Verjährungsbeginn – und die Kenntnis des Insolvenzschuldners

Hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist hat sich der Insolvenzverwalter die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangte Kenntnis des Insolvenzschuldners von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Drittschuldners grundsätzlich zurechnen zu lassen.

Verjährungsbeginn – und die Kenntnis des Insolvenzschuldners

Im Falle des Gläubigerwechsels durch Abtretung (§ 398 BGB), Legalzession (§ 412 BGB) oder Gesamtrechtsnachfolge muss sich der neue Gläubiger – entsprechend § 404 BGB – die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des alten Gläubigers zurechnen lassen1. Dies gilt auch für den Fall eines Wechsels des Verwalters2. Nichts anderes gilt bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters und dem damit gemäß § 80 Abs. 1 InsO einhergehenden Übergang der Verfügungsbefugnis über die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen auf ihn. Der Insolvenzverwalter hat sich die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangte Kenntnis des Insolvenzschuldners von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Drittschuldners zurechnen zu lassen, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ansonsten zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Neubeginn der Verjährung führen würde3. Der Neubeginn der Verjährung ist seit der Schuldrechtsreform gegenüber der Hemmung auf wenige Ausnahmefälle begrenzt4.

Dieser Beurteilung steht die Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 24.07.20125 nicht entgegen. Soweit dort für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Kenntnis des Insolvenzverwalters abgestellt wurde, betraf dies den Sonderfall der als Innenhaftung ausgestalteten Existenzvernichtungshaftung. Bei dem existenzvernichtenden Eingriff besteht die Besonderheit, dass zwischen dem Schädiger und dem Geschäftsführer der anspruchsberechtigten Gesellschaft Personenidentität vorliegen kann. Ist der Schädiger das einzige Organ der Gesellschaft, ist seine Kenntnis für den Verjährungsbeginn bedeutungslos6.

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Restschuldbefreiung bei Gläubigertausch

Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. April 2022 – IX ZR 107/20

  1. vgl. BGH, Urteil vom 17.10.1995 – VI ZR 246/94, NJW 1996, 117, 118; vom 24.04.2014 – III ZR 156/13, NJW 2014, 2345 Rn. 25; vom 30.04.2014 – IV ZR 30/13, NJW 2014, 2492 Rn. 13; vom 30.04.2015 – IX ZR 1/13, WM 2015, 1246 Rn. 12[]
  2. BGH, Urteil vom 30.04.2015, aaO[]
  3. vgl. OLG Hamm, VersR 2017, 610, 611; BeckOGK-BGB/Piekenbrock, 2022, § 199 Rn. 124[]
  4. vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 97[]
  5. BGH, Beschluss vom 24.07.2012 – II ZR 177/11, WM 2012, 1779 Rn. 15[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 09.02.2009 – II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rn. 34[]