Inkassozession – Zahlung und Insolvenzanfechtung

Tilgt der Schuldner eine zum Zwecke des Forderungseinzugs treuhänderisch abgetretene Forderung gegenüber einem Inkassounternehmen als Forderungszessionar, kann die Zahlung nach Weiterleitung an den ursprünglichen Forderungsinhaber nur diesem gegenüber und nicht gegenüber dem Inkassounternehmen angefochten werden1.

Inkassozession – Zahlung und Insolvenzanfechtung

Wird ein Dritter als Empfangsbeauftragter des Gläubigers eingeschaltet, ist der Gläubiger und nicht der Empfangsbeauftragte als Leistungsempfänger zur Rückgewähr verpflichtet. Aufgrund der treuhänderischen Pflicht zur Weiterleitung des Betrages ist nicht der Treuhänder, sondern der Treugeber als Gläubiger der Forderung Leistungsempfänger. Hat der Treugeber mit dem Eingang der Zahlung auf dem Konto des Treuhänders gegen diesen aus dem Treuhand- und Auftragsverhältnis einen Herausgabeanspruch aus § 667 BGB erworben, ist er unmittelbarer Empfänger der Schuldnerleistung und damit Rückgewährschuldner gemäß § 143 Abs. 1 InsO geworden. Dies gilt nach gefestigter Rechtsprechung auch, wenn die Zahlung einem uneigennützigen Treuhänder zu dem Zweck zugewandt wird, sie insgesamt an den Gläubiger zu übertragen2.

Diese Bewertung greift auch dann durch, wenn ein Dritter die Forderung des ursprünglichen Inhabers nicht lediglich als Empfangsberechtigter, sondern im Wege einer Inkassozession einzieht. Auch hier ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Zedent, dem die Forderung nach Einzug durch den Inkassozessionar vereinbarungsgemäß ausgekehrt wurde, alleiniger Empfänger der Schuldnerleistung3.

Der Schuldner wird von seiner Verbindlichkeit befreit, wenn er die Forderung – nach Maßgabe der jeweiligen gewählten rechtlichen Gestaltung – gegenüber dem Inkassozessionar als Abtretungsempfänger oder gegenüber dem Forderungsinhaber durch Zahlung an den Inkassoermächtigten begleicht4. Im Hinblick auf die Befreiungswirkung ist es für den Schuldner ohne Bedeutung, dass bei der Inkassozession wegen der damit verbundenen Vollabtretung Erfüllung unmittelbar im Verhältnis zu dem Inkassozessionar (§ 362 Abs. 1 BGB) und bei der Einziehungsermächtigung im Verhältnis zu dem Forderungsinhaber durch Zahlung an den Ermächtigten (§ 362 Abs. 1, § 185 BGB) bewirkt wird5.

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Der Inkassozessionar ist kraft des Treuhandverhältnisses gemäß §§ 667, 675 BGB verpflichtet, die Forderung für Rechnung und im Interesse des Zedenten einzuziehen. Gleiches gilt für den Ermächtigten im Verhältnis zu dem Forderungsinhaber5. Vor dem Hintergrund der für das Anfechtungsrecht maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise wird in beiden Gestaltungen die Forderung auf Rechnung des Zedenten oder Forderungsinhabers eingezogen. Die Zahlung an einen Inkassozessionar als Geheißperson ist der Zahlung an den Gläubiger gleichzustellen. Anfechtungsgegner ist nur, wer im Ergebnis gegenüber der Gläubigergesamtheit bevorzugt wurde. Dies ist der Zedent, an den der Inkassozessionar die empfangene Leistung treuhänderisch weitergeleitet hat6.

Für diese Würdigung ist es nicht ausschlaggebend, ob die Inkassogesellschaft die Zahlungen des Schuldners über ein Treuhandkonto oder – wie im Streitfall – über ihr allgemeines Geschäftskonto eingezogen hat. Die aus §§ 667, 675 BGB folgende Pflicht des Inkassounternehmens zur Auskehr der empfangenen Beträge bildet den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkt, den ursprünglichen Forderungsinhaber als Leistungsempfänger im Sinne des § 143 Abs. 1 InsO einzustufen. Insoweit ist die dingliche Zuordnung des eingezogenen Erlöses bedeutungslos7.

Eine andere Beurteilung folgt schließlich nicht daraus, dass bei der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Steuern die Einzugsstelle auch insoweit Anfechtungsgegner ist, als die Mittel von ihr im Innenverhältnis an einen anderen Rechtsträger abzuführen sind. Wesentlicher Grund hierfür ist, dass im Außenverhältnis der Einzugsstelle zu dem Beitragsschuldner dieser nur an die Einzugsstelle mit befreiender Wirkung leisten kann. Deshalb ist die Einzugsstelle wie eine Vollrechtsinhaberin anzusehen. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Empfangszuständigkeit des Leistungsempfängers erst durch eine Verfügung des Forderungsinhabers – sei es eine Abtretung oder die Erteilung einer Einziehungsermächtigung – begründet wird. Da in dieser Konstellation der ursprüngliche Forderungsinhaber aus freiem Entschluss einen Dritten mit dem treuhänderischen Forderungseinzug betraut hat, muss er sich weiterhin als Leistungsempfänger behandeln lassen8.

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Diese rechtliche Würdigung entspricht den Zuordnungskriterien des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs, dem für die Insolvenzanfechtung in Mehrpersonenverhältnissen Leitbildfunktion zukommt8. Bei einer rechtsgrundlosen Zahlung auf eine abgetretene Forderung richtet sich der bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsanspruch grundsätzlich nicht gegen den Abtretungsempfänger (Zessionar), sondern gegen den Zedenten als vermeintlichen ursprünglichen Forderungsinhaber6. Bei dieser Sachlage ist es zutreffend, die Zedentin als wirtschaftliche Forderungsinhaberin der Anfechtung zu unterwerfen.

Es kann dahinstehen, ob in besonders gelagerten Fällen ausnahmsweise eine Anfechtung unmittelbar gegen den Inkassozessionar durchgreift. Dies könnte etwa zu erwägen sein, wenn der Anfechtungsanspruch gegen ihn geltend gemacht wird, weil er die eingezogenen Gelder an den Inkassozedenten abgeführt hat9. Eine derartige Konstellation ist indessen vorliegend soweit die Inkassounternehmerin von dem an die Zedentin abgeführten Betrag ihre Vergütung abgezogen hat nicht gegeben. Dank der entgeltlichen Einschaltung der Inkassounternehmerin wurde vorliegend zugunsten der Zedentin ein Forderungsbetrag von 25.000 € erlöst. Soweit die Inkassogesellschaft hiervon ihre Provision in Abzug bringt, beruht dies auf der eigenverantwortlichen Entscheidung der Zedentin, die Inkassogesellschaft mit dem Forderungseinzug zu betrauen. Der Forderungseinzug setzte die Zedentin in den Stand, die Vergütung der Inkassogesellschaft aus dem eingezogenen Betrag zu begleichen, ohne auf sonstige Mittel zurückgreifen zu müssen. Darum hat die Zedentin bei wertender Betrachtung, zumal sie von dem gegen sie gerichteten anfechtungsrechtlichen Erstattungsanspruch nicht die an die Zedentin gezahlte Provision in Abzug bringen kann10, den vollen Betrag erlangt.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. September 2015 – IX ZR 308/14

  1. vgl. BGH, Urteil vom 03.04.2014 – IX ZR 201/13, WM 2014, 1009[]
  2. BGH, Beschluss vom 12.03.2009 – IX ZR 85/06, WM 2009, 811 Rn. 2; vom 16.07.2009 – IX ZR 53/08, NZI 2010, 320 Rn. 2; Urteil vom 17.12 2009 – IX ZR 16/09, NZI 2010, 295 Rn. 12; vom 03.04.2014, aaO Rn. 14; Kayser in Festschrift Ganter, 2010, S. 221, 231[]
  3. BGH, Urteil vom 03.04.2014, aaO Rn. 15 ff[]
  4. BGH, aaO Rn. 21[]
  5. BGH, aaO Rn. 22[][]
  6. BGH, aaO[][]
  7. BGH, aaO Rn. 23[]
  8. BGH, aaO Rn. 24[][]
  9. vgl. Kayser in Festschrift Ganter, 2010, S. 221, 231[]
  10. BGH, aaO Rn. 43[]