Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – und die Sachaufklärung

Ein Antrag des Gläubigers an das Vollstreckungsgericht auf Konkretisierung der von dem Schuldner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO zu erteilenden Auskunft in dem (Pfändungs- und) Überweisungsbeschluss oder einem diesen ergänzenden Beschluss ist unzulässig.

Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – und die Sachaufklärung

Nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist der Schuldner auf Grund der Überweisung einer angeblich bestehenden Forderung verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und die ihm über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Die Vorschrift soll dem Gläubiger die Einziehung der Forderung beim Drittschuldner erleichtern. Die Auskunfts- und Herausgabepflicht dient seinem Interesse, die zur Durchsetzung der Forderung notwendigen Informationen zu erhalten. Der Gläubiger soll in die Lage versetzt werden, die Aussichten einer Drittschuldnerklage zu überprüfen und notfalls eine solche exakt beziffern können. Unnötige und risikobehaftete Drittschuldnerklagen sollen vermieden werden1. Die Auskunftspflicht bezieht sich auf alle für die Einziehung der überwiesenen Forderung erheblichen Einzelheiten, wie etwa Tatsachen zum Grund oder zur Berechnung der Höhe der Forderung oder zur Entkräftung von Einwendungen des Drittschuldners. Inhalt und Umfang dieser Pflicht richten sich insoweit nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls2.

Zu Recht ist das Landgericht Berlin3 davon ausgegangen, dass das Vollstreckungsgericht nicht befugt ist, den Inhalt und Umfang der den Schuldner treffenden Auskunftsverpflichtung nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO auf Antrag des Gläubigers durch Auskunfts- oder Offenbarungsanordnungen in dem Überweisungsbeschluss oder einem diesen ergänzenden Beschluss festzulegen. Die Entscheidung, ob eine von dem Gläubiger begehrte Auskunft zur Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Drittschuldner nötig ist, obliegt nach dem Gesetz dem Gerichtsvollzieher. Der Antrag der Gläubigerin an das Vollstreckungsgericht, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss um einen an den Schuldner gerichteten Fragenkatalog zu ergänzen, ist deshalb unzulässig4.

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Gemäß § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO hat ein Schuldner, der seiner Auskunftsverpflichtung nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegenüber dem Gläubiger nicht nachkommt, die Auskunft auf Antrag des Gläubigers zu Protokoll zu geben und seine Angaben an Eides statt zu versichern. Dieses Verfahren zur Erlangung der nötigen Auskünfte des Schuldners ist im Zuge der 2. Zwangsvollstreckungsrechtsnovelle5 eingeführt worden, um dem Gläubiger bei Meidung eines zeit- und kostenintensiven Klageverfahrens eine beschleunigte Durchsetzung seines Auskunftsanspruchs im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu ermöglichen6. Durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.07.20097 ist dieses Verfahren an die zeitgleich Gesetz gewordenen Vorschriften betreffend die Abgabe der Vermögensauskunft des Schuldners (§§ 802a ff. ZPO) angepasst worden, im Kern aber unverändert geblieben8. Zuständig für die Protokollierung der Auskünfte des Schuldners und die sich daran anschließende Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist nach § 836 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 802e ZPO der Gerichtsvollzieher. Dieser hat nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO darüber zu befinden, ob eine von dem Gläubiger begehrte Auskunft zur Geltendmachung der überwiesenen Forderung im Sinne von § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO nötig ist oder nicht9.

Diese Prüfung kann erst – nach Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses – auf der Grundlage der Auskunft des Schuldners zum Bestehen der gepfändeten und überwiesenen angeblichen Forderung erfolgen. Erklärt der Schuldner beispielsweise, dass diese Forderung nicht besteht, können sich – je nach den Umständen – weitergehende Fragen erübrigen. Dem Vollstreckungsgericht, das mit dem Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erst die Grundlage für den Auskunftsanspruch nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO schafft und den Schuldner vor der Pfändung grundsätzlich nicht anhört (§ 834 ZPO), ist unbekannt, wie sich der Schuldner zum Bestehen der angeblichen Forderung äußern wird. Es könnte deshalb nur hypothetische Fragen formulieren, deren Bedeutung ungewiss ist. Gerade das hat der Gesetzgeber nicht gewollt. Er hat vielmehr ein praxisnahes Verfahren geschaffen, in dem der Gerichtsvollzieher im Rahmen der Protokollierung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung flexibel und sachgerecht auf die Erklärungen des Schuldners reagieren kann.

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Eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts in diesem Zusammenhang widerspräche zudem dem erklärten Ziel des Gesetzgebers der 2. Zwangsvollstreckungsrechtsnovelle, durch die Verlagerung von Kompetenzen auf die Gerichtsvollzieher eine Entlastung der Vollstreckungsgerichte herbeizuführen10.

Soweit die Rechtsbeschwerde meint, es sei geboten, die zur Geltendmachung der gepfändeten Forderung nötigen Auskünfte in den Überweisungsbeschluss oder in einen diesen ergänzenden Beschluss aufzunehmen, um dem Gläubiger die zwangsweise Durchsetzung der Auskunftsverpflichtung in dem Verfahren nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu ermöglichen, ist dieser Einwand angesichts der Systematik und Zuständigkeitsverteilung des Gesetzes und der sich daraus ergebenden Kompetenzen des Gerichtsvollziehers unbegründet; er ist zudem inhaltlich unzutreffend:

Die Auskunftsverpflichtung des Schuldners nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist – wie das Beschwerdegericht zu Recht ausführt – unmittelbare gesetzliche Folge einer wirksamen Überweisung der gegen den Drittschuldner gerichteten Forderung11. Der erlassene Überweisungsbeschluss belegt für diesen Fall, dass dem Gläubiger hinsichtlich der überwiesenen Forderung ein entsprechender Auskunftsanspruch gegen den Schuldner zusteht, und bildet neben dem gegen den Schuldner gerichteten Vollstreckungstitel als „ergänzender Titel“ die Grundlage für die Durchsetzung dieses Anspruchs12.

Auch bedarf es für die zwangsweise Durchsetzung der Auskunftsverpflichtung des Schuldners nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO keiner inhaltlichen Präzisierung der zu erteilenden Auskünfte in dem Überweisungsbeschluss. Der Auskunftsanspruch bezieht sich auf die von der Überweisung erfasste Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner. Diese Forderung ist in dem Überweisungsbeschluss – ebenso wie in dem zugrundeliegenden Pfändungsbeschluss – so bestimmt zu bezeichnen, dass feststeht, welcher Anspruch Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist13. Wird diesem Erfordernis Rechnung getragen, ist der Gegenstand der Auskunftspflicht nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO hinreichend bestimmt14.

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Zudem besteht kein praktisches Bedürfnis für eine „deklaratorische“ Benennung der nötigen Auskünfte in einem Überweisungsbeschluss, um dem Gerichtsvollzieher eine Orientierungshilfe zu geben.

Es steht dem Gläubiger, der von dem Schuldner die zur Geltendmachung der gegen den Drittschuldner gerichteten Forderung nötigen Auskünfte nicht erhält, außerdem frei, bei Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit der Durchführung des Verfahrens nach § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Fragen aufzulisten, die seines Erachtens für die Durchsetzung der überwiesenen Forderung erforderlich sind15. Zusätzlich kann er – wie sich aus § 836 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 802f Abs. 4 Satz 2, § 802i Abs. 1 Satz 3 ZPO ergibt – grundsätzlich an dem Termin zur Abgabe der Auskunft und eidesstattlichen Versicherung durch den Schuldner teilnehmen und darauf hinwirken, dass dieser dem Gerichtsvollzieher die aus Sicht des Gläubigers nötigen Auskünfte erteilt.

Schließlich kann aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die von dem Schuldner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO herauszugebenden Urkunden über die überwiesene Forderung auf Verlangen des Gläubigers in dem Überweisungsbeschluss im Einzelnen zu bezeichnen sind16, nicht abgeleitet werden, dass Entsprechendes auch für die von dem Schuldner an den Gläubiger zu erteilende Auskunft zu gelten habe.

Die von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet ihre Rechtfertigung darin, dass der Herausgabeanspruch des Gläubigers nach § 836 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 883 ZPO zu vollstrecken ist, sofern der Schuldner dem Gläubiger herauszugebenden Urkunden nicht freiwillig übergibt. Für die Vollstreckung eines auf bestimmte Urkunden gerichteten Herausgabeanspruchs nach § 883 Abs. 1 ZPO ist im Grundsatz anerkannt, dass sich aus dem der Vollstreckung zugrunde liegenden Titel im Einzelnen ergeben muss, welche Urkunden herauszugeben sind, da es nicht dem Vollstreckungsorgan überlassen bleiben kann, aus einer Vielzahl von im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Schriftstücken diejenigen herauszusuchen, die von dem titulierten Leistungsanspruch des Gläubigers umfasst sind17. Dies erfordert es, die von dem Schuldner nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO herauszugebenden Unterlagen in dem Überweisungsbeschluss im Einzelnen zu benennen. Diese Grundsätze lassen sich auf den hier maßgeblichen Sachverhalt nicht übertragen, da der Auskunftsanspruch des Gläubigers aus § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO in dem Verfahren auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 836 Abs. 3 Satz 2 bis 4 ZPO zwangsweise durchzusetzen ist, in dessen Rahmen – wie dargelegt – der Gerichtsvollzieher – vorbehaltlich einer gerichtlichen Überprüfung – in ähnlicher Weise wie im Fall von § 802c Abs. 2 Satz 2 ZPO darüber zu befinden hat, welche Auskünfte im Zweifel zur Geltendmachung der Forderung des Gläubigers erforderlich sind.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. September 2022 – VII ZB 38/21

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.2012 – VII ZB 49/10 Rn. 7, BGHZ 192, 314; Beschluss vom 21.02.2013 – VII ZB 59/10 Rn. 5 m.w.N., MDR 2013, 548[]
  2. Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 19. Aufl., § 836 Rn. 6; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 836 Rn. 10[]
  3. LG Berlin, Beschluss vom 15.06.2021 – 51 T 194/21[]
  4. Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 836 Rn. 15; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., B. 264; Stöber, MDR 2001, 301, 303, 305; Wertenbruch, DGVZ 2001, 65, 66; Schuschke/Plücker in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn. 7, 16 f.; a.A. LG Verden, Beschluss vom 31.05.2002 – 1 T 54/02, JurBüro 2004, 499; Hornung, RPfleger 1998, 381, 400; Behr, JurBüro 2004, 499, 501; Hintzen in: Wolf/Hintzen, Handbuch der Mobiliarvollstreckung, 2. Aufl., Teil E Kap A Rn. 58; Steder in: Keller, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, 2013, A. Pfändung von Forderungen – Allgemein Rn. 347[]
  5. Zweites Gesetz zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften vom 17.12.1997, BGBl. I S. 3039 ff.[]
  6. vgl. BT-Drs. 13/341, S. 11, 35 zu § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.d.F. vom 17.12.1997[]
  7. BGBl. I S. 2258[]
  8. vgl. BT-Drs. 16/10069, S. 35[]
  9. vgl. Wertenbruch, DGVZ 2001, 65, 66 zu § 836 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. §§ 899 ff. ZPO i.d.F. vom 17.12.1997; im Ergebnis ebenso: David, MDR 2000, 195, 196 f.; Schuschke/Plücker in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn. 17[]
  10. vgl. BT-Drs. 13/341, S. 12 f.[]
  11. vgl. Stöber, MDR 2001, 301, 303[]
  12. vgl. BT-Drs. 13/341, S. 35; BT-Drs. 16/10069, S. 35; vgl. auch Stöber, MDR 2001, 301, 303[]
  13. st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 25.03.2010 – VII ZB 11/08 Rn. 9 m.w.N., JurBüro 2010, 440 zu Pfändungsbeschlüssen[]
  14. vgl. Stöber, MDR 2001, 301, 302, 304[]
  15. vgl. David, MDR 2000, 195 f.; HK-ZV/Bendtsen, 4. Aufl., § 836 Rn.20[]
  16. BGH, Beschluss vom 28.06.2006 – VII ZB 142/05 Rn. 9, MDR 2007, 50; Beschluss vom 09.02.2012 – VII ZB 49/10 Rn.19, BGHZ 192, 314; Beschluss vom 21.02.2013 – VII ZB 59/10 Rn. 10, MDR 2013, 548[]
  17. vgl. BGH, Urteil vom 26.01.1983 – IVb ZR 355/81, MDR 1983, 650 10 f.; OLG Celle, Beschluss vom 04.04.2014 – 4 W 55/14, MDR 2014, 1170 5[]
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