Ein Antrag auf Versagung der Vollstreckung nach der Brüssel Ia-Verordnung ist unzulässig, wenn der Gläubiger aus einer als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung gegen den Schuldner vorgeht.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nahmen die Gläubiger den in Deutschland wohnhaften Schuldner in Österreich vor dem Bezirksgericht Graz-Ost auf Zahlung eines Rechtsanwaltshonorars in Höhe von 2.132, 52 € in Anspruch. Der Schuldner erhob die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit. Das Bezirksgericht wies die Klage aufgrund der Einrede zunächst zurück. Auf Rekurs der Gläubiger verwarf das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz mit Beschluss vom 06.06.2019 die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit und erlegte dem Schuldner die Kosten einer Äußerung der Gläubiger sowie des Rekurses auf. Mit Versäumungsurteil vom 21.11.2019 wurde der Schuldner vom Bezirksgericht antragsgemäß zur Zahlung des Rechtsanwaltshonorars verurteilt. Sowohl der Beschluss des Landesgerichts vom 06.06.2019 als auch das Versäumungsurteil des Bezirksgerichts vom 21.11.2019 wurden als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt. Aus den als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidungen betreiben die Gläubiger in Deutschland die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner.
Der Schuldner hat beim Landgericht Bonn die Versagung der Vollstreckung gemäß den Art. 46 ff Brüssel Ia-VO hinsichtlich beider Entscheidungen beantragt. Das Landgericht Bonn hat den Antrag im Blick auf das Versäumungsurteil als unbegründet zurückgewiesen1. Den Antrag auf Versagung der Vollstreckung aus dem Beschluss des Landesgerichts vom 06.06.2019 hat es nicht beschieden. Die sofortige Beschwerde des Schuldners, mit der er weiterhin auch die Versagung der Vollstreckung hinsichtlich des Beschlusses des Landesgerichts vom 06.06.2019 begehrt hat, hat vor dem Oberlandesgericht Köln ebenfalls keinen Erfolg gehabt2. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde, mit der der Schuldner beide Vollstreckungsversagungsanträge weiter verfolgt, hat nun der Bundesgerichtshof mit der Maßgabe verworfen, dass der Antrag auf Versagung der Vollstreckung aus dem als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 21.11.2019 unzulässig ist:
Das Oberlandesgericht Köln hat keine Entscheidung über den Antrag auf Versagung der Vollstreckung aus dem als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Beschluss des Landesgerichts vom 06.06.2019 getroffen. Es hat ausgeführt, über diesen Antrag habe das Landgericht noch nicht entschieden, was nachzuholen sein werde. Das Beschwerdeverfahren beschränke sich daher auf den Antrag auf Versagung der Vollstreckung aus dem als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Versäumungsurteil vom 21.11.2019. Insoweit fehle es an den Voraussetzungen für eine Versagung der Vollstreckung nach Art. 46 in Verbindung mit Art. 45 Brüssel Ia-VO.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 1115 Abs. 5 Satz 3 ZPO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Beurteilung des Oberlandesgerichts Köln eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Hinsichtlich des Antrags, die Vollstreckung aus dem als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Beschluss des Landesgerichts vom 06.06.2019 zu versagen, ist die Rechtsbeschwerde schon deshalb unzulässig, weil das Oberlandesgericht Köln nicht über diesen Antrag entschieden hat. Insoweit ist das Verfahren dem Bundesgerichtshof nicht zur Entscheidung angefallen.
Im Ergebnis mit Recht hat das Oberlandesgericht Köln die Vollstreckung aus dem als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Versäumungsurteil vom 21.11.2019 nicht versagt. Es hat allerdings übersehen, dass der Antrag auf Versagung der Vollstreckung nach Maßgabe der Art. 46 ff der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan: Brüssel Ia-VO) von Anfang an unzulässig war.
Die Gläubiger betreiben die Zwangsvollstreckung aus der als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung. Der Schuldner ist daher auf die insoweit bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt. Im Vollstreckungsstaat zählen dazu insbesondere die Anträge auf Verweigerung, Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung nach Art. 21 und 23 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (fortan: EuVTVO). Für die Anträge nach Art. 21 und 23 EuVTVO ist in Deutschland das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig (§ 1084 Abs. 1 ZPO).
Die EuVTVO bietet ein in sich geschlossenes Rechtsschutzsystem, das auf Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden zugeschnitten ist, die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden sind. Vorbehaltlich der im nationalen Recht des Vollstreckungsstaats wurzelnden und nicht durch Sonderregelungen der EuVTVO ausgeschlossenen Rechtsbehelfe3 ist der Schuldner daher auf die der EuVTVO zu entnehmenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt, wenn der Gläubiger aufgrund des Europäischen Vollstreckungstitels gegen ihn vorgeht. Dazu gehört auch die Möglichkeit, im Ursprungsstaat die Berichtigung oder den Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zu beantragen (Art. 10 EuVTVO). Die im Vergleich zur Brüssel Ia-Verordnung beschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten im Vollstreckungsstaat finden ihre Rechtfertigung darin, dass als Europäischer Vollstreckungstitel nur Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden über unbestrittene Forderungen bestätigt werden können (vgl. Art. 3 EuVTVO). Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass den Gerichten im Vollstreckungsstaat selbst eine ordre public-Prüfung versagt ist4.
Erst recht unzulässig ist es, sich gegen eine Vollstreckung, die aufgrund eines Europäischen Vollstreckungstitels betrieben wird, mittels eines Antrags auf Versagung der Vollstreckung gemäß den Art. 46 ff Brüssel Ia-VO zur Wehr zu setzen5. Anderenfalls bestünde eine sogar noch über den Maßstab des ordre public6 hinausgehende Überprüfungsmöglichkeit im Vollstreckungsstaat (vgl. Art. 45 Brüssel Ia-VO). Dass dies nicht dem mit der EuVTVO verfolgten Regelungsziel entspräche7, ist weder zweifelhaft noch umstritten.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. Juli 2022 – IX ZB 38/21
- LG Bonn, Beschluss vom 05.10.2020 – 1 O 303/20[↩]
- OLG Köln, Beschluss vom 01.06.2021 – 8 W 4/20[↩]
- vgl. Kindl/Meller-Hannich/Stürner, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., Art.20 EuVTVO Rn. 4; MünchKomm-ZPO/Adolphsen, 6. Aufl., Art.20 EuVTVO Rn. 7 ff[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 24.04.2014 – VII ZB 28/13, BGHZ 201, 22 Rn. 13 ff[↩]
- vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 2010, 134, 135; Rauscher/Pabst, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 5. Aufl., Art. 27 EuVTVO Rn. 7, 10; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 6. Aufl., Art. 45 Brüssel Ia-VO Rn. 9; Stein/Jonas/Domej, ZPO, 23. Aufl., Art. 27 EuVTVO Rn. 3; Kindl/Meller-Hannich/Stürner, aaO Art. 27 EuVTVO Rn. 3; vgl. auch OLG Brandenburg, MDR 2021, 1027 zum Europäischen Zahlungsbefehl[↩]
- dazu BGH, Beschluss vom 24.04.2014, aaO[↩]
- vgl. etwa Erwägungsgrund 18 zur EuVTVO[↩]