Die Verjährung eines Anspruchs des Insolvenzschuldners gegen den Insolvenzverwalter auf Ersatz eines Gesamtschadens beginnt frühestens mit der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens.

Grundlage des Begehrens ist § 60 InsO. Nach dieser Bestimmung ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen. Der Insolvenzschuldner wirft dem Insolvenzverwalter vor, eine zur Insolvenzmasse gehörende Forderung, nämlich den Anspruch auf Ersatz des ihm, dem Insolvenzschuldner, aufgrund des Unfalls am 6.08.2003 entstandenen materiellen Schadens, nicht vor Eintritt der Verjährung geltend gemacht und durchgesetzt zu haben. Darin läge gegebenenfalls ein Verstoß gegen die Pflicht zur bestmöglichen Erhaltung und Verwertung der Insolvenzmasse. Diese Pflicht obliegt dem Verwalter nicht nur gegenüber den Insolvenzgläubigern, sondern auch und gerade gegenüber dem Schuldner1, der ein rechtlich geschütztes Interesse daran hat, den Umfang seiner Nachhaftung (vgl. § 201 Abs. 1 InsO) möglichst zu begrenzen oder sogar einen Überschuss ausgezahlt zu erhalten (vgl. § 199 InsO).
Die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des Schadens, der aus einer Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters entstanden ist, richtet sich gemäß § 62 Satz 1 InsO nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Der in der Verjährung des Schadensersatzanspruchs liegende Schaden ist im hier entschiedenen Fall mit Ablauf des 31.12 2006 eingetreten. Ob der anwaltlich vertretene Insolvenzschuldner, wie das Berufungsgericht angenommen hat, bereits aufgrund der Freigabeerklärung vom 24.11.2006 Kenntnis von Schaden und Schädiger hatte oder hätte haben müssen, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Der Anspruch aus § 60 InsO ist jedenfalls deshalb nicht verjährt, weil der Insolvenzschuldner bis zur Einstellung des Insolvenzverfahrens am 11.04.2012 aus Rechtsgründen an der Geltendmachung dieses Anspruchs gehindert war.
Der Schaden, welchen der Insolvenzschuldner geltend macht, besteht in der pflichtwidrigen Verkürzung der Insolvenzmasse um den Wert des Schadensersatzanspruchs, welchen der Insolvenzverwalter nach der revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Darstellung des Insolvenzschuldners pflichtwidrig hat verjähren lassen. Es handelt sich also um einen Gesamtschaden, der während der Dauer des Insolvenzverfahrens durch Zahlung an die Insolvenzmasse auszugleichen ist2. Gemäß § 92 InsO können die Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines solchen Schadens während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Richten sich die Ansprüche gegen den Verwalter, ist wegen des Interessenkonfliktes ein neuer Insolvenzverwalter oder ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen3.
Gleiches gilt im Falle eines Insolvenzschuldners, der einen Anspruch auf Ersatz eines Gesamtschadens hat. Dies ergibt sich zwar nicht aus § 92 InsO, folgt jedoch unmittelbar aus § 80 Abs. 1 InsO. Ansprüche des Schuldners, die dieser vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirbt, gehören gemäß § 35 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse und unterstehen damit der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Soweit sich der betreffende Anspruch gegen den Verwalter richtet, muss insoweit ein neuer Insolvenzverwalter oder ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden.
Bis zur Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 213 InsO am 11.04.2012 waren folglich sowohl die Insolvenzgläubiger als auch der Insolvenzschuldner aus Rechtsgründen gehindert, den Schadensersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter aus § 60 InsO einzuklagen und so den Lauf der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu hemmen.
Grundsätzlich beginnen Verjährungsfristen dann zu laufen, wenn der betroffene Gläubiger die Möglichkeit hat, verjährungshemmende Maßnahmen (vgl. § 203 f BGB) einzuleiten4. Die Vorschrift des § 206 BGB, nach welcher die Verjährung gehemmt ist, solange der Gläubiger innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist, bringt diese Wertung klar zum Ausdruck. Der Bundesgerichtshof nimmt folgerichtig in ständiger Rechtsprechung an, dass die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche der Konkurs- oder Insolvenzgläubiger, die von ihnen selbst nicht durchgesetzt werden können, nicht früher als mit der Rechtskraft des Beschlusses beginnt, mit welchem das Konkurs- oder Insolvenzverfahren aufgehoben oder eingestellt wird5. Für den entsprechenden Anspruch des Schuldners kann nichts anderes gelten. Grundsätzlich beginnt die Verjährungsfrist – das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 199 BGB unterstellt – erst mit der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens.
Der Bundesgerichtshof hat bisher offen gelassen, ob trotz fehlender rechtlicher Befugnis zu verjährungsunterbrechenden Maßnahmen dann auf die Kenntnis der Gläubiger abzustellen ist, wenn sämtliche Gläubiger sich über den Schaden und die Person des Ersatzpflichtigen im Klaren waren, aber keiner von ihnen eine Sonderinsolvenzverwaltung oder die Ablösung des schadensersatzpflichtigen und die Einsetzung eines neuen Verwalters beantragt hat6. Auch der Schuldner kann entsprechende Maßnahmen des Insolvenzgerichts anregen oder sich um die Freigabe des Anspruchs bemühen. Gleichwohl bedarf die im Urteil vom 22.04.2004 aufgeworfene Rechtsfrage im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Sie stellt sich nur deshalb, weil die Gläubiger in ihrer Gesamtheit durchaus Einfluss auf den Gang des Insolvenzverfahrens nehmen, insbesondere die Abberufung eines Verwalters oder die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters erzwingen können. Die verfahrensrechtlichen Befugnisse des Schuldners bleiben hingegen so weit hinter denjenigen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger zurück, dass es während des laufenden Verfahrens nicht auf seine Kenntnis ankommen kann.
Die Gläubigerversammlung, deren Einberufung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4 InsO von einer qualifizierten Minderheit der Insolvenzgläubiger verlangt werden kann, kann gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Abberufung des Insolvenzverwalters beantragen. Auch der Gläubigerausschuss ist antragsberechtigt. Gegen die Ablehnung eines solchen Antrags steht dem Gläubigerausschuss und dann, wenn die Gläubigerversammlung den Antrag gestellt hat, jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. Die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters können die einzelnen Gläubiger zwar nur nach § 58 InsO anregen. Ein Antragsrecht steht ihnen allein ebenso wenig zu wie die Befugnis zur sofortigen Beschwerde, wenn ein Sonderinsolvenzverwalter nicht bestellt wird. Die Frage einer Sonderinsolvenzverwaltung ist jedoch zulässiger Beratungsgegenstand einer Gläubigerversammlung. Diese hat das Recht, die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zu beantragen oder jedenfalls anzuregen. Zur Durchsetzung einer solchen Entscheidung kommt entsprechend § 57 Satz 4, § 59 Abs. 2 Satz 2 InsO ein Beschwerderecht jedes einzelnen Gläubigers in Betracht7. Ebenso ist die Gläubigerversammlung befugt, Stellung dazu zu nehmen, ob ein vom Sonderinsolvenzverwalter ermittelter Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter durchgesetzt werden soll8. Beschließt die Gläubigerversammlung, dass ein Sonderinsolvenzverwalter zur Prüfung und Durchsetzung eines Anspruchs gegen den Insolvenzverwalter eingesetzt werden soll, ist der Insolvenzverwalter nicht berechtigt, die Aufhebung dieses Beschlusses zu beantragen9.
Demgegenüber hat der Insolvenzschuldner nicht das Recht, die Entlassung des Insolvenzverwalters zu beantragen und sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Entlassung einzulegen. Gleiches gilt hinsichtlich der Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters10. Ihm bleibt allein die Möglichkeit, Aufsichtsmaßnahmen des Insolvenzgerichts nach § 58 InsO anzuregen. Ob und inwieweit das Gericht daraufhin tätig wird, steht jedoch allein in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, nicht tätig zu werden, sieht die Insolvenzordnung nicht vor. Dafür gibt es gute Gründe. Die Insolvenzordnung will verhindern, dass die Arbeit des Insolvenzverwalters durch Anträge des Schuldners behindert und das Insolvenzverfahren durch Rechtsmittel unnötig in die Länge gezogen wird. Dann kann man dem Schuldner jedoch nicht vorwerfen, keinen Einfluss auf das seinen Einwirkungsmöglichkeiten weitgehend entzogene Verfahren genommen zu haben. Auf seine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen kann deshalb vor Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht abgestellt werden.
Der Insolvenzschuldner hätte noch die Möglichkeit gehabt, den Insolvenzverwalter um die Freigabe des Schadensersatzanspruchs aus § 60 InsO zu bitten. Auch insoweit handelt es sich jedoch nur um eine Anregung, nicht um einen durchsetzbaren Anspruch. Der Insolvenzverwalter behauptet selbst nicht, dass er zur Freigabe dieses Anspruchs bereit gewesen wäre. Der Anspruch gehörte zur Insolvenzmasse und hätte vorrangig im Interesse der Insolvenzgläubiger geltend gemacht werden müssen. Auch insoweit kommt eine Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Insolvenzschuldners nicht in Betracht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 127/14
- BGH, Urteil vom 26.06.2014 – IX ZR 162/13, WM 2014, 1434 Rn. 10 f; vgl. auch BGH, Urteil vom 22.01.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425; RGZ 152, 125, 127 [jeweils zu § 82 KO][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.07.2014 – IX ZR 301/12, WM 2014, 2009 Rn. 11[↩]
- HK-InsO/Kayser, 7. Aufl., § 92 Rn. 40; vgl. auch BGH, Urteil vom 22.04.2004 – IX ZR 128/03, BGHZ 159, 25, 26 [zu § 82 KO]; vom 17.07.2014, aaO Rn. 11 [zu § 82 KO] mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 17.07.2014 – IX ZR 301/12, WM 2014, 2009 Rn. 13[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.04.2004 – IX ZR 128/03, BGHZ 159, 25, 28 [zu § 82 KO]; 29 f InsO zu § 92 InsO mwN; MünchKomm-InsO/Brandes/Schoppmeyer, 3. Aufl., § 62 Rn. 4; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 62 Rn. 8[↩]
- BGH, Urteil vom 22.04.2004, aaO S. 30[↩]
- BGH, Beschluss vom 30.09.2010 – IX ZB 280/09, NZI 2010, 940 Rn. 5[↩]
- BGH, Beschluss vom 23.04.2015 – IX ZB 29/13, WM 2015, 1065 Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 17.07.2014 – IX ZR 301/12, WM 2014, 2009 Rn. 15[↩]
- BGH, Beschluss vom 20.02.2014 – IX ZB 16/13, WM 2014, 571 Rn. 9 ff[↩]
- BGH, Beschluss vom 02.03.2006 – IX ZB 225/04, NZI 2006, 474 f; vom 18.06.2009 – IX ZA 13/09, NZI 2009, 517 Rn. 3[↩]