Insolvenzanfechtung – und die Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidrige Schädigung

Ein Anspruch aus § 826 BGB kommt in den Fällen, in denen die Tatbestandsvoraussetzungen eines Anfechtungsgrunds insbesondere nach § 133 Abs. 1 InsO verwirklicht sind, nach ständiger Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn der Fall besondere Umstände aufweist, die über die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO hinausgehen1.

Insolvenzanfechtung – und die Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidrige Schädigung

Entscheidend ist, ob das, was an dem Gesamtverhalten zu missbilligen ist, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgeht und deshalb die Anwendung des § 826 BGB rechtfertigt2

Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liegt etwa im Fall einer sogenannten Firmenbestattung vor. Kennzeichnend ist ein Verhalten, bei dem sich die Verantwortlichen dazu entschließen, eine Gesellschaft verdeckt zu liquidieren, um ein Insolvenzverfahren zu vermeiden oder solange wie möglich hinauszuzögern. Regelmäßig werden dazu planmäßig die Vermögensgegenstände der Gesellschaft soweit wie möglich an nahestehende Personen, Nachfolgeunternehmen oder mit den Verantwortlichen verbundene Dritte übertragen, Forderungen der Gläubiger soweit möglich hingegen nicht mehr erfüllt. Für einen Anspruch aus einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB genügt es auch, wenn ein Fall planvollen und zielgerichteten Entzugs von Vermögen bei Insolvenzreife des Schuldners vorliegt, dieser im Vordergrund des Rechtsgeschäfts steht und aufgrund der persönlichen Beziehungen zwischen den Vertragsparteien der Sache nach einem Insichgeschäft nahesteht. Weiter kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Betracht, wenn der Schuldner planmäßig mit eingeweihten Helfern zusammenwirkt, um sein wesentliches Vermögen dem Zugriff von Gläubigern zu entziehen3.

Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB kann sich etwa aus einem planvollen und zielgerichteten Entzug von Vermögen bei Insolvenzreife ergeben. Ob das der Fall ist, muss auf Grund einer umfassenden Gesamtwürdigung festgestellt werden4. Danach wird etwa zu berücksichtigen sein, wenn die Schuldnerin ihre Zahlungen eingestellt hatte und deshalb gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO von ihrer Insolvenzreife auszugehen war. Auch ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der veräußerten Sache und dem im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis würde im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung für eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung sprechen. I

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Februar 2024 – IX ZR 226/20

  1. vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2018 – IX ZR 103/17, BGHZ 217, 300 Rn. 50; vom 08.02.2018 – IX ZR 92/17, ZInsO 2018, 1799 Rn. 33; jeweils mwN[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2018 – IX ZR 103/17, aaO Rn. 55; vom 08.02.2018 – IX ZR 92/17, aaO Rn. 35[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2018 – IX ZR 103/17, BGHZ 217, 300 Rn. 58; vom 08.02.2018 – IX ZR 92/17, ZInsO 2018, 1799 Rn. 38[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2018 – IX ZR 103/17, BGHZ 217, 300 Rn. 56 mwN[]

Bildnachweis: