Insolvenzanfechtung nach Forderungsabtretung – und die Kenntnis des Abtretenden von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners

Nach § 133 I, II, III 1 InsO kann der Insolvenzverwalter Handlungen, die der Befriedigung eines Gläubigers dienten und vier Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahren vorgenommen wurden, anfechten, wenn der Insolvenzschuldner Gläubigerschädigungsvorsatz und der Gläubiger davon Kenntnis hatte.

Insolvenzanfechtung nach Forderungsabtretung – und die Kenntnis des Abtretenden von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners

Nach § 133 I 1 InsO muss die Leistungsempfängerin den Benachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der Rechtshandlung (§ 140 InsO) kennen. Grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht, es braucht positive Kenntnis1

Die Kenntnis wird nach §§ 133 I 2, III 1 InsO bei einer kongruenten Deckung vermutet, wenn die Leistungsempfängerin wusste, dass Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes bzw. der Zahlungsunfähigkeit obliegt dem Insolvenzverwalter2.

Eine mögliche Kenntnis der die Forderung abtretenden Zedentin kann der Abtretungsempfängerin auch nicht nach § 404 BGB oder § 166 BGB zugerechnet werden.

§ 404 BGB ist weder direkt noch entsprechend anwendbar.

§ 404 BGB ist nicht direkt anwendbar.

Die Anwendung des § 404 BGB bei Insolvenzanfechtungen scheitert bereits am Wortlaut der Norm. Nach § 404 BGB kann der Schuldner dem Zessionar die Einwendungen entgegensetzen, wenn diese zum Zeitpunkt der Zession bereits begründet waren. Dabei ist der Begriff der Einwendung i.S.v. § 404 BGB weit zu verstehen und umfasst alle rechtshindernde und rechtsvernichtende Tatbestände3. Insolvenzanfechtungen sind aber keine Einreden oder Einwendungen, sondern bürgerlich-rechtliche Ansprüche4.
Auch war der Anspruch auf Insolvenzanfechtung zum Zeitpunkt der Zession noch nicht entstanden. Der Anspruch der Insolvenzanfechtung entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens5. Die Insolvenz wurde mit Beschluss vom 28.08.2015 eröffnet. Die Zessionarin leistete bereits am 28.05.2015, also drei Monate vorher, auf die Forderung. Selbst wenn man auf den Leistungszeitpunkt für die Übertragung abstellen wollte, fand dieser nach der Zession statt.

§ 404 BGB ist auch nicht entsprechend anwendbar.

Es fehlt an einer vergleichbaren Interessenlage. Ziel des § 404 BGB ist es, sicherzustellen, dass der Schuldner durch die Abtretung nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt wird6. Der Insolvenzschuldnerin standen keine Verteidigungsmittel gegen die Zedentin zu, welche durch die Abtretung verloren gegangen wären. Die Insolvenzanfechtung ist kein Recht der Insolvenzschuldnerin, sondern ein Mittel der Gläubiger. Ihr Ziel ist es, die Gläubiger zu schützen, die Masse anzureichern und so insgesamt das Verfahren zu fördern7. Eine Anwendung des § 404 BGB auf Sachverhalte wie den vorliegenden schützen nicht die Zedentin, sondern deren Gläubiger.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von dem Insolvenzverwalter zitierten Urteil BGH ZIP 2015, 1303 Rn. 12. Der BGH bestätigt hier nur, dass sich der Insolvenzverwalter für den Verjährungsbeginn der Insolvenzanfechtung die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis i.S.v. § 199 I Nr. 2 BGB seines Vorgängers zurechnen lassen muss. Es wird ausschließlich eine Aussage dazu getroffen, wie die Verjährungseinrede bei der Zession des Insolvenzanfechtungsanspruchs zu behandeln ist. Bei §§ 214 I, 199 I BGB handelt es sich – anders als bei der Insolvenzanfechtung – um eine peremptorische Einrede, die in den Anwendungsbereich von § 404 BGB fällt8.

Auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs in NZI 2013, 308 ergibt sich nichts Anderes.

Die Entscheidung kann nicht unmittelbar auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Dem BGH, Urteil lag bereits kein Fall des § 130 oder § 131 InsO, sondern eine Insolvenzanfechtung nach § 135 I Nr. 2 InsO zugrunde. Auch ging der Insolvenzverwalter nicht gegen den Zessionar, sondern gegen den Zedenten vor. Zugerechnet wurde weiter nicht die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit – auf die es bei § 135 I Nr. 2 InsO nicht ankommt, sondern es ging um die Frage, ob die abgetretene Forderung auch nach Abtretung noch eine Forderung aus einem Gesellschafterdarlehen ist9.

Aus dem Urteil BGH NZI 2013, 308 können auch keine allgemeinen Grundsätze zur Anwendung des § 404 BGB auf insolvenzrechtliche Anfechtungsansprüche gezogen werden.

Bei § 135 I InsO handelt es sich um einen besonderen Anfechtungsanspruch, dem andere Wertungen zugrunde liegen als den übrigen Ansprüchen.

Der Anfechtungsanspruch des § 135 I InsO findet seinen Grund darin, dass Gesellschafter, die zugleich Gläubiger sind, weniger schützenswert als andere Gläubiger sind, da sie etwa am Gewinn beteiligt sind10. Die besondere Bedeutung des § 135 I InsO zeigt sich auch darin, dass er neben den anderen Anfechtungsansprüchen greift11. §§ 130, 131 InsO hingegen stellen keine besonderen Ansprüche an die Person des Anfechtungsgegners.

Der BGH erstreckt das Anfechtungsrecht des § 135 I Nr. 2 InsO allerdings auch auf den Zessionar, der neben dem Zedenten Anfechtungsgegner sein kann12. Begründet wird dies damit, dass § 404 BGB einen gutgläubigen einredefreien Erwerb einer Forderung nicht zulasse13. Durch die Abtretung ändere sich folglich der Charakter der Forderung als Forderung aus einem Gesellschafterdarlehen14.

Dieser Gedanke kann nicht auf den vorliegenden Fall erweitert werden.

Die Frage, ob es sich bei einer Forderung um einen Anspruch aus einem Gesellschafterdarlehensvertrag handelt, kann anders als die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit objektiv bestimmt werden. Diese Eigenschaft haftet der Forderung unmittelbar an. Bei der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit i.S.v. §§ 130, 131 InsO handelt es sich hingegen um eine subjektive Eigenschaft, die in der Person des Forderungsinhabers begründet liegt und nicht in der Forderung selbst. Die Kenntnis tritt – anders als die Eigenschaft der Gesellschafterstellung – nicht erkennbar nach außen.

Daneben führt die Eigenschaft der Forderung als Anspruch aus einem Gesellschafterdarlehen dazu, dass diese nach § 39 I Nr. 5 InsO nachrangig zu bedienen sind. Sie hat neben dem Auslösen der Anfechtbarkeit folglich noch eine weitere Bedeutung. Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit hingegen führt nur zu einer Anfechtbarkeit etwa nach §§ 130, 131 InsO.

Eine mögliche Kenntnis der Zedentin muss sich die Zessionarin auch nicht über § 166 BGB zurechnen lassen.

Nach § 166 I BGB muss sich der Vertretene die Kenntnis seines Wissensvertreters zurechnen lassen. Dies gilt auch für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Insolvenzanfechtungen15. § 166 BGB wird nicht nur auf die rechtsgeschäftliche Vertretung angewendet, sondern auch bei Personen, die mit der Aufgabe betraut sind, für den Geschäftsherren im Geschäftsverkehr aufzutreten16.

Die Zedentin war jedoch nicht Vertreterin der Zessionarin. Auch eine Zurechnung als Wissensvertreterin nach § 166 BGB analog ist nicht möglich.

Selbst wenn die Zedentin die Schuldnerin zur Zahlung an die Zessionarin aufgefordert hat, war sie dafür nicht von der Zessionarin betraut und handelte auch nicht für diese. Der Insolvenzverwalter hat bereits keine Tatsachen vorgetragen, die darauf hindeuten, dass die Zessionarin von der Zedentin betraut wurde. Daneben handelte die Zessionarin auch nach dem Vortrag des Insolvenzverwalters nicht im Interesse der Zedentin, sondern im eigenen Interesse.

Nach Vortrag des Insolvenzverwalters teilte die Zedentin der Schuldnerin mit E-Mail vom 09.02.2015 mit, dass sie die streitgegenständliche Forderung abgetreten hätte. Am 22.05.2015 soll die Schuldnerin die Zedentin per Mail um einen Zahlungsaufschub bis zum 27./28.06.2015 gebeten haben, was die Zedentin zurückgewiesen und eine umgehende Zahlung verlangt haben soll. Es lag im eigenen Interesse der Zedentin, die Schuldnerin zur Zahlung auch abgetretener Forderungen anzuhalten. Nur so war für die Zedentin sichergestellt, dass sie ihre Forderungen werthaltig verkaufen konnte.

Aufgrund der fehlenden Kenntnis der Zessionarin von der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin scheitert auch eine Anfechtung nach § 130 I Nr. 1 InsO.

Landgericht Kiel, Urteil vom 10. September 2020 – 6 O 161/19

  1. BGH NJW 2011, 2791 Tz. 21; Kayer/Freudenberg, in: MünchKomm-InsO, 4. Aufl.2019, § 133 Rn.19a; Ganter/Weinland, in: Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Auflage 2016, § 133 Rn. 73[]
  2. Kayer/Freudenberg, in: MünchKomm-InsO, 4. Aufl.2019, § 133 Rn. 22[]
  3. Busche, in Staudinger, Neubearbeitung 2017, § 404 BGB Rn. 10; vgl. Roth/Kieninger, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl.2019, § 404 Rn. 5[]
  4. Raupach, in: BeckOK-InsO, 19. Edit. 15.04.2020; § 129 Rn. 4; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, 15. Aufl.2019, § 129 InsO Rn. 6; vgl. de Bra, in: Braun, Insolvenzordnung, 8. Aufl.2020, § 129 InsO Rn. 5 ff.[]
  5. vgl. Schoon, in: BeckOK-InsO, 19. Edit. 15.04.2020, § 147 Rn. 6[]
  6. Busche, in Staudinger, Neubearbeitung 2017, § 404 BGB Rn. 11; vgl. Roth/Kieninger, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl.2019, § 404 Rn. 1[]
  7. Kirchhof/Freudenberg in: MünchKomm-InsO, 4. Aufl.2019, vor § 129 Rn. 1 ff.[]
  8. Roth/Kieninger, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl.2019, § 404 Rn. 5[]
  9. vgl. BGH NZI 2013, 308 Tz. 24[]
  10. Hirte, in: Uhlenbruck, 15. Aufl.2019, § 135 InsO Rn. 1[]
  11. Hirte, in: Uhlenbruck, 15. Aufl.2019, § 135 InsO Rn. 6 m.w.N.[]
  12. BGH NZI 2013, 308. Zustimmend etwa Gehrlein, in: MünchKomm-InsO, 4. Aufl.2019, § 135 Rn. 22; Hirte, in: Uhlenbruck, 15. Aufl.2019, § 135 InsO Rn. 12[]
  13. BGH NZI 2013, 308 Tz. 24[]
  14. BGH NZI 2013, 308 Tz. 24 f.[]
  15. BGH NZI 2013, 253 Tz. 28 m.w.N.[]
  16. Herrler, in: Staudinger (2019), § 166 BGB Rn. 5, Schubert, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl.2018, § 166 BGB Tz. 28; Bork, BGB AT, Rn. 1662 f.[]

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