Eigenverwaltender Schuldner – und die Gewährung von Prozesskostenhilfe

Nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO erhält eine Partei kraft Amtes auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Das gilt sowohl für Aktiv-1 als auch für Passivprozesse2.

Eigenverwaltender Schuldner – und die Gewährung von Prozesskostenhilfe

Danach kann die Antragstellerin Prozesskostenhilfe beanspruchen.

Sie ist als eigenverwaltende Insolvenzschuldnerin zwar keine „Partei kraft Amtes“. Nach Sinn und Zweck des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist sie aber wie eine solche zu behandeln.

Parteien kraft Amtes sind Personen, die als Partei auftreten, aber fremde Interessen vertreten und nicht mit ihrem eigenen Vermögen für die Kosten aufzukommen haben. Ihr Amt wird ihnen durch besonderen Bestellungsakt übertragen3. Typische Beispiele hierfür sind Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter, Insolvenzverwalter und Zwangsverwalter. Abzugrenzen ist die Partei kraft Amtes vom Vertreter eines anderen, dessen Aufgabe ausschließlich in der Wahrung der Interessen einer bestimmten oder doch bedingt bestimmten Person oder Personenmehrheit besteht4.

Ein eigenverwaltender Insolvenzschuldner steht den anerkannten Fallgruppen einer Partei kraft Amtes gleich.

Zwar behält der Schuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO und wird so zum Amtswalter in eigenen Angelegenheiten. Diese Stellung ist ihm aber – ebenso wie bei einem Insolvenzverwalter – kraft besonderen gerichtlichen Bestellungsaktes übertragen. Er leitet seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das dem Insolvenzbeschlag unterlegene Vermögen aus der Entscheidung des Insolvenzgerichts ab, die Eigenverwaltung durchzuführen. Es handelt sich um eine vom Insolvenzgericht zugewiesene insolvenzspezifische Verfügungsbefugnis5. Dem eigenverwaltenden Insolvenzschuldner obliegt die Verwaltung und Verwertung der Masse nach Maßgabe des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung6.

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Für ein Insolvenzverfahren, in dem kein Insolvenzverwalter bestellt wird und stattdessen der Schuldner berechtigt ist, unter Sachwalteraufsicht die Insolvenzmasse zu verwalten, gelten die gleichen Vorschriften wie für das Regelinsolvenzverfahren (§ 270 Abs. 1 Satz 2 InsO)7. Dementsprechend wird – ohne Wechsel in der Prozessführungsbefugnis – durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein anhängiger, die Insolvenzmasse betreffender Rechtsstreit nach § 240 ZPO unterbrochen8. Die durch die Unterbrechung bewirkte Überlegungsfrist benötigt auch ein Insolvenzschuldner, der sein Vermögen selbst verwaltet. Denn er darf sein bisheriges Prozessverhalten nicht ohne Weiteres beibehalten; vielmehr hat er nach der Insolvenzeröffnung ausschließlich die Interessen seiner Gläubiger zu wahren und eigene Interessen zurückzustellen. Zudem kann eine Abstimmung mit dem Sachwalter erforderlich werden9.

Auch § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist – wie im Regelinsolvenzverfahren – anzuwenden10. Im Hinblick auf den Insolvenzverwalter bezweckt § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO, die Prozessführung zwecks Anreicherung der Insolvenzmasse zu erleichtern11. Es soll vermieden werden, dass Masseprozesse nur aus dem Grunde nicht geführt werden können, weil zahlungsfähige Gläubiger angesichts der geringen Quote, die sie zu erwarten haben, das Prozessrisiko nicht übernehmen wollen, oder dass Geschäftspartner des Insolvenzschuldners sich rechtswidrige Vorteile in der Erwartung verschaffen, dem Insolvenzverwalter werde es nicht gelingen, die Mittel zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands aufzubringen12. Das gilt unabhängig davon, ob die Insolvenzeröffnung mit der Anordnung einer Eigen- oder Fremdverwaltung verbunden ist.

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Auch die weiteren Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO waren in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall erfüllt:

Die Insolvenzmasse ist unzulänglich. Das hat die Antragstellerin hinreichend dargelegt. Bei angezeigter Masseunzulänglichkeit ist im Übrigen regelmäßig davon auszugehen, dass die Kosten des Rechtsstreits nicht aus der Masse aufgebracht werden können13.

Die Antragstellerin hat ferner ausreichend aufgezeigt, dass es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten für die Verteidigung gegen die Revision aufzubringen.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. August 2017 – 1 AZR 546/15 (A)

  1. vgl. BGH 16.07.2009 – IX ZB 221/08[]
  2. vgl. OLG Stuttgart 15.02.2012 – 7 U 197/11[]
  3. Zöller/Geimer ZPO 31. Aufl. § 116 Rn. 2[]
  4. BGH 14.07.2016 – IX ZA 9/16, Rn. 11 mwN[]
  5. Weber ZInsO 2014, 2151, 2153[]
  6. Uhlenbruck/Zipperer 14. Aufl. § 270 InsO Rn. 12[]
  7. vgl. hierzu zB HK-InsO/Landfermann 8. Aufl. Vor §§ 270 ff. Rn. 7[]
  8. BGH 20.12 2011 – VI ZR 14/11[]
  9. BGH 20.12 2011 – VI ZR 14/11, Rn. 42 mwN[]
  10. Eckardt EWiR 2014, 571; Weber ZInsO 2014, 2151; Wolff jurisPR-InsR 7/2015 Anm. 3[]
  11. vgl. unter Hinweis auf die Gesetzeshistorie BAG 3.08.2011 – 3 AZB 8/11, Rn. 29[]
  12. BGH 27.09.1990 – IX ZR 250/89, zu II 2 der Gründe[]
  13. Martini AnwZert InsR 20/2010 Anm. 3[]
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