Zahlung der Versicherungssumme während des Insolvenzeröffnungsverfahrens

Ermächtigt der Versicherungsnehmer nach Erlass eines Zustimmungsvorbehalts einen Dritten zum Einzug einer ihm zustehenden Versicherungsforderung, wird der Versicherer auch bei Gutgläubigkeit nicht durch die Zahlung an den Ermächtigten von seiner Verbindlichkeit befreit.

Zahlung der Versicherungssumme während des Insolvenzeröffnungsverfahrens

Die Schuldnerin war wegen des gegen sie angeordneten Zustimmungsvorbehalts gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO nicht berechtigt, diese Personen mit Hilfe einer Einziehungsermächtigung (§ 362 Abs. 2, § 185 BGB) als Leistungsempfänger einzusetzen.

Der Schutz des § 82 InsO beschränkt sich auf den guten Glauben des Leistenden in den Fortbestand der zum Zeitpunkt des Entstehens der Verbindlichkeit noch gegebenen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder den Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots nachträglich entfallenden Empfangszuständigkeit des Schuldners1. Die Vorschrift greift hingegen nicht zugunsten des Leistenden ein, wenn durch eine von dem Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots getroffene Verfügung – gleich ob im Wege einer Forderungsabtretung (§§ 398 ff BGB) oder einer Einziehungsermächtigung (§ 362 Abs. 2 BGB, § 185 Abs. 1) – die Einziehungsbefugnis eines Dritten begründet werden soll. Verfügungen des Schuldners nach Verfahrenseröffnung oder nach Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots sind – abgesehen von Fällen eines grundbuchmäßigen Gutglaubensschutzes – gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO schlechthin unwirksam2.

Weiterlesen:
Vollstreckungsschutz in einem Zwangsversteigerungsverfahren - und die Suizidgefahr

Ermächtigt danach der noch uneingeschränkt verfügungsbefugte Schuldner einen anderen zum Empfang einer Leistung (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB), wird ein Drittschuldner im Falle einer nach Verfahrenseröffnung an den Ermächtigten bewirkten Leistung gemäß § 82 Satz 1 InsO von seiner Schuld befreit, wenn er keine Kenntnis von der Verfahrenseröffnung hatte. Erteilt der Schuldner die Ermächtigung hingegen erst nach Verfahrenseröffnung oder nach Erlass eines Verfügungsverbots (§ 81 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO), ist die Ermächtigung als Verfügung unwirksam. Dann kommt einer Leistung auch des gutgläubigen Drittschuldners an den vermeintlich Ermächtigten keine schuldbefreiende Wirkung zu3.

Eine Einziehungsermächtigung kann gemäß § 362 Abs. 2, § 185 BGB erteilt werden, indem der Dritte vom Gläubiger ermächtigt wird, die Leistung (mit befreiender Wirkung) in Empfang zu nehmen, oder indem der Forderungsschuldner vom Gläubiger ermächtigt wird, die Leistung4 an den Dritten zu erbringen5. Da die Schuldnerin vertreten durch ihren Geschäftsführer R. (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) die Beklagte am 7.02.und 27.04.2012 angewiesen hat, die Versicherungsforderungen an dessen Tochter sowie an diesen selbst als Privatperson auszuzahlen, beruht die Forderungszuständigkeit beider Leistungsempfänger auf einer ihnen von der Schuldnerin durch Erklärung an die Beklagte als ihrer Forderungsschuldnerin erteilten Einziehungsermächtigung. Zu den maßgeblichen Zeitpunkten war die Schuldnerin wegen des bereits am 16.01.2012 ergangenen Zustimmungsvorbehalts nicht mehr verfügungsbefugt (§ 81 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO).

Weiterlesen:
Anfechtungsrechtliche Aufrechnungsverbote im Insolvenzeröffnungsverfahren

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Oktober 2014 – IX ZR 41/14

  1. BGH, Beschluss vom 12.07.2012 – IX ZR 210/11, WM 2012, 1553 Rn. 6[]
  2. BGH, aaO[]
  3. BGH, aaO Rn. 7 f mwN; Beschluss vom 12.07.2012 – IX ZR 213/11, WM 2012, 1496 Rn. 14[]
  4. mit befreiender Wirkung[]
  5. BGH, Urteil vom 25.03.1983 – V ZR 168/81, BGHZ 87, 156, 163; vom 12.05.2011 – IX ZR 133/10, WM 2011, 1178 Rn. 12[]