Klage auf Feststellung zur Insolvenztabelle – und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens

Welche Auswirkungen hat die Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf den Wert des Beschwerdegegenstands eines Berufungsverfahrens, dem die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle zugrunde lag? Mit dieser Frage hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Klage auf Feststellung zur Insolvenztabelle – und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens

Durch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ist es zu einem gesetzlichen Parteiwechsel vom Insolvenzverwalter auf den Schuldner gekommen.

Mit der rechtskräftigen Beendigung des Insolvenzverfahrens, gleich ob sie auf einer Aufhebung (§§ 200, 258 InsO) oder Einstellung (§ 215 InsO) beruht, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters grundsätzlich unter1. Neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis entfällt auch die Prozessführungsbefugnis2.

Mit Blick auf einzelne Bestandteile des Schuldnervermögens können Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und demzufolge auch die Prozessführungsbefugnis des Verwalters die Verfahrensbeendigung ausnahmsweise überdauern. Geht es wie hier um eine streitige Insolvenzforderung, kommt der Fortbestand des Insolvenzbeschlags in Betracht für einen nach § 189 Abs. 2 InsO zurückbehaltenen und schließlich gemäß § 198 InsO hinterlegten Betrag. Der Grund dafür ist, dass der hinterlegte Betrag grundsätzlich einer Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 InsO zuzuführen ist, wenn feststeht, dass er nicht zur Befriedigung des Insolvenzgläubigers benötigt wird3. Ob der Insolvenzbeschlag ohne weiteres fortbesteht4, die Nachtragsverteilung vorzubehalten5 oder besonders anzuordnen ist6, muss nicht entschieden werden. Eine Hinterlegung gemäß § 198 InsO ist im Streitfall mangels Masse nicht erfolgt.

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Endet mit der rechtskräftigen Verfahrensbeendigung der Insolvenzbeschlag, erlangt der Schuldner sowohl Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis als auch die Prozessführungsbefugnis zurück. In einem zu diesem Zeitpunkt anhängigen Rechtsstreit, an dem der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes mit Wirkung für und gegen die Masse beteiligt ist, kommt es zu einem gesetzlichen Parteiwechsel von dem Insolvenzverwalter auf den Schuldner7, wenn nicht ein untrennbar mit dem Amt des Verwalters verbundenes Recht Prozessgegenstand ist8. Der Insolvenzverwalter kann den Rechtsstreit nur noch in gewillkürter Prozessstandschaft führen9.

Nicht einheitlich wird beantwortet, ob der gesetzliche Parteiwechsel den Rechtsstreit unterbricht und gegebenenfalls nach welcher Vorschrift10. Eine Unterbrechung wird teils auf eine analoge Anwendung des § 239 ZPO gestützt, teils wird eine Anwendung von § 241 ZPO für richtig gehalten11. Der Bundesgerichtshof braucht diese Frage nicht zu entscheiden. § 246 Abs. 1 ZPO gilt sowohl für § 239 ZPO als auch für § 241 ZPO. Zu einer Unterbrechung des Rechtsstreits kann es im Streitfall schon deshalb nicht gekommen sein, weil der Beklagte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war; ein Aussetzungsantrag ist nicht gestellt. Ist kein Aussetzungsantrag gestellt, wird der Rechtsstreit wie bisher fortgesetzt. Partei ist der Schuldner persönlich, auch wenn der Prozess noch auf den Namen des Insolvenzverwalters geführt wird12.

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Prozesspartei ist demnach seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr der Beklagte, sondern der angebliche Schädiger. In diesem Prozessrechtsverhältnis gelangt § 182 InsO nicht zur Anwendung. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist nach den allgemeinen Vorschriften zu bestimmen (§ 2 iVm §§ 3 ff ZPO). Unter Berücksichtigung des gesetzlichen Parteiwechsels ist der Antrag des Klägers nicht mehr als Tabellenfeststellungsklage gemäß §§ 179, 180 InsO zu verstehen, sondern als allgemeines Feststellungsbegehren. Seine abweichende Formulierung ist als unschädliche Falschbezeichnung anzusehen. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist daher mit dem üblichen Abschlag in Höhe von 20 v.H. zu bemessen und liegt mit 10.061, 28 € oberhalb der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. April 2015 – IX ZB 76/12

  1. BGH, Urteil vom 10.02.1982 – VIII ZR 158/80, BGHZ 83, 102; vom 10.12 2009 – IX ZR 206/08, NZI 2010, 99 Rn. 7[]
  2. BGH, Urteil vom 15.06.1992 – II ZR 88/91, ZIP 1992, 1152 f; vom 10.12 2009, aaO[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 22.02.1973 – VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198, 1199; vom 10.02.1982, aaO S. 103; vom 15.06.1992, aaO S. 1153[]
  4. so Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 200 Rn. 14; Hmb-Komm-InsO/Preß, 5. Aufl., § 200 Rn. 13; Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 200 Rn. 5[]
  5. so Bork, ZIP 2009, 2077, 2081; vgl. auch MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl., § 200 Rn. 40[]
  6. so Jaeger/Meller-Hannich, InsO, § 200 Rn. 16[]
  7. BGH, Urteil vom 19.12 1966 – VIII ZR 110/64, BGHZ 46, 249, 250; Beschluss vom 07.04.2011 – V ZB 11/10, WM 2011, 989 Rn. 6; Uhlenbruck, aaO Rn. 17; MünchKomm-InsO/Hintzen, aaO Rn. 37; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 239 Rn. 14[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 10.02.1982, aaO S. 104 ff[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 07.07.2008 – II ZR 26/07, WM 2008, 1615[]
  10. vgl. BGH, Beschluss vom 07.04.2011, aaO Rn. 7 mwN[]
  11. vgl. MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO mwN[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 08.02.1993 – II ZR 62/92, BGHZ 121, 263, 265 f; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 246 Rn. 2b; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 12. Aufl., § 246 Rn. 5[]
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