Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid – und die geänderte Firmierung der Gläubigerin

Die Möglichkeit des vereinfachten Vollstreckungsantrags bei Vollstreckungsbescheiden gemäß § 829a ZPO ist für eine Gläubigerin, deren Parteibezeichnung sich nach Erlass des Vollstreckungsbescheids geändert hat, nicht eröffnet, weil sie dem zuständigen Vollstreckungsorgan die Parteiidentität mit der Titelgläubigerin zweifelsfrei nachweisen muss. Die die Parteiidentität belegenden Urkunden müssen dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden und schließen als vorlegungspflichtige andere Urkunden im Sinne des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens gemäß § 829a ZPO aus.

Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid – und die geänderte Firmierung der Gläubigerin

Nach § 829a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist im Falle eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung (§§ 829, 835 ZPO) die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ZPO entbehrlich. Danach setzt der vereinfachte Vollstreckungsantrag bei Vollstreckungsbescheiden unter anderem voraus, dass die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nicht vorgeschrieben ist, § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO.

Hieran fehlt es, denn die (hier: von einer GbR in eine oHG umgewandelte) Gläubigerin musste dem Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Urkunden beifügen, die ihre Parteiidentität mit der Titelgläubigerin belegen. Ist aber eine weitergehende gerichtliche Prüfung anhand von Urkunden veranlasst, scheidet die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens nach § 829a ZPO aus1.

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Gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 4, § 699 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 795 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Vollstreckungsbescheid namentlich bezeichnet sind. Das Vollstreckungsorgan hat eine formale Prüfung vorzunehmen, ob Gläubiger und Schuldner als Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens mit den Personen identisch sind, für und gegen die der durch den Titel vollstreckbar gestellte Anspruch durchzusetzen ist2. Fehlt es an der Identität des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers und des Titelgläubigers oder lässt sich diese nicht zweifelsfrei feststellen, darf die Vollstreckung nicht durchgeführt werden3.

Besteht hingegen Parteiidentität, steht eine bloße Änderung des Namens oder der Firma des Gläubigers etwa aufgrund von Heirat, Umfirmierung etc. der Vollstreckung nicht entgegen. Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass eine kraft Gesetzes eingetretene Umwandlung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) in eine offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB), auf die sich die Gläubigerin beruft, eine solche parteiidentitätswahrende Umwandlung darstellt.

Die Parteiidentität muss dem für die beantragte Zwangsvollstreckung zuständigen Vollstreckungsorgan gegenüber nachgewiesen werden4. Will eine mit der im Vollstreckungstitel bezeichneten Gläubigerin hinsichtlich der Rechtsform nicht namensgleiche offene Handelsgesellschaft die Zwangsvollstreckung aus dem Titel betreiben und macht sie geltend, es liege eine Änderung der Rechtsform und eine Änderung der Firma vor, hat sie die Personenidentität dem zuständigen Vollstreckungsorgan zweifelsfrei nachzuweisen5.

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Die Parteiidentität kann der Gläubiger durch Vorlage entsprechender Urkunden nachweisen; in Betracht kommt auch eine Beischreibung6. Bei der Beischreibung handelt es sich um einen die Identität der betroffenen Partei klarstellenden Vermerk des Gerichts, welches den Titel erlassen hat, dass der Titelgläubiger nunmehr einen neuen Namen führt oder sich seine Rechtsform geändert hat7. Die Beischreibung der geänderten Parteibezeichnung, auch klarstellender Zusatz genannt8, wird dem Titel beigefügt.

Die die Parteiidentität belegenden Urkunden beziehungsweise die Bei- schreibung müssen dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden und schließen deshalb als vorlegungspflichtige andere Urkunden im Sinne des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens des § 829a ZPO aus.

Der Verfahrensfehler, wonach es an einem formwirksamen Antrag fehlt, ist nicht geheilt. Zwar hat die Gläubigerin, die nach Aktenlage entgegen § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO dem Antrag zudem keine Abschrift des Vollstreckungsbescheids nebst Zustellbescheinigung als elektronisches Dokument beigefügt hatte, im Erinnerungsverfahren eine Kopie des Vollstreckungsbescheids vorgelegt. Die Vorlage einer einfachen Kopie ist nicht ausreichend, es bedarf der Vorlage der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids im Original9.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Mai 2023 – VII ZB 23/22

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 – VII ZB 25/20 Rn. 22, MDR 2022, 121[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 26.11.2009 – VII ZB 42/08 Rn. 10, NJW 2010, 2137[]
  3. MünchKomm-ZPO/Heßler, 6. Aufl., § 750 Rn. 4; HK-ZV/Giers/Haas, 4. Aufl., § 750 Rn. 12[]
  4. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 3 Rn. 2[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 17.05.2017 – VII ZB 64/16 Rn. 9, NJW 2017, 2917; Beschluss vom 21.07.2011 – I ZB 93/10 Rn. 6, NJW-RR 2011, 1335[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 17.05.2017 – VII ZB 64/16 Rn. 9, NJW 2017, 2917; Walker/Roderburg in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, ZPO, 7. Aufl., § 750 Rn. 15[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 13.01.2021 – VII ZB 30/18 Rn. 10, NJW-RR 2021, 226; Beschluss vom 21.07.2011 – I ZB 93/10 Rn. 13, NJW-RR 2011, 1335; MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl., § 726 Rn. 75[]
  8. HK-ZPO/Kindl, 9. Aufl., § 727 Rn. 9; HK-ZV/Giers/Haas, 4. Aufl., § 727 Rn. 40 ff.; Musielak/Voit/Lackmann, 20. Aufl., § 750 Rn. 5, § 727 Rn. 1a[]
  9. vgl. Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., B.39; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 20. Aufl., vor § 704 Rn. 24; Schuschke/Plücker in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, ZPO, 7. Aufl., § 829a Rn. 2[]
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