keine derartige Verfügungsbefugnis der Insolvenzschuldnerin als Versicherungsnehmerin und damit der Insolvenzverwalterin als deren Insolvenzverwalterin gegeben ist. In den Versicherungsbedingungen ist nämlich ausdrücklich vereinbart, dass Ansprüche auf den Versicherungsschutz nur durch die versicherten Personen geltend gemacht werden können (Ziffer 9.1 ULLA). Eine derartige Regelung ist dahingehend auszulegen, dass durch sie die §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG abbedungen werden sollen6. Nach dem Bedingungswortlaut, von dem der durchschnittliche Versicherungsnehmer sowie der Versicherte einer D&OVersicherung, auf deren Verständnis es bei dieser Versicherung für fremde Rechnung insoweit maßgeblich ankommt7, bei Auslegung der Klausel ausgehen werden, können den Anspruch auf Versicherungsschutz nur die versicherten Personen geltend machen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer sowie der Versicherte erkennen, dass es sich trotz der teilweisen Ähnlichkeit der Formulierung nicht nur um eine deklaratorische Wiederholung des § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG handelt. Im Gegensatz zu § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG, der die materielle Inhaberschaft des Anspruchs betrifft, hat Ziffer 9.1 ULLA dessen Geltendmachung zum Gegenstand. Indem diese nur den versicherten Personen möglich sein soll, werden die Regelungen in § 44 Abs. 2, § 45 Abs. 1 VVG insoweit modifiziert8.

Dies hat zur Folge, dass es für die Verfügungsbefugnis allein auf die Person des Geschäftsführers, der zugleich der materiell Berechtigte gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 VVG ist, ankommt. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung wird hierdurch auch nicht das Wahlrecht des Insolvenzverwalters zulasten der Insolvenzgläubiger beschnitten, weil der Versicherungsanspruch materiellrechtlich ohnehin dem Versicherten und nicht dem Versicherungsnehmer zusteht. Da sich der Geschäftsführer nicht in Insolvenz befindet, ist die vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Entscheidung gestellte Frage, ob die Insolvenzverwalterin als Insolvenzverwalterin der Versicherungsnehmerin Erfüllung gemäß § 103 Abs. 1 InsO gewählt hat oder nicht, von vornherein nicht streitentscheidend.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. März 2020 – IV ZR 110/19

  1. BGH, Urteile vom 05.04.2017 – IV ZR 360/15, BGHZ 214, 314 Rn. 12 f.; vom 13.04.2016 – IV ZR 304/13, BGHZ 209, 373 Rn.20[]
  2. BGH, Urteile vom 05.04.2017 aaO Rn. 12; vom 16.07.2014 – IV ZR 88/13, BGHZ 202, 122 Rn. 30; Bruck/Möller/Brand, VVG 9. Aufl. § 45 Rn. 27; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, PKVersR 3. Aufl. § 45 Rn. 15[]
  3. BGH, Urteil vom 16.07.2014 aaO[]
  4. Bruck/Möller/Brand aaO; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch aaO[]
  5. vgl. OLG Köln VersR 2015, 1155 36]; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch aaO[]
  6. vgl. für eine ähnliche Klausel BGH, Urteil vom 05.04.2017 – IV ZR 360/15, BGHZ 214, 314 Rn. 1, 14 f.[]
  7. BGH, Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 88/13, BGHZ 202, 122 Rn. 16[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2017 aaO Rn. 15; Prölss/Martin/Voit, VVG 30. Aufl. Ziff. 10.1 AVBAVG Rn. 1; Haehling von Lanzenauer/Kreienkamp in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. Anhang C Rn. 161[]

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